Faksimile 0734 | Seite 726
Faksimile 0734 | Seite 726
Faksimile 0734 | Seite 726
heilig
Hēīlig, a.: 1) heilbringend, heilſam, veralt. außer
(ſ. 2) in einigen Pflanzennamen: H–e Pflanze, Santo-
lina chamaecyparissus; H–es Holz, Guajacum san-
ctum, Franzoſenholz, verſch.: H–en- oder Götzen-Holz,
Populus alba, wahrſcheinl., weil Heiligen- wie Götzen-
bilder daraus geſchnitzt wurden, ſ. auch Allerheiligen-
holz; H–es Heu, Eſparſett- (und Lucern-) Klee, frz.
sainfoin und danach mit Umdeutung von sain (geſun-
des) in saint (heiliges Heu), auch Viscum album ꝛc.
2) (ſ. 1) Heil ſpendend, das höchſte Gut ſchaffend
und fördernd, und daher zugleich: ſittlich gut: a)
prägnant von Gott, Chriſtus ꝛc.: Die H–keit iſt die ab-
ſolute oder unbeſchränkte moraliſche Vollkommenheit des
Willens ... In ſolchem Verſtand iſt kein Weſen außer Gott
h. Kant phil. Rel. 134; Es iſt Niemand h. wie der Herr.
1. Sam. 2, 2; H., h., h. iſt der Herr Zebaoth. Jeſ. 6, 3;
Der h–e Geiſt (ſ. d.); Der h–e Chriſt (ſ. d.) ꝛc. Dazu:
Das H., das Sanktus, ein mit dieſem Wort beginnen-
der Lobgeſang auf Gott; Der Fromme horcht dem Donner-
ruf | des Dreimal-H. V. 4, 165 ꝛc. b) dann aber
auch nicht bloß von Engeln (Ap. 10, 22 ꝛc.), ſondern
auch von Menſchen: von hoher ſittlicher Reinheit, gött-
lichen Strebens, von göttlichem Geiſt erfüllt, gottähn-
lich, fromm, und dann nicht ſelten, wie fromm (ſ. d.
2b und c) auch mit dem Nebenbegriff der Heuchelei,
z. B. Sch. 264b ꝛc., vgl. Schein-, Werk-h. Ohne
dieſen iron. Nebenbegriff z. B.: H–e Pfleger .. der
Flamme! Platen 4, 285 ꝛc., nam. bibl. und kirchlich: ī
Darum ſollt ihr euch heiligen, daß ihr h. ſeid; denn ich bin
h. 3. Moſ. 11, 44; Ihr h–n Apoſtel und Propheten. Offenb.
18, 20; Ein Biſchof ſoll h. ſein. Tit. 1, 8 ꝛc. So: H–er
oder Aller-h–ſter Vater, als Titel des Papſtes (vergl.
H–keit) und in der katholiſchen Kirche zur Bez. der von
der Kirche als h. anerkannten und zur Verehrung aufge-
ſtellten Perſonen (vgl. ſelig): Einen h. ſprechen, ihn in
die Zahl (den Kanon) der H–en aufnehmen, kanoni-
fieren und ſo nam. vor den Eigenn., wie lat. Sankt
(abgekürzt: St.): Während ſo Viele den h–en Rochus
feierten. G. 26, 205; Die h–e (Jungfrau) Maria; Die h–e
Genoveva ꝛc., womit auch oft ein Gemälde der genann-
ten Perſ. bez. wird, vgl.: H–e Familie. Zuw. mit
Hindeutung auf die Kanoniſation, auch von nicht kirch-
lich anerkannten Heiligen, von Nichtchriſten ꝛc., z. B.:
Heil’ger Hafis! G. 4, 2; H–er Ebuſuud, haſt’s getroffen, |
ſolche H–e wünſchet ſich der Dichter. 21, vgl.: Sankt Dio-
genes. 2, 241 ꝛc. Auch von perſon. Begriffen, z. B.:
Die h–e Geduld ſelbſten würd’ es am Ende ſatt. Fouqué 8,
10; H–e Einfalt (ſ. d.) ꝛc. Sehr oft im kirchlichen
Sinne auch ſubſtant.: Ein H–er; Eine, der, die H–e, ſelt-
ner: Alle H–innen. Rückert 2, 68 ꝛc.; Das Feſt Aller-
heiligen, der erſte November. G. 23, 149, ſo auch: Am
Aller-H–en [Tag oder Feſt] ꝛc., vgl.: Der h–e Chriſt, das
Weihnachtsfeſt und dann auch: Das Weihnachtsge-
ſchenk. So auch nam.: Der Schutz-H–e, der Schutz
verleihende, vgl. Nothhelfer und nach der Art der Noth,
worin man ſeine Hilfe beſ. anfleht, z. B.: Der Waſ-
ſer-H–e, der auf der See angerufen wird ꝛc., ferner:
Der Namens-H–e, deſſen Namen man führt und den
man deßhalb als beſondern Patron (ſ. d.) verehrt ꝛc.,
oft auch: Der H–e, ſtatt: das Bild desſelben, z. B.:
Georg! da haſt du einen tapfern Patron. ... Warte! (Zieht
ein Gebetbuch hervor und giebt dem Buben einen H–en) Da
haſt du ihn! G. 9, 16 ꝛc., daher mundartl.: Der Helgen,
Kupferſtich, Gemälde, Bild überh. Stalder; Immer beſſere
Kupferſtiche und Helgen. Hebel 3, 462, auch fem.: In der
Mitte der großen Helge. Gotthelf U. 1, 354 ꝛc. Dazu
mundartl. ſprchw.: Seinen H–en kriegen, einen Verweis.
