heilig
Hēīlig, a.:
1) heilbringend, heilsam, veralt. außer (s. 2) in einigen Pflanzennamen: H–e Pflanze, Santolina chamaecyparissus; H–es Holz, Guajacum sanctum, Franzosenholz, versch.: H–en- oder Götzen-Holz, Populus alba, wahrscheinl., weil Heiligenwie Götzenbilder daraus geschnitzt wurden, s. auch Allerheiligenholz; H–es Heu, Esparsett- (und Lucern-) Klee, frz. sainfoin und danach mit Umdeutung von sain (gesundes) in saint (heiliges Heu), auch Viscum album etc. — 2) (s. 1) Heil spendend, das höchste Gut schaffend und fördernd, und daher zugleich: sittlich gut:
a) prägnant von Gott, Christus etc.: Die H–keit ist die absolute oder unbeschränkte moralische Vollkommenheit des Willens ... In solchem Verstand ist kein Wesen außer Gott h. phil. Rel. 134; Es ist Niemand h. wie der Herr. 1. 2, 2; H., h., h. ist der Herr Zebaoth. 6, 3; Der h–e Geist (s. d.); Der h–e Christ (s. d.) etc. Dazu: Das H., das Sanktus, ein mit diesem Wort beginnender Lobgesang auf Gott; Der Fromme horcht dem Donnerruf | des Dreimal-H. 4, 165 etc. —
b) dann aber auch nicht bloß von Engeln 10, 22 etc.), sondern auch von Menschen: von hoher sittlicher Reinheit, göttlichen Strebens, von göttlichem Geist erfüllt, gottähnlich, fromm, und dann nicht selten, wie fromm (s. d. 2b und c) auch mit dem Nebenbegriff der Heuchelei, z. B. 264b etc., vgl. Schein-, Werk-h. — Ohne diesen iron. Nebenbegriff z. B.: H–e Pfleger .. der Flamme! 4, 285 etc., nam. bibl. und kirchlich: ī Darum sollt ihr euch heiligen, daß ihr h. seid; denn ich bin h. 3. 11, 44; Ihr h–n Apostel und Propheten. 18, 20; Ein Bischof soll h. sein. 1, 8 etc. So: H–er oder Aller-h–ster Vater, als Titel des Papstes (vergl. H–keit) und in der katholischen Kirche zur Bez. der von der Kirche als h. anerkannten und zur Verehrung aufgestellten Personen (vgl. selig): Einen h. sprechen, ihn in die Zahl (den Kanon) der H–en aufnehmen, kanonifieren und so nam. vor den Eigenn., wie lat. Sankt (abgekürzt: St.): Während so Viele den h–en Rochus feierten. 26, 205; Die h–e (Jungfrau) Maria; Die h–e Genoveva etc., womit auch oft ein Gemälde der genannten Pers. bez. wird, vgl.: H–e Familie. — Zuw. mit Hindeutung auf die Kanonisation, auch von nicht kirchlich anerkannten Heiligen, von Nichtchristen etc., z. B.: Heil’ger Hafis! 4, 2; H–er Ebusuud, hast’s getroffen, | solche H–e wünschet sich der Dichter. 21, vgl.: Sankt Diogenes. 2, 241 etc. — Auch von person. Begriffen, z. B.: Die h–e Geduld selbsten würd’ es am Ende satt. 8, 10; H–e Einfalt (s. d.) etc. — Sehr oft im kirchlichen Sinne auch substant.: Ein H–er; Eine, der, die H–e, seltner: Alle H–innen. 2, 68 etc.; Das Fest Allerheiligen, der erste November. 