Faksimile 1057 | Seite 1049
Faksimile 1057 | Seite 1049
Faksimile 1057 | Seite 1049
kümmern
Kümmern: 1) intr.: a) (haben) kummern (ſ. d.):
Für meine Seele kümmert nicht, Mutter! [ſeid unbeküm-
mert, ohne Sorge]. Gotthelf U. 2, 47; Wir ſchwitzen, k.,
flehn, verſchwenden Zeit und Blut. Haller 158. Auch: Ihr
könnt verlieren ohne Grollen; | denn euer Seckel kümmert
nie. Lenau Sav. 148, iſt nie in Noth, darbt nie (vgl. b).
b) mit „haben“ und ,ſein“: ſich kümmerlich ent-
falten; nicht zur vollen normalen Entwicklung gelan-
gen, nam. durch ſtörende, hemmende Einwirkungen in
der Entwicklung zurückbleibend und gleichſam hin-
ſchmachtend, ſein Daſein kümmerlich friſten (vgl. krüp-
peln). Das Hilfszeitw. „haben“ bez. das dauernde
Beharren in der Kümmerlichkeit, „ſein“ (gw. bei der
Zſſtzg.: dahin-, hin-, ver-k.) den Zuſtand des Küm-
merlich-Seins als unabänderliches Ergebnis: Die Tanne
entwickelt ſich, wenn ſie auch lange im Schatten gekümmert
hat, doch ſpäter, licht geſtellt, noch zum ſchönen Baum; Die
Natur iſt zu ſehr gekümmert [kleinlichen Maßſtabes, dürf-
tig], ſelten maleriſch. G. 30, 255 ꝛc.; Wo auf trockenen
Sandflächen ein magerer Haſe kümmert. Holtei Ob. 1, 54;
Ein Wildling .. mit rauher Rinde und k–dem Wachsthume.
vHorn Wildl. 1; Sobald die Pfahlwurzel abreißt, kümmert
die Pflanze. Landwirthſch. Zeit. (55) 18b; 65a ꝛc.; Wenn
Hochwild an einem alten Schuſſe oder durch ſonſtige Ver-
letzung krankt, ſo kümmert’s und heißt Kümmererer. Laube
Brev. 270; Die Schlange kann des Auges nicht, der Zunge
nur ſchwer entbehren, hilft ſich ohne dieſe kümmerlich durch’s
Leben, kümmert ohne jenes zu Tode. Linck Schl. 23 ꝛc.
2) tr.: a) mit Kummer, mit Sorge erfüllen, betrüben:
Du kommſt nicht und, weil ich Das gewiß weiß, ſo kümmert’s
mich. Bettina 1, IX; Die Brüder ſtörend aufzuregen | aus
ſtiller Andacht, kümmert ihn. Lenau Sav. 23; Doch Suhrab,
deſſen Herz ein Andres kümmerte, | ſah unbekümmert drein,
wie Alles trümmerte. Rückert Roſt. 40b ꝛc.; im Partic.
auch ohne Obj.: Eine k–de Sehnſucht nach dem Beſſern
erfüllt ihn. WvSchütz (FSchlegel Muſ. 3, 300). b) ver-
allgemeinert zu a: Etwas kümmert mich, es geht mich
an, berührt mich, nimmt meine Sorge, mein Jntereſſe
in Anſpruch: Das kümmert mich nicht, nicht im geringſten,
Wenig, Nichts, gar Nichts, kein Haar (W. 12,26), keinen Pfiffer-
ling, nicht ſo Viel ꝛc.; „Was kümmert Euch Das?“ Was
mich Das kümmert? Ich ſehe hier Gram und Kummer und
wenn ich rede, ihn wegzubannen, ſo handle ich als Menſch,
Das kümmert es mich. Benedir 8, 168; Was kümmert dich |
der Feinde Sieg? Platen 6, 24; Was k. dich Kalmücken? 30;
Sch. 15b ꝛc. Auch (ſ. 3): Es iſt nicht des Reichs [halber]
daß mich’s kümmert. G. Keſtn. 57; Es kümmert mich Deſſen
nicht ꝛc., und ungw. mit perſ. Dat. ſt. des Obj.: Was
kann’s dem Monde k., | wenn ihn der Hund anbellt? Körner
140b ꝛc. (ſ. be-k.). c) Etwas (Einen) k., be-, ver-k., mit
Arreſt, Beſchlag belegen, ſ. Kummer 2. 3) refl.:
a) (ſ. 2a) ſich grämen: Davon er zuletzt .. ſich zu Tode
Sanders, deutſches Wörterb. I.
