Faksimile 0739 | Seite 731
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heiß
I. Hēīß, a., –eſt: in hohem Grade warm (ſ. d.)
und Wärme in hohem Grade erregend, eigentl. und
übertr., vgl. feurig, brennend, glühend, kochend, ſiedend ꝛc.,
die verſtärkend und den Grad der Hitze beſtimmend oft
hinzutreten (ſ. Zſſtzg.). Eigentl.: Sich am h–en Ofen,
an der h–en Suppe verbrennen; Wie die Katze um den h–en
Brei herumgehn; Das Eiſen ſchmieden, weil es h. iſt; Die
Sonne ſcheint h.; Die Tage ſind h. und die Nächte kühl; Die
h–e Zone; Ein h–er Sommer; H–es Wetter; Es iſt heute
ſehr h., drückend h.; H–e Stuben; Sie haben [gw.: Es iſt]
hier wirklich ſehr h. Gutzkow R. 3, 58; Den Schmelzofen
in der Glashütte h. ſchüren (ſ. d.); Der Ofen geht h., im
Hüttenwerk bei verſtärktem Feuer; H. thun, den Ofen
h. gehn machen; Die Felle h. machen, bei der Sämiſch-
gärberei, ſie im warmen Raum über einander ſchichten
und gären laſſen ꝛc.; H–e [geſchmolzne] Butter; H–es
Blei, Pech ꝛc. Sprchw.: Einem die Hölle (ſ. d.) h.
machen; Das iſt wie ein Tropfen auf einen heißen Stein.
Gutzkow R. 9, 331 ꝛc., von einer Gabe, die gleich, ohne
rückbleibende Spur einer Wirkung aufgezehrt und ver-
ſchwunden iſt; Es iſt hier ein h–es (theures) Pflaſter, von
einem Ort, wo Einem das Geld gleichſam unter den
Händen zerrinnt oder zerſchmilzt ꝛc.; Etwas h. (vgl.
brühwarm) erfahren, gleich nachdem es geſchehn, herge-
nommen von den gekochten Speiſen, z. B.: Eine Poſſe,
die wir h. durch die Kammerjungfer erfuhren. Heinſe A. 2,
225; Einem Etwas (brüh-)h. zutragen ꝛc.; Etwas h. machen,
z. B. Luther 1, 487b, es als dringend, von beſondrer
Wichtigkeit darſtellen, es übertreiben ꝛc. Ferner mehr
in Bezug auf innre Erregung, auf das Gefühl der Hitze
in uns ſelbſt: Beim Fieber ſind Einem die Hände, die Lip-
pen h.; Den h–en Durſt des Lechzenden zu ſtillen. Chamiſſo
4, 189; H–er Hunger [ſ. Heißhunger] nach der ſüßen
Frucht | der Minne. W. 11, 145; Zu h. die Wunde brennt.
127; Es iſt, wird Einem h.; Man oder Einem iſt von der
Arbeit h.; Von der Stirne h. | rinnen muß der Schweiß.
Sch. 77a; Wenn ein wackrer Mann | mit h–er Stirn von
ſaurer Arbeit kommt. G. 13, 174; Es wird Einem h. vor
Angſt ꝛc., es überläuft, übergießt Einen h.; Unſerm Häschen
wird ſo h., | daß es nicht zu bleiben weiß. Lichtwer 132 (vgl.
Auf Kohlen ſitzen ꝛc.); Es überläuft mich glühend h. bei
dem Gedanken. Benedir 10, 120; Überlief’s mich ſiedend h.
Gutzkow R. 5, 425; Was ich nicht weiß, macht mich nicht
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h., erregt mich nicht, macht mir keine Sorge, auch mit
Dat.: Dies Wort macht den Umſtehenden, | durchglühten
Muſcheln ähnlich, h. G. 4, 206, durchdringt ſie als ge-
rechter Vorwurf im Dünkel ihres Selbſtgefühls mit
einem ſiedend h–en Gefühl, ſ. 207; H. iſt er gegen Klei-
nigkeiten | und gegen große Dinge kalt. Lichtwer 36 ꝛc.;
Einem den Kopf h. machen, ihn in Erregung verſetzen,
ihm Sorge und Unruhe machen; Da geht es h. her; H–e
Schlacht. Sch. 33a; Der Tag war h., wir haben ihn erjagt.