23, 149, so auch: Am Aller-H–en [Tag oder Fest] etc., vgl.: Der h–e Christ, das Weihnachtsfest und dann auch: Das Weihnachtsgeschenk. So auch nam.: Der Schutz-H–e, der Schutz verleihende, vgl. Nothhelfer und nach der Art der Noth, worin man seine Hilfe bes. anfleht, z. B.: Der Wasser-H–e, der auf der See angerufen wird etc., ferner: Der Namens-H–e, dessen Namen man führt und den man deßhalb als besondern Patron (s. d.) verehrt etc., oft auch: Der H–e, statt: das Bild desselben, z. B.: Georg! da hast du einen tapfern Patron. ... Warte! (Zieht ein Gebetbuch hervor und giebt dem Buben einen H–en) Da hast du ihn! 9, 16 etc., daher mundartl.: Der Helgen, Kupferstich, Gemälde, Bild überh. Immer bessere Kupferstiche und Helgen. 3, 462, auch fem.: In der Mitte der großen Helge. U. 1, 354 etc. Dazu mundartl. sprchw.: Seinen H–en kriegen, einen Verweis. ebenso wie: Ein Bildlein kriegen. ebd.; Die, denen er den Streich zutraute, erhielten ihre H–en [Ruthenschläge]. 5, 50 etc. — Zuw. auch: Der H–e, statt der Kirche, deren Patron er ist; statt der Reliquien etc. — Übertr. z. B.: Schicke dir hier den alten Götzen [v. Berlichingen], | magst ihn nun zu deinen H–en setzen. 6, 67, zu den von dir verehrten, vielgelesenen Büchern etc. — Oft auch mit Anspielung auf das wunderliche Treiben mancher H–en nach der Legende: Ein wunderlicher H–er. 736b; 2, 173 etc.; Ein sonderbarer H–er. 4, 157; Ein kurioser H–er. R. 8, 199; Der Sanguiniker ist ein schlimmer H–er, niemals recht gut und niemals recht böse. SchE. 35 etc., vgl.: Wir lebten in protestantischen Landen und deßhalb hatte er kein wunderlicher H–er werden können, aber ein wunderlicher Kauz war er geworden. 12, 267 etc. — 3) (s. 2) auch von Nichtpersonen:
a) fromm, gottselig, gottgeweiht, das Heil des Menschen fördernd oder aus dem Streben danach hervorgegangen, diesem Streben entsprechend etc.: H–e Gedanken, Betrachtungen, Triebe; Ein h–er Wandel; Ein h–es Leben, Streben; Ein h–er Kampf, Krieg; Im h–en Eifer; Ein heil’ger Zorn. 3, 227; Mag .. dein h–es Exempel | uns führen. 4, 8; „Was ist h.?“ Das ist’s, was viele Seelen zusammen | bindet; bänd’ es auch nur leicht, wie die Binse den Kranz. | „Was ist das H–ste?“ Das, was heut’ und ewig die Geister, | tiefer und tiefer gefühlt, immer nur einiger macht. 1, 313; Das Schönste ist auch das H–ste. H. 1, 99; Nichts Reines unverdorben, nichts H–es unbetastet lassen. 2, 117; Gleich einem Weisen des Orients .. versunken in ein h–es Hinbrüten. Luc. 81 und so nicht selten (s. 2b) auch hier mit dem Nebenbegriff des bloßen Scheins, der Heuchelei: Eine h–e Miene etc. —
b) von Gott herrührend, göttlich, von Gottes Hauch durchweht und erfüllt etc. und deßhalb ein Ggstd. frommer (religiöser) Verehrung: Die h–e Schrift, Bibel; Gott und sein h–es Wort; Die h–en Wege Gottes; Die heil’ge Gottesgabe. 3, 304; Da ihn die h–e Natur dir gab [den Bruder]. 492b; Süße, h–e Natur, | leite mich auf deiner Spur. etc. (s. d). Auch in Flüchen, z. B.: H–es Kreuz [s. d. 2]. Post. 115; Das h–e Kreuzdonnerwetter soll dich verschlagen! (56) 1, 341, vgl. Potz, Sakrament etc. —
