irr
Irre
I. Irr(eIrr(e), a.:
vom rechten Wege (eig. u. übertr.) abgehend oder ableitend, irrend, das Recht verfehlend etc.: 1) mit Zeitw.:
a) der Bewegung: J. gehen, fahren, reiten etc. (s. Irren 1), gehend etc. vom rechten Wege abkommen: I. führen, leiten, vom rechtem Wege abbringen, verursachen, daß man vom rechten Wege abkommt etc.: Verlassen den richtigen Weg und gehen i–e. 2. 2, 15; Wo ist Jemand, so er i–e gehet, der nicht gerne wieder zurecht käme? 8, 4; Zu beweisen, daß wir recht glauben und sie ganz i–e gehen in diesem Artikel. 8, 63a; Sogar wenn wir am i–sten gehen, | führt eine Wolkenhand uns ungesehn einher. 11, 161; Der edle Hirsch hat über Berg und Thal | so weit uns i. geführt, daß ich mich selbst, | obgleich so landeskundig, hier nicht finde. 13, 229; Vexierräthsel, die den Rathenden absichtlich i–e zu leiten [i–e zu machen, s. b, zu irren] suchen etc. — Zuweilen auch mit „von“ zur Angabe Dessen, wovon man abkommt, statt darauf zu bleiben oder sich ihm zu nähern, z. B.: Sie sind vom Glauben i–e gegangen. 1. 6, 10; Sie sind von mir i–e gegangen nach ihren Götzen. 44, 10; Warum den Odysseus .. Poseidon | .. i–e treibt von der Heimath. Od. 1, 75 etc. — Andrerseits bez. aber i. zuw. auch nur: unstät, „hin und her wankend“ etc.: Die i–e gingen in der Wüste .. und fanden keine Stadt, da sie wohnen konnten. 107, 4; Fliegen i–e, wenn sie nicht zu essen haben. 38, 41. Daran schließt sich: Es gehe irre [um] im Schlosse und wohne ein Spukgeist darin. M. 4, 55. — Ferner veralt. und mundartl.: Etwas i. gehn, es vermissen. Rosenöl 2, 265 No. 135; Als er das Gold . . zählete, befand er gar keinen Abgang, allein seines Vaterlands ging er irr. 56b etc. —
b) J–e sein (s. Jrren 1), im Irrthum, nicht das Richtige meinend: Da sind Sie sehr i–e. Kl. 3, 143; Der Verliebte sieht, | nicht minder i., die Schönheit Helena’s| auf einer äthiopisch braunen Stirn. Sommern. 5, 1 etc.; ferner: wirre, verwirrt, so daß man nicht weiß, woran man ist, was man zu thun hat etc.: Und war die Gemeinde i–e und der mehrere Theil wußte nicht, warum sie zusammenkommen waren. 19, 32; Ich bin i–e an euch [„Jch weiß nicht, wie ich mit euch dran bin“. 4, 20; Ich kann mich nicht zurechtfinden, ich bin ganz i–e etc., s. c. — So auch: J–e werden, verwirrt; von Dem, was man wollte oder sollte, abgelenkt, so daß man sich nicht zurecht finden kann; unschlüssig, rathlos; nicht wissend, was zu thun, oder woran man ist; veralt. auch (z. B. 15, 1; 2, 12 etc.): bestürzt: Ich such’ und bin wie blind und i–e geworden. 8, 33; Sie wird sonst i–e und verdrießlich. 15, 28; Ich ward manchmal mitten im Recitieren i–e und konnte mich nicht wieder zurechtfinden. 22, 218; Unsicher aber blieb die Ausübung .. und es war Keiner . ., der nicht augenblicklich i–e geworden wäre. 331; Die Mitlebenden werden an vorzüglichen Menschen gar leicht i–e. 33, 169; Wenn Jemand aus dem Sonnenschein sich ins Finstere begiebt, sehen die vor großem Glanz i–e gewordenen Augen Nichts. 