Chamiſſo 4, 128; Ein h–er Tag. Uhland 422; Ein h–er
Kampf, ein heftiger, der Einem Viel zu thun, zu ſchaf-
fen macht ꝛc.; H. [heftig, mit leidenſchaftlicher Erregung]
Etwas begehren, verlangen, erſehnen, wünſchen, fühlen, em-
pfinden; H–e Begierden, Wünſche, Gefühle, Leidenſchaften;
Der H.-Geliebte; H–er Schmerz; H–e [vgl. Bittre] Thrä-
nen, h. weinen, heftig erregt, in tiefem Schmerz ꝛc.;
Nur | zu nah liegt eine freche Kälte neben | der h–eſlen Em-
pfindung unſrer Bruſt. G. 8, 91; Ob dieſer h–e Kopf | den
Streit zuerſt begonnen [der leicht in Eifer, Zorn geräth,
ſ. Hitzkopf]. 13, 149; H–e Köpfe für die Sache der Frei-
heit und Gleichheit. 30, 215; H. mit Haß und Grimm be-
goſſen. Luther 6, 6b; Ihn beugt nicht unſer h–es Dringen.
Sch. 35b; Die h–e Rach’ im Herzen | ballt ſich plötzlich ihm
zu Eis. Schwab 190; Daß Männer von Natur bloß h. oder
kalt ſind; zur Wärme müſſen ſie erſt gebildet werden. FSchlegel
Luc. 64; Daß ſolch gelehrter, weiſer Mann .. | fehltrat ſo
gröblich durch zu h–es Blut [leidenſchaftliche Erregung].
V. Sh. 2, 267; Wenn ein h–er [brünſtiger] Hirſch mit
ſeinen Kühen zieht. LHNicolai 3, 55 u. ä. m. Auch als
ſächl. Hw.: Bis H. und Kalt ſich dann zum Bade milch-
warm miſchen. Rückert BE. 303; Auf hohem Roſſe trabend,
bei H. und Kühl [bei Hitze und Kälte]. Morg. 1, 134.
Anm. Ahd., mhd. heiz, wohl mit dem Grundbegriff
der Erregung, ſ. Heißen, vgl. gr. καίεeν, brennen. Dazu:
Heizen, Hitze ꝛc.
Zſſtzg. vgl. die von Warm und Hitze, namentl. den
Grad der Hitze oder den Grund derſelben bezeichnend,
z. B.: Bād(e)-: wie in einem warmen Bade.
Bránd-, Brénn(end)-: ſehr heiß. Brǖh-:
Bis mir dieſe Nacht b. [übergießend ꝛc.] einfällt, ob ꝛc.
König Kl. 3, 201. Brūt-: wie brütende Vögel.
Eīfer-: Mein e–es Beten. Opitz, heiß und eifrig.
Fēūer-: O ihr Tropfen, badet f. | ihre Stirne dereinſt im
Todesſchweiß. Göckingk Lieb. 122. Fīēber-: Applau-
diert mit f–en Händen. Prutz W. 115. Höllen-: Ein
h–er Eid. Hagedorn 1, 52. Húnger-: heißhungrig
(ſ. d.). HvKleiſt Hinterl. 281, Jūgend-: Glanzfar-
ben einer j–en Phantaſie. Boas SchJ. 1, 96. Līēbe-:
So l. mit den Schwänen gebuhlt. Heine Sal. 1, 242; Echter-
meyer 294 ꝛc. Móſchus-: ſ. Moſchus. Sīēd-:
ſiedend heiß (ſ. o.): War mir’s, als ob man mich mit ſ–em
Waſſer begoſſen hätte. G. 17, 149 ꝛc., auch: Wie mirs
ſiedig-h. über den Buckel lief. Sch. 131a ꝛc.; Die ſieden-h–e
Empfindung, die dem Hamlet an der Seele brennt. HVoß JP.
44; Ich bitte um ein Exemplar brühſieden-h. [gleich wie es
erſchienen]. L. 13, 499 ꝛc. Sónnen-: Zwiſchen den
ſ–en Steinen der Seitenwände. Tſchudi (Körner Sch. 3, 306);
Löſche meinen ſ–en Durſt. Gleim 6, 42 ꝛc. Uber-:
übermäßig heiß. Wólluſt-: Den w–en Mund.
Nicolai 1, 290; Sch. 3a u. ä. m.