c) Gott oder einer Gottheit, ihrem Dienst, der Religion geweiht, in besondrer Beziehung dazu stehend oder gedacht und somit namentl. der Gegenstand religiöser Feier und Verehrung etc., im Gegensatz zum Profanen: H. heißt, das abgesondert, Gott zugeeignet ist, das Niemand angreifen und beflecken .., sondern in Ehren halten soll. 1, 489a, oft mit Dat. (versch. d): Dieser Tag, die Erstgeburt ist dem Herrn h.; Ihm sei der Frühling h. . . | und, was der Frühling bringt, sei ihm gebracht. 433, auch in einer Art Personifikation: Der Lust ist diese Nacht h. [geweiht]. Mak. 1, 102 etc. — Ohne Dat. z. B.: Der h–e Abend, Fest-, nam. Weihnachts-Abend; Das h–e Abendmahl; Das h–e Amt, die Jnquisition. 262b; H–e Ceremonien; Am h–en Festtag; Die h–e Geschichte, im Gsgtz. der ,,der gemeinen“ (profanen). 5, 50; Das h–e Grab, Christi oder Muhamed’s, bei den Muhamedanern; H–es Jahr, Jubeljahr in der katholischen Kirche; Die h–e Kleidung, der Priester, Ornat; Das h–e Land, Palästina etc.; Die Stätte, da du stehest, ist h–es Land. 7, 33; Der h–e Sonntag; Die h–e Stadt, Jerusalem etc.; Der h–e Stuhl, Sitz des Papsts; Der h–e oder Gottes-Tisch, woran das Abendmahl ertheilt wird; Die h–e oder Kar-Woche; Die sogenannte h–e Zeit im Herbst, die der Bettag schließt. helf G. 375, und dazu: Es sei nächstens h. 374 etc. — Auch: So hält mich Thoas .. | in ernsten heil’gen Sklavenbanden [als Priesterin]. 13, 4; Da schürte heil’ge Mordsucht keine Flamme. 23a, in (vermeintem) Dienste der Religion etc. — Oft substant.: Das H–e, Gottgeweihte, den Profanen verbotene, z. B. 1. 21, 6, zumal ein Theil der Stiftshütte im jüdischen Tempel, und davon noch geschieden: Das Allerheiligste, das nur der Hohepriester und zwar auch nur einmal im Jahre betreten durfte (s. e). 2. 26, 33; 9, 2 etc.; ferner: Den Kardinal, aufs Haar | das H–e, den Purpurhut, gedrückt. Rol. 3, 56. —
d) unverletzlich aus ehrfurchtsvoller Scheu: Etwas h. versprechen, versichern, schwören etc.; Ein h–er Eid, Schwur, u. soauch: Alle h–e Flüch’ gethan. Weihn. 75 (s. c); H–e Zusage: Ich geb dir mein h–es Wort etc.; so auch h. = fürwahr, sicher etc., z. B.: H. glauben. 11, 174; Sonst verschlafen Sie h. die Zeit. 1, 51; Ich komm’ aber h. wieder hieher zurück. Br. 1, 224 etc.; Ein h–es Bündnis; Die h–e Allianz; Ein h–es Gesetz; Etwas, Einen h. halten; Wie hab’ ich stets dich h. gehegt! 227; Begann Telemachos’ h–e Stärke. Od. 2, 410 u. 0.; Saß König Rudolf’s h–e Macht. 69a etc., hiezu wohl auch: Das h–e römische Reich, schon bei den heidnischen Kaisern, dann namentl. als Bezeichnung des deutschen Kaiserreichs. — Die Person, die Etwas für h. erachtet und es darum zu verletzen scheut, steht im Dat. (versch. c): Mein Wort ist mir h.; Das ist uns h., ist uns hehr. 6, 76; Nichts ist h. ihm mehr. 5, 54 etc. — Auch (s. b): Ehre das Gesetz der Zeiten | und der Monde heil’gen [unwandelbaren, ewig gleichen] Gang, 55b. —
e) still und sorgsam gehütet, fromm bewahrt, dem profanen Blick etc. nicht preisgegeben (s.c): Du sollst mein heimlich H–stes noch wissen. 4, 56; Bewahrte dich in einer heil’gen Stille. 13, 88; Dem sterbend seine Buhle | einen goldnen Becher gab... Warf den heil’gen Becher | hinunter in die Fluth. 1, 151. —
