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Kleid
Klēīd, n., –(e)s; –er; –chen, lein, Mz.: –erchen,
erlein; -, –er-: 1) Gewand, die äußerlich ſichtbare,
dauernd zum Anzug gehörige alſo nicht etwa bloß,
wie ein „Mantel“ ꝛc. zeitweilig umgenommene
Bedeckung des Rumpfs bis auf die Füße. Solche iſt
aus einem Stück bei uns nam. für das weibl. Ge-
ſchlecht üblich, bei männl. beſteht ſie gw. aus mehrern
Kleidungsſtücken (Rock oder Jacke, Weſte und Hoſe).
Daher gilt die Ez. meiſt nur vom weibl. Geſchlecht,
während die genannten Kleidungſtücke des männl. meiſt
durch die Mz. K–er bezeichnet werden. Doch findet
ſich auch hier die Ez., nam. in Bezug auf oriental.
Tracht (ſo oft in der Bibel) oder von dem lang herab-
wallenden Rock überh. und im engern Sinn heißt nam.
auch wohl der Frack K. (Düringer 618), während im
weitern Sinne K–er auch alle zum vollſtändigen An-
zug gehörigen Ggſtde oder Kleidungsſtücke umfaſſt:
Johannes hatte ein K. von Kamelshaaren. Matth. 3, 4;
Mark. 10, 50 ꝛc.; [Der Derwiſch] .. ſteckt es in ſein gefaltet
K. Chamiſſo 3, 314; Der Doktor im langen K–e, der uns
vom Katheder herab belehrt. G. 39, 112 ꝛc.; Die Dame
will ein K. [Zeug zum K.] kaufen, ausnehmen; Der Schnei-
der macht das K., macht K–er für Herren und Damen; Mit
alten K–ern handeln; Ein K. an-, ausziehn; Sich in oder
mit den K–ern aufs Bett werfen; Er iſt die ganze Zeit nicht
aus den K–ern gekommen; Beim Feuerruf eilte ſie in Unter-
rock und Hemde, ohne K. auf die Straße; Die Dame nahm
den Mantel ab und ich bemerkte nun ihr prächtiges K.; Deß-
wegen wirft der weiſe Bildhauer die Bekleidung weg und
zeigt uns bloß nackende Figuren. .. K–er ſind ihm etwas Zu-
fälliges. . . Ebenſo wie der griechiſche Bildhauer die unnütze
und hinderliche Laſt der Gewänder hinwegwirft. Sch. 1126;
Jeſ. 63, 2; Sprchw.: Das K. macht den Mann, ſein
Werth wird oft nach der äußern Erſcheinung abgemeſ-
ſen; Einen neuen Lappen auf ein altes K. flicken. G. 39,
377; Matth. 9, 16; Einem zu K–e (Hausbl. 58 2,
450 ꝛc.), ans K. (Laube DW. 5, 116 ꝛc.) wollen, ihm zu
Leibe rücken wollen, vgl.: Nieder-K.; Zu Kittel, an
den Kragen gehn; Einem Etwas am Zeug flicken ꝛc.
Vielfach bildl. und übertr.: Er hat mich angezogen
mit K–ern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit ge-
kleidet. Jeſ. 61, 10; Hiob 29, 14; Licht iſt dein [Gottes]
K., das du anhaſt. Pſ. 104, 2; Mit der Tiefe deckteſt du das
Erdreich, wie mit einem K–e. 6; Wer bindet die Waſſer in
ein K.? Spr. 30, 4; Weil ſie ſich in das K. der Einfalt,
Frömmigkeit, Demuth . . einhüllten [den Schein der Ein-
falt ꝛc. annahmen]. H. Ph. 13, 230 ꝛc. In Bezug auf
Thiere: Hiob 41, 4; Dem Pfauen ſich zu brüſten | hat er
[Gott] geſtickt das K. Rückert Erb. 2. 82 u. o. (z. B. in
Fabeln), ſ. Alters-, Hochzeits-K.; ferner in Bezug auf
Pflanzen und die Pflanzendecke der Erde ꝛc. (ſ. Blu-
men-K.): Die abdorrenden K–er der Bäume. Gutzkow 3,
73; [Des Lenzes] Veilchen ſticken | der Erde junges K. [vgl.
