Faksimile 0917 | Seite 909
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kippen
Kippen: 1) intr. (haben und ſein): auf der einen
Seite ein Übergewicht bekommen, ſo daß Etwas ſich
zum Fall neigt oder wirklich fällt, im erſtern Fall
mit ,,haben“, im andern mit „ſein“: Der Tiſch hat
gekippt, weil du den ſchweren Folianten ſo nahe an den Rand
gelegt; ich habe ihn noch gehalten, ſonſt wäre er zu Boden
gekippt, ſ. um-k.; Einer kippte und purzelte. Alexis H. 2, 1,
96; Kohl Südr. 1, 11; Daß ich doch küppen [ſtürzen]
muß. L. 8, 23 ꝛc. 2) tr.: a) k. machen: Etwas k.
[auf die Kante oder Seite heben], um es zu kentern (ſ.
d.); Die Kummkarre k., ſtürzen, um ſie ihres Inhalts zu
entledigen, ähnl.: Der, im Fortgehen noch die Gläſer k–d,
nach einer letzten Neige leider vergebens ausſpäht. Stahr Jahr
1, 284; Wir wollen in Paleke’s Keller eine [Flaſche] Fre-
dersdorfer [Bier] k. HSmidt Devr. 46, vgl.: Einen Krug
ꝛc. ſtürzen = leeren. b) Schiff.: Den Anker k.,
aufpentern, auf den Bug ſetzen, ihn mit der Pentertalje
an die Seite des Schiffs holen. c) Etwas an der
Spitze, am Rande ahhauen, abſchneiden ꝛc., ſ. kappen
3, kipſen und köpfen. Dazu vielleicht (doch ſ. a) die
häufige Verbind.: k. und wippen, das Treiben der nam.
im Anfang des 30jährigen Kriegs auftretenden Münz-
fälſcher (der „Kipper und Wipper“) zu bez., die theils
die Münzen beſchnitten (kippten), theils die vollwich-
tigen ſie durch das „K. und Wippen“ der Wage
erkennend dem Verkehr entzogen, ſ. ,,kippern“ und
vgl. Friſch 1, 515b; wohl auch: Eine Münze k., aus-k.,
die als vollwichtig erkannte ausleſen und für ſich zu-
rückbehalten u. danach verallgemeinert: Etwas (aus-)k.,
nach genauer Betrachtung ausleſen. Brem. Wörterb. 2,
775. d) an einigen Orten: Die Oſtereier oder mit
den Oſtereiern k., ſie leicht an einander ſtoßen, um zu
ſehen, welches einknickt (ein Kinderſpiel). 3) Kipp-er,
-ung, ſ. u.
Anm. Verſch. Stämme zuſammengefloſſen, vgl. Wippen,
Wipfel und Gipfel. 2d wohl Tonw., vgl. Knicken ꝛc.
Zſſtz. nam. zu, 1 und 2e, vgl. die von fallen, glei-
ten ꝛc., z. B.: Áb- [1]: kippend abgleiten; auch [1
und 2a]: Auf- und a., auf- und nieder-k., (ſich) kippend
auf und ab bewegen, ſchaukeln. [2c] ſ. Abkipſen.
Āūf- [1; 2a]: in die Höhe kippen, empor-k., ſ. ab-k.:
War nun das Gefäß mit Wein gefüllt, ſo kippte der Boden-
deckel auf und das Kindlein ſchwamm hinauf. Jahn (Herrig
24, 438); Aufküpfen. Giſander Felſ. 2, 314.
Āūs- [1; 2a]: z. B.: Einen aus einem Amt a. Weidner
67 ꝛc., auch: Dem Eſel die Augen a. [auspicken]. Ryff
Th. 114 und ſ. [2c]: Uns arme Leute aus der un-
zähligen Menge dieſer Verächter a. [ausleſen]. Liscov 490.
Hêr-, hín- ꝛc. [1; 2a]: Der Wippgalgen kippt
herauf und herunter ꝛc. Nīēder-: herunter-k., ſ.
ab-k. ūber- [1; 2a]: Bis endlich die Pfeiler ſo weit
überhängen, daß ſie ihr Gleichgewicht verlieren, .. .ü., zu
Boden krachen ꝛc. Kohl I. 2, 367; Vogt Oc. 1, 227.
Úm- [1; 2a]: intr.: kippend umſchlagen, und tr.:
kippend das Oberſte zu unterſt bringen: Kippte den
Scheffel um. Alexis H. 1, 1, 117; Bis es mal umkippt
[das Blatt ſich wendet ꝛc.]. 1, 2, 197; Claudius 1, 11;
Aufrecht gehen durften ſie nicht, ſonſt wäre ihr Fahrzeug
umgekippt. Kinkel E. 107; Daß wir gewiß wie eine Nuß-
ſchale umgekippt hätten. Kohl Südr. 1, 170; Den fatalen
Halbbogen mit der u–den Karre durch die Luft zu beſchreiben.
Irl. 1, 262; Thümmel 5, 15; Daß ſie zwar ſchwebte, aber
nicht umkippte. V. Ländl. 2, 297 ꝛc. Ein umgek ü ppter
Magnet. H. Ph. 13, 175; Nach ſo mancherlei Umkip-
pungen. Kant SW. 1, 350. Zurück- [1; 2a]:
Ein ausſchlafender Kutſcher, der den ganzen Weg vorn über-
nickt und hinten zurückkippt. Goltz 3, 86 ꝛc. U. . m.