Schm., ebenſo wie: Ein Bildlein kriegen. ebd.; Die, denen
er den Streich zutraute, erhielten ihre H–en [Ruthenſchläge].
Gotthelf 5, 50 ꝛc. Zuw. auch: Der H–e, ſtatt der
Kirche, deren Patron er iſt; ſtatt der Reliquien ꝛc.
Übertr. z. B.: Schicke dir hier den alten Götzen [v. Ber-
lichingen], | magſt ihn nun zu deinen H–en ſetzen. G. 6, 67,
zu den von dir verehrten, vielgeleſenen Büchern ꝛc.
Oft auch mit Anſpielung auf das wunderliche Treiben
mancher H–en nach der Legende: Ein wunderlicher H–er.
Sch. 736b; Stilling 2, 173 ꝛc.; Ein ſonderbarer H–er. 4,
157; Ein kurioſer H–er. Gutzkow R. 8, 199; Der San-
guiniker iſt ein ſchlimmer H–er, niemals recht gut und nie-
mals recht böſe. Kant SchE. 35 ꝛc., vgl.: Wir lebten in
proteſtantiſchen Landen und deßhalb hatte er kein wunderlicher
H–er werden können, aber ein wunderlicher Kauz war er ge-
worden. Immermann 12, 267 ꝛc. 3) (ſ. 2) auch von
Nichtperſonen: a) fromm, gottſelig, gottgeweiht, das
Heil des Menſchen fördernd oder aus dem Streben da-
nach hervorgegangen, dieſem Streben entſprechend ꝛc.:
H–e Gedanken, Betrachtungen, Triebe; Ein h–er Wandel;
Ein h–es Leben, Streben; Ein h–er Kampf, Krieg; Im h–en
Eifer; Ein heil’ger Zorn. Chamiſſo 3, 227; Mag .. dein
h–es Exempel | uns führen. G. 4, 8; „Was iſt h.?“ Das
iſt’s, was viele Seelen zuſammen | bindet; bänd’ es auch nur
leicht, wie die Binſe den Kranz. | „Was iſt das H–ſte?“ Das,
was heut’ und ewig die Geiſter, | tiefer und tiefer gefühlt,
immer nur einiger macht. 1, 313; Das Schönſte iſt auch
das H–ſte. Hölderlin H. 1, 99; Nichts Reines unverdorben,
nichts H–es unbetaſtet laſſen. 2, 117; Gleich einem Weiſen
des Orients .. verſunken in ein h–es Hinbrüten. FrSchlegel
Luc. 81 und ſo nicht ſelten (ſ. 2b) auch hier mit dem
Nebenbegriff des bloßen Scheins, der Heuchelei: Eine
h–e Miene ꝛc. b) von Gott herrührend, göttlich, von
Gottes Hauch durchweht und erfüllt ꝛc. und deßhalb
ein Ggſtd. frommer (religiöſer) Verehrung: Die h–e
Schrift, Bibel; Gott und ſein h–es Wort; Die h–en Wege
Gottes; Die heil’ge Gottesgabe. Chamiſſo 3, 304; Da ihn
die h–e Natur dir gab [den Bruder]. Sch. 492b; Süße,
h–e Natur, | leite mich auf deiner Spur. Stolberg ꝛc. (ſ. d).