Teppich ꝛc.]. Platen 1, 192 ꝛc. Ferner übertr. aufs gei-
ſtige Gebiet, z. B. von Worten, als Einkleidung der
Gedanken ꝛc., von Dem, worin etwas äußerlich zur
Erſcheinung kommt: Ihm [Homer] ſtatt ſeines altväte-
riſchen, aber anſtändigen und ehrwürdigen Gewandes ein
K. nach franzöſiſchem Schnitte anlegen. B. 136a; Wie Gellert
ſeine Fabeln abzukürzen ſuchte und Gleim ſchon von vorn her-
ein in einem knappern K–e auftrat. Danzel 414; Worte ſind
die K–er der Gedanken, Beiwörter der Beſatz, Worte der
eigentliche Anzug. Hippel Leb. 167 ꝛc.; Weglegt er der Täu-
ſchung Mantel | und der Sinne geſticktes K. Platen 2, 166 ꝛc.
Ferner beſ. Anwendungen (ſ. 1), z. B.: 2) die
Hülſe des Getreides. 2. Kön. 4, 42. Auch die den
Samen oder die Blumen des Farnkrauts bedeckende
dünne Haut, Indusium. 3) die den Fötus umhül-
lende Haut, ſ. Schaf-, Glückshaut ꝛc. 4) Schiff.:
z. B. a) K. eines Segels, die einzelnen Streifen Segel-
tuchs, woraus es zuſammengeſetzt iſt. b) K., Beklei-
dung eines Taus, Alles, womit ein Tau umwickelt iſt,
um das Durchſcheuern zu verhindern. c) K. der
Pumpe, eine Wuhling oder Bekleidung von Tauen um
die Pumpenröhren, ihr Berſten zu verhindern. d) K.
einer Laterne, das ſie umgebende Gitterwerk und noch
häufiger die (bei Tage) über dieſes gezogene Tuchkappe.
Anm. Mhd. kleit, unſichrer Abſtammung. Ob vielleicht
zunächſt das „angelegte“ Kleid, mhd. anelege, etwa zſgzgn
aus gelegede wie „Getreide“ aus getregede ?
Zſſtzg. unerſchöpfl., z. B. nach dem Stoff: Atlas-,
Barége-, Damaſt-, Kambrik-, Kattun-, Purpur-, Sammt-,
Seiden-, Taft-, Tuch-, Tüll-, Wollen-K. ꝛc., oder nach der
Zeit, wofür die Tracht beſtimmt iſt, z. B.: Alltags-,
Sonntags-, Feſt(tags)-, Werkel(tags)-, Feier-K.; Frühlings-,
Herbſt-, Sommer-, Winter-, Morgen- oder Früh- (G. 15,
85), Nacht-K. ꝛc., ferner nach dem damit Bekleideten,
zumal bei Perſ., inſofern die Tracht den Stand ꝛc. be-
zeichnet; nach der Gelegenheit, wobei es angezogen
wird und nach mannigfachen andern Umſtänden, z. B.
(vgl. die von Rock ꝛc.) leicht zu mehren und zu ver-
ſtehen nach den folgenden: Álters-: von Thieren ꝛc.,
die ihr Kleid, ihre Hülle mit dem Alter ändern: Der
letztere Vogel iſt im Jugend- und A–e auf dem Gotthard ge-
fangen worden. Tſchudi Th. 101 ꝛc. Āūßen-: das“
außen ſichtbare: Die A–er werden gemeiniglich von beſſerm
Zeuge gemacht als das Futter. Olearius Baumg. 68a.
Bāde-: Luther 5, 280a. Báll-: In flatternden B–ern.
Gutzkow R. 4, 335. Bāūer-: G. 21, 286 ꝛc.
Bēīn-: Hoſe (ſ. d.) und wie Dies oft in der Mz.: Ein
Paar B–er = ein B.; Seine B–er waren weite Pumphoſen.
Klinger F. 39; G. 16, 232 ꝛc., vgl. Nieder-, Unter-K.
Bérg-: Bergmanns-K., ſ. Gruben-K.: Laſſen ihn[en] B–er
anſchneiden und rüſten ſich wie Schieferhäuer. Mattheſius Luth.
207aꝛc. Blūmen-: Schon ruft der Lenz die Sonne, |
bald weben ſie ein B. Chamiſſo 6, 244; Matthiſſon 13; Schmidt-
Phiſeldeck 6 ꝛc. Brāten-: Kleid, das man an Feſt-
tagen wo es gw. einen Braten giebt trägt: Hat
der rückſichtsloſe, muthwillige Genius, der das B. nicht tra-
gen mag, die bequeme Jacke des Harlekin angezogen. Müllner
5, 184 ꝛc. Brāūt-: Hochzeits-K. (ſ. d. u. Braut,
Anm. 2): Die Mädchen hatten ihr .. | das weiße B. pro-
bend angelegt. Kinkel 460; übertr.: Nun da die Mauſe
vorbei, wie ſtrahlen die Vögel im B.!; Da die Erd’ ihr B.