kümmerte. Luther SW. 60, 329 ꝛc. b) (ſ. 2b) Sich um
Etwas k., es ſich angelegen ſein laſſen, ſich darum
mühen, dafür ſorgen, danach fragen, Etwas darauf
geben, Rückſicht nehmen ꝛc.: So, Zärtling du, ſo küm-
mert ſich dein Herz | um deinen Feind. B. 170a; Der Hof-
ſchulze ging, ohne ſich vorläufig um die .. Nachbaren zu k.
Immermann M. 1, 268; Während das Volk ſich den Teufel
um gebrochne Töne kümmert. Keller gH. 4, 240; Was küm-
mert man ſich hier um ungelegte Eier? Müllner 5, 120 u. v.
Seltner: Daß er für uns ſich kümmre [ſorge], zeigt uns
nicht | dies todte Durcheinander. Lenau Alb. 127 ꝛc. Auch
mit Genit.: Deſs ſoll ſich Niemand k. Mörike N. 452;
Eine Memme, der ſich Deſſen kümmert! W. 11, 133; 34,
226 ꝛc., und veralt.: Kümmer dich Nichts, laß mich ſor-
gen! Schaidenreißer 57b. Ferner mit abhäng. Satz: Ich
kümmre mich nicht (drum), wer es, ob, wann, warum er
es thut ꝛc.
Zſſtzg. z. B.: Áb-, tr. [1a]: Einem Etwas küm-
merlich abgewinnen: Thiere, mit denen wir der kargen
Erde unſere Nahrung a. Chamiſſo 6, 298, auch retl.: ſich
durch Kummer abzehren. Be-: 1) (vralt.) ſ. Kum-
mer Anm. und 2: hindern, zurückhalten, z. B.: Mit
ſpitzfindigen Fragen bekümmert und gehindert. Fiſchart B. 10a
u. [2c]: Die arreſtierten oder bekömerten Hab. Carolina § 207
ꝛc. Andere Belege ſ. Adelung; Friſch; Grimm; Haltaus ꝛc.
2) [2a] Einem Kummer, Qual, Sorge machen: Eine un-
gerathene Tochter ... bekümmert ihren Vater. Sir. 22, 4; Es
bekümmert ihn Nichts, daß du verdirbeſt [er fragt Nichts
danach, es liegt ihm Nichts daran, ſ. 3]. 13, 6; Sein
Vater wollte ihn nicht b., daß er hatte geſagt: Warum thuſt
du Das? 1. Kön. 1, 6; Jer. 44, 19; 1. Moſ. 11, 11; 6,
6; Matth. 26, 10; Der Unfall des armſeligen Ulyſſis be-
kommert mich. Schaidenreißer 1bꝛc. Vralt. auch: Mit glei-
cher Wüterei haben ſie auch Galliam weiter hinein bekümmert
[beſchwert, gekränkt ꝛc.]. Stumpf 71b ꝛc. Zuw. mit
perſönlichem Dat. ſt. des Obj.: Ihm ſchien’s–wenig
zu b. Muſäus Ph. 3, 19; Daß man leicht beſchließen
könn’ im Einem, | was ihm und euch b. könnt im Andern.
ς ⏑.
Schlegel Rich. III. 3, 2 ꝛc. (ſ. 3 u. 1). 3) [2b], ſ. 2:
Bekümmert mich des Moskoviters Sache? Sch. 667a [han-
delt es ſich mir darum, gilt ihr etwa mein Jntereſſe?];
Was bekümmert’s dich [geht’s dich an], | wenn du das
Spiel gewinneſt, wer es zahlt? 340a; 255b ꝛc. 4) refl.:
[3au. b] ſich Sorge um Etwas machen, oder verallge-
meinert: ſich Etwas angelegen ſein laſſen: a) ohne ab-
häng. Vh.: Bekümmert euch nicht und denket nicht, daß
ich darum zürne. 1. Moſ. 45, 5 ꝛc. b) Sich um Etwas
oder Einen b. 1. Sam.9, 20; 2, 19, 2; Am. 6, 6; Neh.
