Kehr
I. Kêhr, f.; –en: das Kehren (ſ. d.), doch außer
Zſſtzg. nur in einzelnen, größtentheils mundartl. An-
wendungen (ſchwzr. meiſtens masc.): 1) Wendung:
Thüren viel und unbedacht K. [unerwartete, überraſchende
Wendungen, Umbiegungen], | Abgäng, Durchgäng’ und
Irrung mehr [im Labyrinth]. Zwingli 3, 246; Du muſſt
mit dem Wagen einen K. machen; Die Sache wird eine(n)
andere(n) K. nehmen. Stalder; Brem. Wörterb., ſ. EWagner
10, 31; Die Sonne geht zu K–e, vgl. Gnade, Anm. und
Gold 3. — a) Ackerb.: K., K–e, Kahr, das Umwenden
mit dem Pflug und der Ort desſelben zu Ende des
Ackers, Pflug-K., Pflug- oder Anwende, Anwand ꝛc. —
b) Turnk.: Kehre, die Bewegung oder Übung, wobei in
ihrer Mitte in ſitzender Stellung Geſäß und Rücken dem
Turngeräthe zugekehrt ſind. Jahn Turnk. 71, vgl. Wende.
— 2) die Reihe, — wie ſie ſich wendend an Einen
kommt, ihn trifft: Er hatte die K., d. h. die Reihe war an
ihm, das Waſſer auf ſeine Matte zu laſſen. Gotthelf U. 2,
336. — a) In die K–e kommen. Sch. 198 = in die
Reihe kommen, d. h. rechtzeitig mit Etwas zu Stande
(zu Wege, ſ. 4) kommen und fertig werden (eig.: ſo,
daß — wenn Einen die Reihe trifft — man nicht zu-
rückzubleiben braucht). — b) = mal: Die erſte, zweite
K. Brem. Wörterb.; In zwei K–en, gleichſam in zwei Wen-
dungen oder Abſätzen; Dieſen, einen andern K., dies-,
ein andermal. Stalder; K. um K., ein Mal ums andre,
wiederholt. Gonhelf G. 294. — c) ,,beim Tanzen, Spie-
len und andern Handlungen, die nach Abſätzen vorge-
nommen werden, le tour, die Partie: In die K. ſpielen,
nach einzelnen Partien“. Schm. — d) der Einſatz bei
jeder einzelnen Partie im Spiele: Die K. einziehen.
Schm., vgl. Bete 2. — 3) eine Fahrt ꝛc., vgl. Partie,
Tour und 2c, z. B.: Auf der vorigen K., als allein er die
Reiſ’ in das Hochland | macht’. Baggeſen 1, 111; Wenn jetzt
am künftigen Sonntag | ihnen wir gönnten die K. 10; 13;
Jetzt in der dritten begonnenen K. .. | lenkt er im Umgehn
ein. 212; Auf der vorigen K. vierjährigen Umlaufs | in der
unendlichen See. 2, 324; 4, 95; 144; Auf gewohnter K. |
zog eine Hexenelfe ihn neckiſch kreuz und quer. Reithard 378;
verkl.: Ein Kehrli machen, ſpazierengehen. Gotthelf G. 246 ff.,
vgl.: Einen K. machen. Stalder. — 4) Richtung, Lauf,
Weg: Aus der Kehre fahren, gehen, reiten, einen Umweg
machen; Etwas liegt ganz aus der K., iſt weit gefehlt.
Brem. Wörterb. und Schütze; In die K. kommen, ſ. 2a. —
5) Deichb. (ſ. 4): die grade Richtung eines Damms
der Länge nach.
Anm. Ahd. chêra, mhd. kêre (fem.) und kêr (masc.),
ſ. Benecke 1, 799. Das masc. nam. ſchwzr., doch ſ. Ab-K.
(2), hochd. (masc.) üblich nur noch in Verkehr (zuw. auch
neutr., ſ. II.).
Zſſtzg. z. B.: Áb-: 1) das Sich-Abkehren, Weg-
wenden von Etwas: Tiefe Verſtimmung und völlige A. von
allem äußeren Leben. Gervinus Gſch. 1, 331; Seine poetiſche
A. von der Wirklichkeit. Schwegler 2, 493 (Strauß); Droyſen
Y. 1, 20; Franck Par. 82b; 157a ꝛc. — Daher: 2)
(niederd.) dem fremden „Averſipn“ entſprechend =
Abſcheu: Daß du den Tod | nicht mit gar zu großer A.
ſcheuſt und fürchteſt. Brockes 9, 585; als masc. Brem.
Wörterb. — 3) (veralt.) = Kehrab (ſ. d. 2). Weidner
64. — Án-: (mundartl.) ſ. Schm. 2, 323; Grimm
Weisth. 1, 740 (masc.) und Ein-K. 1. — Āūs-:
die Auskehrung, Ausfegung: Die A., Bach-A. Schm.;
Die Zeit der Schnee-A. oder des Lawinenfalls. Kohl A. 3,
33 ꝛc. — Veralt. (m.) = Auszug (z. B. aus Agyp-
ten). Keiſersberg bei Grimm. — Be-: (veralt.) Bekeh-
rung. Schm. — Eīn-: 1) die Einkehrung und der Ort
derſelben: Hatte ich unterwegs Ausſicht auf die angenehmſte
E. G. 25, 167; Gotthelf Sch. 11; Dem Glück und was ihm
folgt die E. abzuſchlagen. Hagedorn; Kurz Sonn. 249;
Manch ſchlecht Wirthshaus hat E. und Zulauf. Muſäus Ph.