machet [im Lenz]. L. 5, 182; Die Sterne webten und ſtick-
ten ihr B. IP. 22, 244; 23, 127 ꝛc. Brúſt-:
Wams, Mieder. Bügel-: Reif-K. oder -Rock,
durch darin befindliche Bügel oder Reifen weit vom
Leibe abſtehend. Klencke Parn. 2, 12. Bürger-:
Sei es im B. | ſei’s im blitzenden Waffenſchmuck. Kinkel 96;
Opitz 2, 264 ꝛc. Chōr-. Dāmen-. Dāū-
nen-: Flaumen-K. Dêgen-: Gala-K. für Ka-
valiere. Dócken-: Puppen-K. Ehren-:
Feier-K. Opitz 1, 18; übertr.: Feile Dirne! Schande dei-
nes Vaters! ewiger ſchändender Flecken in dem E., das er
eben in dieſem Augenblicke angezogen hat. G. 10, 205; Man
ſchneidet mit dem großen Meſſer | dem Nächſten in ſein E.
Günther 940, ſ. Ehre abſchneiden. Fálten-: fal-
117
tiges, bauſchiges. Fêder-: aus Federn beſtehend:
Der Vögel F.; Papageno im F. ꝛc. Flāūm(en)-:
Die Küchlein im warmen F. ꝛc. Flūgel-: ein leich-
tes mit Flügeln verſehnes, Einen emporhebendes Ge-
wand, z. B. der Engel ꝛc.: Leichte Wolken heben mich
[die ſterbende Jungfrau] | der ſchwere Panzer wird zum
F–e. Sch. 486b; In leichteſten F–ern. IP. 36, 89 ꝛc.;
nam. ein früher für Kinder in den erſten Lebensjahren,
zumal für Mädchen übliche Tracht mit zwei vom Rücken
herabhängenden flügelähnlichen Streifen: Schon im
F–e frein. Günther 439; Hagedorn 3, 132; Möſer Ph. 1,
28; Zachariä 1, 97 ꝛc., vgl.: Im fliegenden Kleide. Mahl-
mann 49 ꝛc. Frāūen-. Frīēdens-: z. B.
im Ggſtz. der kriegeriſchen Rüſtung: lIhr] zwangt mir
ſtatt der weichen F–er | die alten Glieder in unglimpflich Erz.
Schlegel Sh. 6, 153. Gála-: Kleid für Galatage
bei Hof. Gáſt-: das man bei Gaſtgeboten an-
legt ꝛc. Grūben-: Berg-K. Hāūs-: wie
man es im Hauſe trägt. V. Hor. 2, 112. Hérren-:
wie es Herren (ſowohl im Ggſtz. der Knechte als der
Damen) tragen. Hérrſcher-: Den Schneemantel
..| Das iſt des Winters H. Chamiſſo 6, 244. Hóch-
zeits-: Braut-K. (ſ. d.), nam. auch von Thieren
das Kleid, das ſie nach der Mauſe bekommen: Beſonders
im H–e von großer Schönheit zeigt ſich das Finkenmännchen ꝛc.
Tſchudi Th. 89; Man bemerkt nam. bei der Bachforelle ein eigen-
thümliches lebhafteres H., wie bei den Vögeln. 165 ꝛc. Hōf-:
wie es bei Hof getragen wird. G. 31, 221 ꝛc.
Jāgd-, Jǟger-. Jūgend-: Voll goldner Äh-
ren, | die ſchlank gewallt im grünen J. Grün Gd. 208, ſ.
Alter- u. Flügel-K. Kābel- [4b]. Kánten-:
Spitzen-K., mit Kantenbeſatz. Kêhr-: Schlepp-K.
Kínder-. Klāge-: ſ. Trauer-K., z. B.
Schweinichen 1, 61 ꝛc. Kónigs-: Laß mir deine K–er
hie | und die Krone nur nimm mit von hinnen. Rückert M.
1, 240. Krīēgs-: (ſ. Ggſtz. Friedens-K.) Mon-
tur, Rüſtung ꝛc. V. Th. 14, 65. Latérnen- [4d].
Lēīd-: ſ. Trauer-K., z. B. 2. Sam. 14, 2; Ayrer
419a ꝛc. Lúmpen-: lumpiges Kleid ꝛc.: Sein L.
ſtrotzt nicht von Flittergold. Lichtwer 78. Mánns-:
gewöhnl. im Gegenſatz zu Frauen-K.; ſelten z. B.
im Gegenſatz des Ornats ein Kleid gewöhnlicher
Männer oder Laien: Ein Kapuciner in M–ern! Pfeffel
P. 2, 13. Mántel-: mantelartiges Kleid: Die
ſpaniſchen M–er. G. 20, 220. Másken-: das man
L auf Maskeraden umnimmt, eigentlich und übertragen.
