Faksimile 0732 | Seite 724
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Heide
I. Hēīde, f.; –n; -: 1) eine weithin ſich flach deh-
nende, trockne, unangebaute Gegend, meiſt mit ſandi-
gem Boden, worauf namentl. Heidekraut und Ginſter
wuchern, mit magrer Weide, aber auch mit einzelnen
Bäumen, Geſträuch und Geſtrüpp, oder (namentl. in
Nord-Deutſchland) mit Nadelholz bewachſen (ſ. Hei-
denreiter), vgl.: In der That gehört das Laub, gehören die
Blätter zum Walde . . . So kommt es denn wohl, daß man
dem Nadelholze den Namen Wald nicht zuzugeſtehn pflegt,
wie denn derſelbe in den Heidegegenden des nördlichen, beſon-
ders des nordöſtlichen Deutſchlands halb und halb als ein
Fremdwort anzuſehen iſt. Die dort heimiſchen Kiefern bilden
keinen Wald, ſondern ſie ſind eben die H., ein Ausdruck, der
auch auf die Birke übertragen iſt, denn auch Birk-H–n giebt
es da genug und es iſt allerdings eine alte im Forſtweſen an-
erkannte Erfahrung, daß die Birke allein keinen Wald
macht, ſie bleibt eben vereinzelt auf der H. ſtehen. Herrig 19,
302 ꝛc.; Döbel 4, 19a; Im Wald und auf der H., | da
ſuch’ ich meine Freude, | ich bin ein Jägersmann. Auswahl d.
Lied. 379; Durch der Wälder Dickicht, | über Berg und über
H. ſtreifend. Platen 4, 280 ꝛc. Doch namentl. bei Sch.
auch öfter geradezu für Wald: Der Eichbaum von des
Berges H. Sch. 43b; 32a; 449a; Wenn der Pflüger Schar|
auf hoher Berges-H. | der Äxte mörderiſche Schneide l auf
den bejahrten Stamm der wilden Eſche zückt. 35b ꝛc.
Oft wird die dürre, öde, wüſte, unfruchtbare H. der fri-
ſchen grünen Weide, der fruchtbaren Gegend entgegen-
geſetzt (eigentl. und übertr.), ſo auch in der Reimver-
bindung: H. und Weide (niederd. auch übertr., ſ. Brem.
Wörterb. und z. B.: „Ich fürchte, Madame“ Daß
ſie einander in dem Garten wieder H. und Weide aufſagen
werden. Dyk Th. 8, 24 = ſich feindſelig behandeln,
Allerlei vorrücken). Andrerſeits heißt es auch oft
mit Bezug auf die Decke von Heidekraut, Ginſter und
vielen blühenden Pflanzen: Die blühende, die grüne H. ꝛc.;
übertr. bei den Handwerkern: Ein Geſell, „der auf grü-
ner H. geht“, der noch nicht drei Jahre gewandert hat.
Publiciſt 11, 2 ꝛc. z. B.: Die Lüneburger H.; Die H.
in der Wüſten. Jer. 17, 6; Auf einer wüſten, verbrannten H.
Alexis H. 1, 1, 142; [Das Schloß] thront auf einer ſchö-
nen H. Alxinger D. 101; Durch Korn und Dorn, durch Heid’
und Stoppel. B. 69b; Daß er uns nicht in Einem fort über
dürre H–n, ſondern durch blühende und fruchtbare Gegenden
führe. Engel 4, 163; Auf der H. breit, | im blutgefärbten
Ginſter. Geibel Jun. 340; Wie ein Thier auf dürrer H. | ..
rings umher liegt ſchöne grüne Weide. 11, 74; In dieſer
Wüſte von H. und Felſen ſtellt unſer Beſitzthum eine grüne
Oaſe vor. 33, 175; Wie er, wo dürre H. war, | nun Freu-
denquell genießet. 2, 179; Röslein auf der H–n. 1, 12;
Das machte meine Seele mir zur H., | zur Schmerzens-
H., drin ein Tiger hauſt. Hartmann Pet. 153; Urbarma-
chungskoſten einer wilden Torf-H. Niebuhr Nachgel. 118;
Zerſtreuet euch ihr Lämmer auf der H–n. Sch. 452a; Deren
Tritten Winter-H–n blühen. FSchmit (Matthiſſon A. 8, 64).
2) Name mehrerer auf der H. (1) wuchernder Pflan-
zen, Heidekraut, beſonders Erica, z. B.; Die H., die
bei uns zu Land | allwärts ihr Grün vergeudet, | die Berg
und Schlucht und Felſenwand | mit ſtarren Büſcheln kleidet ..
Durch ihr rothes Blüthenmeer. Freiligrath Pol. 1, 5 ff.;
Heid’ und Ginſter | wuchern um die Dünen her. Gd. 1, 21;
Heinſe A. 2, 246; Pückler Vrſt. 1, 152; V. Ländl. 1, 181
ꝛc. Viele Arten, z. B. Beer-H., Empetrum; Beſen-
H., Erica scoparia; Hart-H., Ledum palustre; Haſen-
H., Spartium scoparium; auch Briza media; Kelch-H.,
Erica calycina; Moor-H., Erica tetralix; Sand-H., E.
vulgaris; Stein-H, Empetrum nigrum; Sumpf-,
Dorf-, Winter-H., Moor-H.; Zeit-H., Hart-H. ꝛc.;
Ein lüneburgiſches Bauernhaus | iſt ſtets mit einem Stroh-
dache verſehen, deſſen höchſter Stand mit einer fußhohen Schicht
H., der ſog. Dach-H. bedeckt iſt. Grube Geogr. 3, 64 ꝛc.
3) nach der Ahnlichkeit mit 2, Art Hornkoralle; See-H.,
Gorgonia placomus.
Anm. Goth. haithi, ahd. heidi, Feld; mhd. heide, in
Bed. 1 u. 2; ahd. für 2 heida, oft zum Unterſchied von II.
Haide. Zu der Bed. Feld gehört II. (ahd. heidan, mhd.
heiden), dem lat. paganus entſprechend, das eigentl. die
Landbewohner, dann die von Konſtantin d. Gr. aus den Städ-
ten verjagten Nichtchriſten bez. Mundartl. H. = Hede
(ſ. d.), ferner plattd.: etwas Zuſammengeſpartes u. heimlich
Verwahrtes, vgl. Hegen.