Auch in Flüchen, z. B.: H–es Kreuz [ſ. d. 2]. Keiſers-
berg Poſt. 115; Das h–e Kreuzdonnerwetter ſoll dich ver-
ſchlagen! Hausblätter (56) 1, 341, vgl. Potz, Sakrament
ꝛc. c) Gott oder einer Gottheit, ihrem Dienſt, der
Religion geweiht, in beſondrer Beziehung dazu ſtehend
oder gedacht und ſomit namentl. der Gegenſtand
religiöſer Feier und Verehrung ꝛc., im Gegenſatz zum
Profanen: H. heißt, das abgeſondert, Gott zugeeignet iſt,
das Niemand angreifen und beflecken .., ſondern in Ehren
halten ſoll. Luther 1, 489a, oft mit Dat. (verſch. d):
Dieſer Tag, die Erſtgeburt iſt dem Herrn h.; Ihm ſei der
Frühling h. . . | und, was der Frühling bringt, ſei ihm ge-
bracht. Uhland 433, auch in einer Art Perſonifikation:
Der Luſt iſt dieſe Nacht h. [geweiht]. Rückert Mak. 1, 102
ꝛc. Ohne Dat. z. B.: Der h–e Abend, Feſt-, nam.
Weihnachts-Abend; Das h–e Abendmahl; Das h–e Amt,
die Jnquiſition. Sch. 262b; H–e Ceremonien; Am h–en
Feſttag; Die h–e Geſchichte, im Gſgtz. der ,,der gemei-
nen“ (profanen). G. 5, 50; Das h–e Grab, Chriſti oder
Muhamed’s, bei den Muhamedanern; H–es Jahr, Ju-
beljahr in der katholiſchen Kirche; Die h–e Kleidung, der
Prieſter, Ornat; Das h–e Land, Paläſtina ꝛc.; Die
Stätte, da du ſteheſt, iſt h–es Land. Ap. 7, 33; Der h–e
Sonntag; Die h–e Stadt, Jeruſalem ꝛc.; Der h–e Stuhl,
Sitz des Papſts; Der h–e oder Gottes-Tiſch, woran das
Abendmahl ertheilt wird; Die h–e oder Kar-Woche; Die
ſogenannte h–e Zeit im Herbſt, die der Bettag ſchließt. Gott-
helf G. 375, und dazu: Es ſei nächſtens h. 374 ꝛc.
Auch: So hält mich Thoas .. | in ernſten heil’gen Skla-
venbanden [als Prieſterin]. G. 13, 4; Da ſchürte heil’ge
Mordſucht keine Flamme. Sch. 23a, in (vermeintem)
Dienſte der Religion ꝛc. Oft ſubſtant.: Das H–e,
Gottgeweihte, den Profanen verbotene, z. B. 1. Sam.
21, 6, zumal ein Theil der Stiftshütte im jüdiſchen
Tempel, und davon noch geſchieden: Das Allerheiligſte,
das nur der Hoheprieſter und zwar auch nur einmal im
Jahre betreten durfte (ſ. e). 2. Moſ. 26, 33; Hebr. 9,
2 ꝛc.; ferner: Den Kardinal, aufs Haar | das H–e, den
Purpurhut, gedrückt. Streckfuß Rol. 3, 56. d) unver-
letzlich aus ehrfurchtsvoller Scheu: Etwas h. verſprechen,
verſichern, ſchwören ꝛc.; Ein h–er Eid, Schwur, u. ſoauch:
Alle h–e Flüch’ gethan. Kurz Weihn. 75 (ſ. c); H–e Zu-
ſage: Ich geb dir mein h–es Wort ꝛc.; ſo auch h. = für-
wahr, ſicher ꝛc., z. B.: H. glauben. W. 11, 174; Sonſt
verſchlafen Sie h. die Zeit. Goltz 1, 51; Ich komm’ aber h.
wieder hieher zurück. Merck’s Br. 1, 224 ꝛc.; Ein h–es
Bündnis; Die h–e Allianz; Ein h–es Geſetz; Etwas, Einen
h. halten; Wie hab’ ich ſtets dich h. gehegt! Chamiſſo3, 227;
Begann Telemachos’ h–e Stärke. V. Od. 2, 410 u. 0.;
Saß König Rudolf’s h–e Macht. Sch. 69a ꝛc., hiezu wohl
auch: Das h–e römiſche Reich, ſchon bei den heidniſchen
Kaiſern, dann namentl. als Bezeichnung des deutſchen
Kaiſerreichs. Die Perſon, die Etwas für h. erachtet
und es darum zu verletzen ſcheut, ſteht im Dat.
(verſch. c): Mein Wort iſt mir h.; Das iſt uns h., iſt uns
hehr. Claudius 6, 76; Nichts iſt h. ihm mehr. G. 5, 54 ꝛc.