8, 10; Es hat ſich kein König | um mich bekümmert. G. 1,
282; L. 10, 316; W. 5, 126; Man bekümmert ſich nichts
darum. 34, 393 ꝛc.; Sich über [ob] Beleidigungen b. Duſch
(Adelung) ꝛc. c) (vralt.): Sich mit Etwas b. Luther 2,
492b; 4, 112b; 6, 146b; 178a u. o.; Sich vor (4,
33b), von (Olearius Perſ. Reiſ. 97), nach (Chamiſſo 5,
255) Etwas b. ꝛc., auch mit Genit. Waldis Eſ. 4, 76.
d) m. abhäng. Satz: Ap. 10, 17; Seine erſte Sorge ...
iſt, ſich zu b., wo er Mittag ſpeiſen wird. G. 29, 209;
Daß man ſich alſo bekömere, wer weiß, was er droben denket.
Luther 6, 182b ꝛc.; Selbſt Freuden, welche ſonſt verſchämt
in Grotten fliehn, | bekümmert [ſorgt] man ſich nicht, den
Augen zu entziehn. W. 12, 204. 5) dazu das Partic.:
Die bekümmerten Seelen. Jer. 31, 25; (Um, über, wegen
Etwas) bekümmert ſein. 1. Sam. 20, 34; 1. Moſ. 41, 8;
Spr. 15, 13; Bekümmert ſieht der Schiffer | glatte Fläche
rings umher. G. 1, 54; Wenig um dieſe Letztern .. be-
kümmert, entzog ich mich aller Geſellſchaft. W. 16, 64 ꝛc.
Ggſtz.: Ob ich weiſe od. thörig, | völlig unbekümmert.
G. 4, 34; An dem Leichtſinne dieſer unbekümmerten [ſorg-
loſen] Geſchöpfe. 8, 165; Unbekümmert, ja unwiſſend alles
Fremden. 31, 11; Unbekümmert um den Effekt. 39, 9;
Grünte unbekümmert vor dem Herbſte. Gutzkow R. 7, 179;
Ein unbekümmertes Gemüth, wie’s am Ende ablaufen werde.
Hebel 3, 488; Unbekümmert ob den Fratzen. Heine Rom.
257; Seines Schickſals unbekümmert. Klinger F. 186; Ich
will .. mich unbekümmert laſſen, was die Grillen am Wege
ſchwirren. L. 7, .
..; Unbekümmert um all die nahende
Schrecknis. Stahr Rep. 1, 250; Meiner unbekümmert. V.
Ar. 1, 409; Verfolg ich meinen Weg, des Vorgang s unbe-
kümmert. W.20, 17 ꝛc. Dazu: Freiheit des Gefühls . ., welche
ſelbſt in der Polemik die ſchönſte Unbekümmertheit nicht
verliert. Hegel Äſth. 1, 476; Leichtſinnige Unbekümmertheit.
OLudwig Himm. 9; Die Unbekümmertheit dieſer Menſchen
um die Händel der Welt. Stahr Rep. 1, 206; Gervinus Lit.
5, 4; Schücking HdZ. 1, 201 ꝛc. 6) Über die Be-
kümmerungen um ein künftiges Leben verlieren Thoren
das gegenwärtige. L. 11. 612; Voll Bekümmerung ... kla-
gend. Rückert Mak. 1, 58 ꝛc. Dahín- [1b]: hin-k.
Dúrch-, tr., refl. [1b]: kümmerlich zu Ende od.
durchbringen: Am Ziele eines durchgekümmerten Lebens.
