Faksimile 0772 | Seite 764
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hindern
Hindern, tr.:
1) Einen, Etwas störend zurückhalten, und zwar in Bezug auf etwas schon Begonnenes, so daß dies nicht recht vorrückt (s. be-h.), z. B.: Etwas hindert mich bei, in der Arbeit; Der lose Zahn hindert mich beim Sprechen; Später erschien Jemand, zu h. und zu wehren; das Unglück war geschehn. G. 20, 7; Wer ... Den fördert, der dahinten bleibt, | ihn vorwärts treibt | und Den, der vorwärts geht, nicht hindert. Rückert Erb. 2, 59; Weil die Bösen doch zuletzt | durch jene Mittel selbst das Gute fördern müssen, | wodurch sie sich’s zu h. vorgesetzt. W. 11, 177 etc. oder in Bezug auf etwas erst zu Beginnendes, so daß dies gar nicht vor sich geht (s. ver-h.): Meine Krankheit hinderte mich am Schreiben, hinderte (verhinderte) mein Schreiben; Stets hinderte die frohe Widerkehr | der rauhe Süd und das empörte Meer. Sch. 29b. Zuneilen: Deß [daran] uns h. Droysen Ar. 1, 52; 2, 53 etc. Jm letztern Fall auch mit Infin. und zu: Eine Krankheit hinderte (verhinderte) mich, zu schreiben; Jch wurde durch einen Besuch gehindert (verhindert), gestern zu dir zu kommen; Jch werde mich durch Nichts h. (ver-h.) lassen, das Rechte zu thun etc., zuweilen mit pleonastischer Verneinung: Die Wollust . .. täuscht das Gemüth eine Zeitlang, als ob es in einem Gute ruhe, und hindert es damit, an kein [statt ein] anderes zu denken. H. Gott 25. Ferner auch mit einem durch „daß“ eingeleiteten Satze, namentl. wenn das Subj. desselben nicht schon bei h. als Obj. in unmittelbarer Nähe steht, vgl.: Er hinderte mich, Dies zu thun; Er hinderte, daß Dies geschah, daß ich es that; Da ist Wasser; was hindert’s, daß ich mich taufen lasse? Ap. 8, 36, und oft mit pleonast. Verneinung: Was hindert mich, rief er aus, daß ich nicht eine der grünen Schnuren ergreife? etc. G. 20, 71; Das Schloß zu stürmen und zugleich zu h., daß sich von der Stadt aus nicht die Fliehenden dort hineinwerfen. Stahr Rep. 3, 67; Besonders hinderte der lebhafte Lukas auf alle Weise, daß das Gespräch nicht zu einer stillen Ruhe kam. Tieck 16, 160; Was kann mich h., daß mein verlangender Geist .. nicht von Sphäre zu Sphäre irre? W. 2, 17 etc., auch unpersönl., übertr.: Das hindert aber nicht [spricht nicht dagegen], daß die Jberer nicht früher Wanderungen gemacht haben könnten. WHumboldt 2, 121; Möser Ph. 2, 257; W. 13, 107 etc. Dazu:
a) das Partic. Präs. (adjekt.) = hinderlich, störend, mit Dat. der Pers. oder mit „für“: Nur daß wir nichts H–des, Fremdes hereinbringen. G. 15, 9; Die Nichtkenntnis des Griechischen war ihm (für ihn) bei dieser Arbeit sehr h–d, vgl.: hinderte ihn etc.
b) das pass. Partic. mit „un“: Ungehindert durch äußere Beschränkungen wie durch innere Hemmnisse. Stahr (Nat. Z. 9, 199); Ungehindert arbeiten, reisen etc., mundartl. auch mit Genit. = ungeachtet, trotz, ebenso un- (oder ohn-) verhindert.
c) Hinderung, ohne Mz.: das Hindern. Danzel 312 etc., mit Mz.: das Hindernde, Hindernis (s. d.). G. 4, 19; Die durch ein Meer von Hinderungen | Georg Augustens Glück errungen. Haller 194.