Auch (ſ. b): Ehre das Geſetz der Zeiten | und der
Monde heil’gen [unwandelbaren, ewig gleichen] Gang,
Sch. 55b. e) ſtill und ſorgſam gehütet, fromm be-
wahrt, dem profanen Blick ꝛc. nicht preisgegeben (ſ.c):
Du ſollſt mein heimlich H–ſtes noch wiſſen. Chámiſſo 4, 56;
Bewahrte dich in einer heil’gen Stille. G. 13, 88; Dem
ſterbend ſeine Buhle | einen goldnen Becher gab... Warf den
heil’gen Becher | hinunter in die Fluth. 1, 151. f) ehr-
furchtsvolle, fromme, andächtige Scheu, hohe Ehrerbie-
tung einflößend oder davon zeugend, daraus hervorge-
gangen ꝛc.: Daher die h–e Scheu, das Waſſer .. zu beſu-
deln. G. 4, 171; Die h–e Scheu, womit er ſich der Natur
nähert. 39, 15; H–e Julitage von Paris: ihr werdet Zeug-
nis geben von dem Uradel der Menſchen. Heine Sal. 1, 30;
Heil’ger Schauer lag auf Allen ſchwer. Nhland 435; Eine
allgemeine Stille ruhte eine Weile auf der ganzen Tiſchgeſell-
ſchaft . . Der Erſte, der das h–e Schweigen brach. W. 23,
85 ꝛc. Auch: Ich habe eine h–e [ungemein große]
Scheu davor; Ein h–er Schreck ergriff die Feinde ꝛc.
g) Wir bemerken noch Einzelnes (ſ. Anm.): Der h–e Anker
(ſ. e) bei den Alten, der Haupt- oder Pflichtanker, der
als der ſchwerſte und größte nur in der äußerſten Noth
gebraucht wird. W. 32, 145 u. 434. Das h–e Bein.
Os sacrum, Kreuzbein, und danach die in der Gegend
gelegne h–e Blut- und Pulsader. Das h–e Feuer (ſ. b),
sacer ignis, Name mehrerer Entzündungs-Krankhei-
ten, ſ. V. Ge. 235, wie auch: Das h–e Ding, die Roſe,
der Rothlauf ꝛc. Der h–e Fiſch. Labrus anthias.
Zuw. in Ortsnamen, z. B. in Rom: Der h–e Berg;
Die h–e Straße. So auch: Der h–e Kreuzberg, in der
Rhön, ein Wallfahrtsort; Der h–e Damm, bei Dobbe-
ran ꝛc., vgl. die vielen Ortsnamen nach Heiligen mit
San oder Sankt.
Anm. Ahd. heilac, mhd. heilec, vgl. auch gancheil,
geſunde (heile) Beine habend, wofür es SimpliciſKmus 2, 2,
12 heißt: Der Geſunde oder Gangheilige ſtund gleich
wieder auf. Veralt. als Adv. H–lich. Jer. 4, 2; Luther 6,
353b; 458a; Lebt tugendlichen und h–lichen. 501a ꝛc.
Zu 3g bemerken wir, daß Plutarch (de sollert. anim.) in dem
gr. Ausdruck für das h–e Bein, óoτoóν īeρóν, wie in einigen
andern h. = groß erklärt, eine Bed., die auch wohl der Bez.:
h–er Anker urſpr. zu Grunde liegt. Später wurde das unver-
ſtandne Beiw. umgedeutet und ſo ſcheint in chriſtl. Auffaſſung
die Benennung Kreuzbein aus dem „heiligen“ Bein her-
vorgegangen, ſ. Kreuz 2.
Zſſtzg. ſ. 2a und b, ferner z.B.: Ált-: von alter
Zeit her heilig: Auf des Orpheus a–en Namen zurückgeführt.
W. 5, 250 ꝛc. Āūßen-: ſchein-h. Schlegel Maß 3, 1.
Bránd- (veralt.): B–e Ketzer. Fiſchart B. 99b, die
dem Brand, dem Scheiterhaufen geweiht ſind.
Gáng- (veralt.): ſ. Anm. Glāūb-: heilig durch
den Glauben an Chriſtus, im Ggſtz. zu: werk-h., ſich
durch das Verdienſt der eignen guten Werke für heilig
haltend. Luther 6, 24b. Hōch-: in hohem Grade
heilig: Von jeher hielt ich ein Verſprechen h. G. 18, 156;
V. H. 1, 278; Das h–e Sakrament; Das H–e, Venera-
bile. Schēīn-: heilig ſcheinend ohne es zu ſein,
heuchleriſch-fromm: Ein ſch–es Thier, von innen Drache,
von außen Lamm. H. Rel. 7, 303 ꝛc. Über-: über-
mäßig heilig:, Der Namen der Liebe war ihm ü. FSchlegel
Luc. 186. Un-: Ggſtz. von heilig. Wérk-: ſ.
Glaub-h. Luther 5, 321a ꝛc.