f) ehrfurchtsvolle, fromme, andächtige Scheu, hohe Ehrerbietung einflößend oder davon zeugend, daraus hervorgegangen etc.: Daher die h–e Scheu, das Wasser .. zu besudeln. 4, 171; Die h–e Scheu, womit er sich der Natur nähert. 39, 15; H–e Julitage von Paris: ihr werdet Zeugnis geben von dem Uradel der Menschen. Sal. 1, 30; Heil’ger Schauer lag auf Allen schwer. 435; Eine allgemeine Stille ruhte eine Weile auf der ganzen Tischgesellschaft . . Der Erste, der das h–e Schweigen brach. 23, 85 etc. — Auch: Ich habe eine h–e [ungemein große] Scheu davor; Ein h–er Schreck ergriff die Feinde etc. —
g) Wir bemerken noch Einzelnes (s. Anm.): Der h–e Anker (s. e) bei den Alten, der Haupt- oder Pflichtanker, der als der schwerste und größte nur in der äußersten Noth gebraucht wird. 32, 145 u. 434. — Das h–e Bein. Os sacrum, Kreuzbein, und danach die in der Gegend gelegne h–e Blut- und Pulsader. — Das h–e Feuer (s. b), sacer ignis, Name mehrerer Entzündungs-Krankheiten, s. Ge. 235, wie auch: Das h–e Ding, die Rose, der Rothlauf etc. — Der h–e Fisch. Labrus anthias. — Zuw. in Ortsnamen, z. B. in Rom: Der h–e Berg; Die h–e Straße. — So auch: Der h–e Kreuzberg, in der Rhön, ein Wallfahrtsort; Der h–e Damm, bei Dobberan etc., vgl. die vielen Ortsnamen nach Heiligen mit San oder Sankt.
Anm. Ahd. heilac, mhd. heilec, vgl. auch gancheil, gesunde (heile) Beine habend, wofür es 2, 2, 12 heißt: Der Gesunde oder Gangheilige stund gleich wieder auf. — Veralt. als Adv. H–lich. 4, 2; 6, 353b; 458a; Lebt tugendlichen und h–lichen. 501a etc. — Zu 3g bemerken wir, daß (de sollert. anim.) in dem gr. Ausdruck für das h–e Bein, óoτoóν īeρóν, wie in einigen andern h. = groß erklärt, eine Bed., die auch wohl der Bez.: h–er Anker urspr. zu Grunde liegt. Später wurde das unverstandne Beiw. umgedeutet und so scheint in christl. Auffassung die Benennung Kreuzbein aus dem „heiligen“ Bein hervorgegangen, s. Kreuz 2.
Zsstzg. s. 2a und b, ferner z.B.: Ált-: von alter Zeit her heilig: Auf des Orpheus a–en Namen zurückgeführt. W. 5, 250 etc. —
Āūßen-: schein-h. Schlegel Maß 3, 1. — Bránd- (veralt.): B–e Ketzer. Fischart B. 99b, die dem Brand, dem Scheiterhaufen geweiht sind. — Gáng- (veralt.): s. Anm. —
Glāūb-: heilig durch den Glauben an Christus, im Ggstz. zu: werk-h., sich durch das Verdienst der eignen guten Werke für heilig haltend. Luther 6, 24b. —
Hōch-: in hohem Grade heilig: Von jeher hielt ich ein Versprechen h. G. 18, 156; V. H. 1, 278; Das h–e Sakrament; Das H–e, Venerabile. —
Schēīn-: heilig scheinend ohne es zu sein, heuchlerisch-fromm: Ein sch–es Thier, von innen Drache, von außen Lamm. H. Rel. 7, 303 etc. —
Über-: übermäßig heilig:, Der Namen der Liebe war ihm ü. FSchlegel Luc. 186. —
Un-: Ggstz. von heilig. —
Wérk-: s. Glaub-h. Luther 5, 321a etc.
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