2, 94; Gekommen .. zur E. der Särge — und der Todten-
gebeine Herberge [Kirchhof]. Rückert Mak. 1, 81; Thümmel
7, 17 ꝛc. In Mecklenb. ſo auch: An-K., wenn es ſich
nur um ein kürzeres Verweilen handelt. — 2) übertr.:
Die E. in ſich ſelbſt, ins eigne Herz, Gemüth, das In-ſich-
Gehn und die Abkehr von der Welt. Gotthelf G. 107;
H. Ph. 10, 180; Lewald W. 2, 409; Als ich ermattet
niederſank und E. halten wollte ꝛc. Gutzkow R. 5, 520; 8,
351 ꝛc., ſ. Heim-, Rück-, Um-K. — Hēīm-: das
Heimkehren, auch übertr.: Dieſes Zurückfallen in den alten
Aberglauben, wie ſie meine H. zu Gott zu nennen belieben.
Heine Rom. 304, vgl. Ein-K. und Bekehrung. —
Pflūg- [1a]. — Rück-: das Zurückkehren, die Zu-
rückkunft, z. B.: Am Tage ſeiner R. G. 13, 37 u. v.,
auch übertr.: Bei einer R. auf ſich ſelbſt [wenn ſeine Be-
trachtung auf ihn ſelbſt zurückkam, ſich auf ihn ſelbſt
zurückwandte]. 19, 261; 229; 304; Verſuch der R. in
ſich ſelbſt. 39, 157 ꝛc.; Elvire (mit R.). Müllner 2, 64, mit
zurückkehrendem Bewuſſtſein, wieder zu ſich kommend
ꝛc., vgl. Zurück-K. — Sónnen-: Als hätte nicht | ſo
manche Tagefahrt zu Land und See, | ſo manche S. ſich drein
gelegt. G. 4, 41, Jahr, als die Zeit, wo die Sonne
wieder an ihren frühern Ort zurückgekehrt, vgl. auch
Sonnenwende. — Úber-: Die von den ausgedroſchenen
Körnern durch Ausfegen -oder Überfledern abgeſonderten Ab-
gänge werden die Ü. oder Rieſing genannt. Krünitz 9, 585;
Spreuer nebſt der Ü. Brockes 9, 151 ꝛc., — auch: das
Überkehren. — Um-: das Umkehren (ſ. d. 1), eig.
und übertr.: In Folge unſrer geiſtlichen U. und Ein-K.
Gutzkow R. 8, 351; Nirgend U. und Änderung der Gedan-
ken. H. R. 7, 325 ꝛc., ſ. Schm. — Vōr-: Anſtalten —
gleichſam als eine geſchickte Wendung —, die man in
Vorausſicht Deſſen, was für etwas Kommendes erfor-
derlich iſt, im Voraus trifft, gw. in Ez. und ohne Ar-
tikel: V. treffen, ſonſt meiſt Vorkehrung: Witterte Ge-
fahren .., konnte V–en treffen zu rechter Zeit. Gotthelf Sch.
185; Ihre verſuchte V. gegen das gewaltige deutſche Volk.
Jahn V. 444. — Wīēder-: 1) Rück-K., eig. und
übertr.: Es iſt | an keine W. zu denken. G. 8, 107; Sch.
29b; V. Od. 1, 17 ꝛc.; Seine große Faſſung, die W. zu
ſich ſelbſt, zum höheren Sinne machen ihn der Bewunderung
würdig. G. 22, 226; Als der Erſchaffende von ſeinem An-
geſichte | die Menſchen in die Sterblichkeit verwies | und eine
ſpäte W. zum Lichte | auf ſchwerem Sinnenpfad ihn finden
hieß. Sch. 23a; Die Verführten ... ſoll Reu und W. | mit
Gott und mit der Kirche auszuſöhnen genugſam ſein. W. 28,
65 ꝛc. — Auf Nimmer-w. fort, ſchwinden ꝛc. Benedir 8,
46; Prutz DM. 1, 1, 141 ꝛc., ſo daß nimmer W. zu er-
warten iſt. — 2) (veralt.) das Hin- und Zurückgehn:
Dreimal die W–e hatt’ er nun genommen | bis an des Hee-
res Ende. Simrock N. 205; 553. — 3) Weber: die
gegen einander gekehrte Richtung der Köperſtreifen. —
4) Zimmermann.: das Zuſammenſtoßen zweier
Dächer in einem Winkel. — 5) (veralt.) neutr.: Von
dem W., wenn das ganze Gedicht ſich reimt. Herrig 14, 64;
Ein kurzes W. Schottel 938 ꝛc. Ahnl.: Die W. = Re-
frain (ſ. d.). Campe. — Zū-: Ggſtz. von Ab-K. 1
(ſelten). — Zurück-: Rück-K. (ſ. d.), z. B.: Einer
momentanen Z. der Sprache bei Stummgewordenen. Schubert
Nachtſ. 354 ꝛc. u. ä. m.
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