G. 30, 20. Matrōſen-: Kleid eines Matroſen
und ein derartiges für Knaben, z. B.: Noch im M–e
[in den Knabenjahren]. Sch. 245b. Mönchs-.
Nárren-. Nêbel-: umhüllender Nebel: Der
ſanfte Dichter ſiehet | dich [Unſchuld] im N–e ziehn. G. 1,
44; Schon ſtand im N. die Eiche, | ein aufgethürmter Rieſe
da. 55 ꝛc. Nīēder-: Unter-K., z. B. = Bein-K.
2. Moſ. 28, 42; 39, 28; Heſ. 44, 18; H. Cid 68 ꝛc.,
vgl. „Niederwad“. 3. Moſ. 6, 10; 16, 4, aber auch
ein unterm Ober-K. getragnes, von dieſem bedecktes
Kleid: Ihr möchtet uns gar zu gerne | an Hemd und N.
Freiligrath Garb. 87, vgl.: Zu Kleide wollen ꝛc., in
beiden Bed. der Ggſtz. Ober-K. Öber-: ſ. den
Ggſtz. Nieder-, Unter-K. und vgl. Über-K. Píl-
ger-: G. 4, 289. Prácht-: prächtiges. Prīē-
ſter-. Púmpen- [4c]. Rēīf-: Bügel-K.
Rēīſe-: wie man’s auf der Reiſe trägt. Rēīt-.
Rítter-: Sie erſchienen nicht in Ritter-, ſondern in
Hauskleidern. H. Ph. 13, 271 ꝛc. Schāfs-: nam.
ſprchw.: Wolf in Sch–ern. Matth. 7, 15; Forſter Br. 1,
286 ꝛc. Schánz- [4]: die Be- oder Umkleidung
der Regelingen (ſ. d.), theils von Tuch, theils von
Holz. Schlépp-: mit einer Schleppe (ſ. d.).
Schnǖr-: zum Zuſchnüren. Schúppen-: Der
Fiſche Sch. ꝛc. Schwānen-: ein weißes; z. B. =
Segel. Chamiſſo 6, 278. Spítzen-: Kanten-K.
Stāāts-: zum höchſten Staat, Gala-K. ꝛc.
Stérbe-, Tōdten-: wie es den Todten angezogen
wird. Trāūer-: wie es Trauernde, Leidtragende
gw. tragen, mundartl. Klage-, Leid-K. Tréſſen-:
mit Treſſen beſetzt. G. 21, 42. Trȫdel-: wie es
aus dem Trödelkram kommt: Ein alberner Geck, der den
Bauer unter dem T. eines Städters verbergen will. Pfeffel
Pr. 1, 20. Ǖber-: ein über andre Kleidungsſtücke
gezognes Kleid. Einige unterſcheiden dabei Ü. und
Ober-K. ſo, daß man ohne dies nicht vollſtändig an-
gezogen iſt, jenes aber über den vollſtändigen Anzug
genommen wird als Schutz gegen die Kälte, zur Scho-
nung des Anzugs ꝛc. (ebenſo Uber- und Oberrock),
z. B.: Wir putzen den Putz an :. ziehen ein Ü. über das
U. JP. 1, 131, doch wird der Unterſch. nicht durchgän-
gig beobachtet, z. B.: Ein Weſtchen von Ermiſin und ein U.
von demſelben. G. 28, 181; Der Prinz.. | reicht ihr [der
aus dem Grabe entſtiegenen „halb Nackenden“] ſtracks
ſein eignes Ü. W. 11, 89 ꝛc. Ausgedehnt auch auf die
Hülle und Decke von Pflanzen und Thieren, z. B. von
der Roſe: Dein Purpur .. | im grünen Ü–e. G. 1, 152; In
Darſtellung des mannigfaltigſten thieriſchen Ü–es, der Borſten,
der Haare, der Federn ꝛc. 22, 221. Unter-: Nieder-K.:
1) das von einem obern Gewande bedeckte Kleid: Auch
hatte die Mutter .. unter dem blauen Mantel ein röthliches
zart gefärbtes Ü. G. 18, 4; Lenau Sav. 252; Dieſe durch-
rippten U–er. König Mar. 1, 72 = Unterkleidung. 39, Kri-
noline. 2) Bein-K.: Officiers .., der eine rothe Uni-
form und weiße U–er anhatte. G. 17, 62; Holtei Jahrh. 89
ꝛc. Úr-: dem urſprünglichen Naturzuſtand ent-
ſprechend: Die U–er von fleiſchfarbigem Trikot. Heine Reiſ.
4, 178. Ver-: (ugw.) Verkleidung: Mancher ...
trotz ihrem ſchüchternen V–e | die Brüder Medici erkannt.
Lenau Sav. 127.