Anm. Ahd. hintaran, mhd. hindern, statt der negat. Bed. des „Nicht-vorwärts-kommen-lassens“ auch in der posit. des „Zurücktreibens“, s. Hinter und vgl. hintertreiben. Veralt.: Mit soviel spitzfindigen Fragen bekümmert (s. d. u. vgl. franz. encombrer) und gehindert. Fischart B. 10a etc.; ähnl. noch: Den mit Vorurtheilen, Unwissenheit und Zweifelnverhinderten menschlichen Verstand. L. 3, 151 = mit etwas das Vorrücken Hinderndem versehn, vgl.: Uns das Vorrücken zu be-h. [durch in den Weg gelegte Hindernisse zu erschweren]. Hippel 4, 236.
Zsstzg.: Be-: eine Pers. (oder etwas persönlich Gedachtes) bei, an Etwas hindern, ihr ein Hindernis darbieten: Ich war behindert, zu kommen; Der Dünen schwach begraster Wall | behindert landwärts meine Blicke. Freiligrath 1, 29; Schnee, der das Vieh in der Ausübung seines Hauptgeschäfts, der Äsung, behindert. Kohl A. 1, 222; Das nasse Wetter, welches mich behindert, meine Blumenzwiebeln in Boden zu bringen. Merck’s Br. 1, 365 etc., Ungewöhnl. statt hindern, ver-h.: [So] behindert man sowohl Jener [der Unterthanen] despotische Unterdrückung, als die landverderblichen Empörungen. Strube Nebenst. 4, 83 (H. Ph. 13, 220) und mit sachl. Obj. und Dat. der Pers. s. [Anm.]. Unbehindert und unbeirrt seines Weges gehn. Die Behinderungen.
Ver-: Etwas, Einen an Etwas ver-h., machen, daß es nicht geschehe oder zu Stande komme; Sie konnten nicht, zu sterben, sie ver-h. Chamisso 4, 73; So trieb es mich, wechselsweise meine Genesung zu befördern und zu ver-h. G. 21, 1; Die mathematisch-philosophischen Theorien aus dem Theile der Physik zu verbannen, in denen sie Erkenntnis, anstatt sie zu fördern, nur ver-h. 3, 323; Wie willst du’s ver-h., daß er’s erfährt? etc. und ungemein oft mit pleonast. Verneinung z. B. Fichte 8, 136; Forster R. 1, 46; Br. 2, 141; Ich verhinderte, daß die Truppen sich dem Kastelle nicht zu nahe wagten. G. 28, 75; L. 11, 158; 180; Mendelssohn 4, 1, 115; Dadurch verhinderte ich, daß ihnen dieser Fensterladen nicht sogleich ins Gesicht fiel. Sch. 724b; 1082a; Tieck A. 1, 129; W. 7, 171; Zu ver-h., daß weder die Magistratspersonen ihre Gewalt über die Schranken der Gesetze ausdehnen, noch der große Rath dem kleinen seine Beistimmung .. versagen könne. 22, 268 [,,weder .. noch“ statt ,,(entweder) .. oder“] etc. Veralt.: Daß man von solchem starkem Getös auch des Gehörs verhindert würde. Ryff Sp. 110a. Jm Allgemeinen darf die Sache bei ver-h. nicht wegbleiben, also wohl: Wer will ihn hindern? (nicht ver-h.), daher ungewöhnl., dichterisch: Sein [des Rheins] verbreitetes Bett, ein all-v–der Graben. G. 5, 11, ein Alle abhaltender. Verhinderer. Jahn M. 108; Die Zeit nahet ohne menschliche Verhinderung und Beförderung mit gemessenen Schritten heran. Möser Ph. 2, 103; Anfänglich fanden sich viele Verhinderungen. G. 30, 190.