Faksimile 0736 | Seite 728
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geheim
III. Ge~hēīm, a.:
1) (mundartl., veralt.) wie heimelig, heimlich (s. d.) = zahm, traulich, traut, vertraut etc., im Ggstz. un-g. (Spate), z. B.: Daß unter allen wilden Thieren nit einigs erfunden werde, das dem Menschen g–er und anmuthiger werde. So sie also heimlich werden etc. Stumpf 610b; Wie geheim [vertraut] dir ein Herr ist, musst du doch demüthig bleiben. Keisersberg, s. Frisch. So noch: Große Herrenleute, | die mir g. sind und gar wohl vertraut. Sch. 519b; So heimisch war es mir, so heimlich und g. [traulich]. Rückert W. 3, 13 etc. Hierzu auch (vgl.
2) der Titel: G–er (veralt.: heimlicher, s. d. 1a) Rath, zunächst der vertraute Diener eines Fürsten, dem er die innern Angelegenheiten seines Hauses anvertraut, dann auch von dem Kollegium, der engere Rath, der mit den wichtigsten („,geheimen“) Angelegenheiten betraut wird und, ein Mitglied desselben, jetzt häufig bloßer Titel. Das Ew. g. erleidet dabei die Verändrungen wie alle Ew., also: Ein g–er Rath; Der g–e Rath; Die g–en Räthe; G–e Räthe etc., doch findet sich auch unveränderlich: G–e Rath, oder mit eingeschobnem „d“ Geheimde Rath, auch als ein Wort und so namentl. auch: Geheimrath: Mir den Geheimdenrathtitel gegeben. G. Stein 1, 238; Sein g–e Rath. König Kl. 1, 308; Daß ich ein königlich preußischer | G–e Rath bin. Prutz W. 10; 101; Er Geheimderath und ich nur Magister! L. 8, 209; Des heil. Vaters geheimder Rath. JvMüller 24, 338; Die Ephoren und Könige waren der Geheimde Rath, welcher in geheimen und großen Geschäften allein entschied. 1, 65. 2) allgm.: Ggstz. von offenbar und öffentlich: Das, wovon die Offentlichkeit, die Mitwissenschaft der Menge, des großen Publikums, der Nicht-Eingeweihten etc., ausgeschlossen ist; vgl. Heimlich, womit es sich vielfach berührt, das aber nach heutigem Gebrauch den Begriff des absichtlichen Verborgenhaltens, ,des Versteckten enthält: Was heimlich ist, dessen Existenz sogar soll immer verborgen sein; wenn aber Etwas g. ist, so kann Dessen Bestehn in vielen Fällen offenkundig sein, nur daß von dem Inhalt die Öffentlichkeit, die Betheiligung Unberufener ausgeschlossen ist; Er hat es mir heimlich anvertraut, so daß Niemand merken sollte, daß er es mir anvertraut; Er hat es mir g. anvertraut, so daß ich es Niemand mittheilen soll; Nachdem der Stadtrath Dies in öffentlicher Sitzung berathen, nahm er in g–er eine Neuwahl vor; Die eleusinischen Mysterien waren g.; Die Jesuiten und Freimaurerbünde sind g–e, nicht heimliche. Gutzkow R. 6, 329; Heimliche Liebe, von der Keiner Etwas erfahren soll; Eine g–e Neigung, mit der man nicht hervortritt, die man im Innern hegt; Diese Worte haben noch einen g–en Sinn, der nur den Eingeweihten klar ist; Etwas g. halten; G. thun [als ob man Etwas zu verbergen hätte]; Wird, wenn auch mehr als einen g–en Freund, doch nicht leicht einen erklärten Vertheidiger finden. Gentz 1, 43; Die g–e Macht ist groß. G. 10, 231; Einem heil’gen Bilde, | daran der Stadt unwandelbar Geschick | durch ein g–es Götterwort gebannt ist. 13, 88; Daß sie von g–em Leben | offenbaren Sinn erregt. 18, 311; Sein Buch von der natürlichen Magie. Der Ursprung dieser Art von halbg–er Wissenschaft. 39, 112; So g. er übrigens war, entdeckte sich doch der Endzweck seines ungewöhnlichen Aufenthalts bei uns nach einiger Zeit. 17, 127; Jhnen mein g–stes Gefühl nicht zurückzuhalten. Sch. 190a; Der auf g–em Weg ihn zu mir führe. 379b; Das Ausbleiben des Soldes hatte sie längst schon zu einem g–en Murren gereizt, welches stündlich in eine offenbare Meuterei auszubrechen drohte. 865a; Wahrscheinlich hat er irgend einen g–en Beweggrund. W. 22, 325 etc.
3) an 2 schließt sich substant. in adverb. Verbindung mit „in“ nicht nur: Diesen geprüften, im G–en und Offenbaren immer gleich zuverlässigen Freund. G. 18, 274 etc., sondern auch: Übt sich in-g. an jedem Guten. 13, 140; Zu eben der Zeit, wo er den Prinzen durch diese öffentlichen Beweise seiner Achtung verpflichtete, wuste er ihn in-g. desto empfindlicher zu treffen. Sch. 797a; Der seine Unschuld doch ganz in-g. bedauert. W. 12, 13; 22, 269 etc.; ferner: Hie und da wässert er eine Wiese ins-g. G. 14, 273; Sie erfährt, daß ihr Geliebter ins-g. mit einer Dirne lebe. Hölderlin H. 1, 60; Ihr .. sollt | euch ins-g. dem würdigen Prälaten, | der so beliebt ist, in den Busen schleichen. Schlegel Sh. 6, 37 etc., auch: Die Sache wurde anfangs im größten G. gehalten. Guhrauer L. 1, 270, und als weibl. Hw.: In größter G. verhandelt. JvMüler 24, 27; In größter G. .. nach Holland gereist. Stilling 3, 181 etc., vgl. Schm. 2, 195; auch: Teufels-G. als Name einer Pflanze. Fischart B. III.
Anm. Als Ew. erst nhd., wohl aber schon mhd. als weibl. Hw. diu geheime. Zuweilen gedehnter Superl.: Sende die forschenden Blicke | in mein geheim e stes Selbst. W. 26, 62.