39, 85; Die Freunde zweifeln, werden i. an dir. 340a etc. — Ferner ebenso: J–e machen: Etwas macht mich i–e, irrt (s. d. 2), irritiert (s. d.) mich; Der i–e Geführte (s. a) kommt vom rechten Wege ab, weil er falscher Spur folgt, der i. Gemachte ist in sich selbst schwankend, wem er zu folgen, was er zu thun hat etc.; Haben euch mit Lehren i–e gemacht und eure Seelen zerrüttet. 15, 24; Diese Menschen machen unsere Stadt i–e. 16, 20; Die Menge macht den Künstler i. und scheu. 13, 110; Ein Mißverständnis, das Ottilien an dem Architekten i–e gemacht hatte. 15, 201; Als wenn er getrachtet habe, sie i–e zu machen. 19, 7; Durch keine äußere Einwirkung i–e gemacht ..; denn selbst vollkommene Vorbilder machen i–e. 39, 20; Erwiderte, ohne sich i–e machen zu lassen. 3, 500; Eure Weisheit macht den i–en Geist noch i–er. 1, 190 etc., vgl.: Jch lasse mich nicht i–e schreien [durch Schrein i. machen]. 11, 192 etc. Seltner im eigentl. Sinn = i. gehn machen. 12, 24 etc. — Ferner: J. schließen [einen irrigen falschen Schluß machen]. 25, 94 etc. —
c) geistesabwesend, geistig gestört: Der Fieberkranke redet i–e [phantasiert]; J–e (im Kopf) sein, milder Ausdruck statt verrückt etc.; auch: geistes-i. und (s. 2a): Träumereien, die ihm den Ausdruck eines i–en Menschen geben. Kl. 3, 256; Sein i–er Blick [wie ihn ein Wahnsinniger hat]. Po. 3, 114; Warf mit i–er Hand | hinaus den Stab der Herrschaft. 5, 1, 27); Ich war nicht Ich | in jener unglücksel’gen Stunde, | Gram und Verzweiflung sprach aus meinem i–en Munde. 3, 43; J–e Reden, Worte etc.; Ein I–er; Die J–en. E. 1, 59 etc., vgl.: J–en-Anstalt, -Arzt, -Haus etc. — 2) als attrib. Ew.:
a) i. seiend, i. (hin und her) gehend, s. 1c, ferner: In Wundern ist der i–e Mensch verloren. 18, 249; Giebt’s noch ein Land, das nicht mein i–er Fuß durchstrich? 2, 284; Die der i–e Menschengeist mißkennt. H. 2, 122; Wankt im i–en Lauf sein Fuß. 3, 101; In des Wandeldaseins i–em Schwanken. Son. 170; Führt ihn zuletzt sein i–er [schweifender] Fuß hierher [zu der Gesuchten]. 20, 238; Den i–en Flug dahin zu steuern. 232 etc. —
b) irre führend, — oft nahe an a grenzend: Ich bin aus i–en Fernen | in mich zurückgekehrt. 3, 25; Auf i–er Bahn. 4; Des Lebens labyrinthisch i–en Lauf. 11, 3; Die i–en Lichter [gewöhnl. Jrrlichter]. 171; Ihr kommet um auf i–em Wege. Ps. 2, 12; Dem i–en Hang entsagen. Po. 3, 24; Auf deinem i–en Pfad [auf deiner Irrfahrt]. 37a etc.
Anm. Goth. airzis, ahd. irri, mhd. irre, vgl. die folg. und lat. errare (irren). Veralt. Ableit. z. B.: Der Irr [Irrthum etc.]. Wenn zwischen Freunden Unfried wird | und unter ihn’n entspringt ein Irt („irdt“). 274a = Irrung, Zwist etc.
Zsstzg. z. B. zu 1c: Geistes-i.; Sinnes-i. Rank Arm. 121: Mit trunken-i–en Blicken. Immermann M. 3, 75; Mit seinen liebes-i–en Blicken. Gutzkow R. 5, 145 etc.; auch: Un-i–en Augs erblicken. Storm Gd. 159 etc.
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