Fichte 7, 45; Blumen im Winter, ſich in einer Zeit der Noth
d. ꝛc. Ent-, tr.: vom Kummer befreien: Ihr ihre
kümmerliche Lag’ e–d. Rückert 1, 157. Er, tr. [1a]:
kümmerlich erringen: Was ſind Dinge, zu denen wir uns
einen Entſchluß e.? Brentano Fr. 1, 143. Hín- [1b]:
kümmerlich hinleben, ſich hinfriſten: Unter Eugen’s Nach-
folgern kümmerte die Kunſt mühſam hin. Devrient 3, 108;
Das Hohe ſollte ſich begnügen, | nur hinzukümmern trüb u.
hohl? Lenau Sav. 73; Stahr Par. 2, 141 ꝛc. Ver-:
1) intr. (ſein): a) vor Kummer vergehn (ſelten): Hier
harrt’ er, ganz verkümmert ihm ſein Herz. B. 148a.
b) [1b] ſtatt zur vollen, nur zu einer kümmerlichen
Entwicklung gelangen, kümmernd vergehn: Daß ſie
Schiller, den Stolz und die Zierde des Vaterlandes, verk.
ließen. Börne 4, 330; Daß ſie, an reiche Koſt gewöhnt, all-
hier, | ringsum vom Feind umſchränkt, verkümmerten. B.
161a; Gott heißt „Vergeltung“ in der Weltgeſchichte | und
läſſt die Saat der Sünde nicht verk. Chamiſſo 4, 57; So ihr
nicht begießt die Pflanze, wird ſie allgemach verk. Herwegh
29; Er war angelegt zu einem ſtolzen Charakter, aber zur
Eitelkeit verkümmert. Pröhle J. 280; So verkümmert die
Kunſt in todte Pedanterie. Prutz DMuſ. 1, 1, 773 (Bank);
Dem kleinen verhutzelten Weſen mit dem verwelkten, ver-
kümmerten Geſicht. Muſik. 1, 102; Der Menſch verkümmert
im Frieden, | müßige Ruh iſt das Grab des Muths. Sch.
497a ꝛc. (ſ. 2). Auch (ſ. a): Wir ſind dann ver-
kümmert u. vergrämt. Höfer Hausbl. (55) 1, 115; Schücking
GſE. 3, 144 ꝛc. 2) tr.: a) (ſ. 1b): verk. machen,
nam. auch (ſ. 1a) durch etwas Trübendes, Störendes
ſchmälern, verkürzen, verderben: Wie ſie im Wachsthum
gehemmt, wie ſie verkrüppelt, wie ſie verkümmert werden.
Gervinus Lit. 5, 185; Ob wir uns nun gleich durch dieſe
Anmaßungen Dasjenige, was wir wirklich hätten leiſten könn-
ten, verkümmerten und zuletzt gar zerſtörten. G. 20, 54;
Der Eingewanderte leidet mit dem Einheimiſchen, dem er
durch ſeine zufällige Gegenwart die eigene Nahrung verküm-
mert. 156; Den Beifall ſehr ſpärlich austheilen .., das Lob
ver-k., ja wenn es nur einigermaßen thunlich iſt, in Tadel
verwandeln. 22, 255; Der Genuß würde noch reiner ſein,
wenn er ſich u. uns den heitern bedeutenden Scherz nicht durch
ein bitteres Mißwollen hie und da verkümmerte. 193; Ver-
kümmerte dir nicht | dein einz’ger Sohn durch rohes wildes
Weſen, | Verworrenheit, Verſchwendung, ſtarren Trutz | dein
reiches Leben, dein erwünſchtes Alter? 13, 231; 27, 258;
Man verkümmerte ihm ſeine Penſion. 39, 233; Den Triumph
der guten Sache zu feiern, den ihr die Schule mit aller ihrer
Halsſtarrigkeit nicht lange mehr verk. wird. 242; Vielleicht
überſetz’ ich das Ende, das hauptſächlich durch dieſen deutſchen
Mehlthau [der Prüderie] verkümmert worden iſt. Sch. 6, 95;
Zelt. 2, 66; Wo ihm ſogar das zweifelhafte Licht | des
bleichen Monds ein troſtlos Grau verkümmert. W. 11, 182;
Unbillig gegen dich ſelbſt .., wenn du dir, um eines Viel-
leichts willen, das Verdienſt ... verk. wollteſt. 18, 252;
Allerlei kleine Sorgen verk. des Lebens Leben. Zelter 2, 380
u. v., nach Adelung noch „eine ugw., von L. in der
Emilia Galotti gewagte Bed.“ Auch: So bliebe den-
noch die Religion in den Herzen derjenigen Chriſten unver-
rückt und unverkümmert, welche ꝛc. L. 10, 127; Die Ver-
kümmerung des Triumphs, der Freude, eines Gewächſes
ꝛc. b) [2c] u. ä. m.