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grauen
I. Grāūen, intr. (haben): grau werden, nam.:
1) eig. von den Haaren und danach auch übertr. wie:
Greiſen = Alte(r)n, ſ. Gráu I. 3; 4; 2: Es graun
mir ſchon die Haare. Hagedorn 2, 197; Für Alter grauet
ihm der Bart. Rollenhagen Fr. 533; An den g–den Wim-
pern. V. 1, 162; Umſtarrt von g–dem Haupthaar. Ov. 1,
67; „Ein Eſel grauet auch im Mutterleib“ Die Narren aber
g. gar nicht, weil ſie keine Sorge haben. Zinkgräf 1, 266 ꝛc.
Ubertr.: Geſichte der g–den Vorzeit. Stolberg 167; In
g–der Zeit. V. Ov. 1, 177; Gab g–der Kunſt mehr
Schwung. H. 2, 369 ꝛc. 2) von der Dämmrung (ſ.
Grau I. 5): Da kaum der Tag im Oſten graut. G. 18,
61; Ja, er wird g., der Tag! vergebens alle Nebel um ſich
ziehn und wider Willen g.! [anbrechen]. 9, 231; Die g–de
Dämmerung. Hölderlin H. 1, 126; Begann der Himmel zu
g. Muſäus M. 1, 28; Als zu graun begann der nächſte
Morgen. Platen 4, 280; Die ſchöne Stunde graut [naht].
3, 150; Das Dunkel der alten Geſchichten ihm graut [fängt
an ſich zu erhellen, ſ. 4 Jahn]. Schwab 378; Die Röthe
grauet nur noch in dieſem Aurorageſichtchen. Lichtenberg H. 1,
41. 3) ſeltner in andern Fällen: Dabei erhält ſich
ihre [der Schiefertafeln] Farbe, ohne zu g. und verbleichen.
Kohl E. 1, 203; Dort hat vor vielen Jahren dumpf und
dicht | ein Tannenwald gegrauet. Schwab 269 [gedüſtert];
Umſonſt hebt ihre Bruſt, gleich einem Doppelhügel | von
friſchem Schnee, um den ein, Nebel graut, | den dünnen
weißen Flor. W. 20, 70. 4) als ſubſt. Infin. zu
1—3, nam. zu 2: Es war eben der Morgen am G. Kinkel
E. 103; Wie der Morgen zwiſchen G. und Finſternis. Platen
2, 65; Im geſchichtloſen Graun [ſ. 2 Schwab] verloren.
Jahn M. 1. Auch in Zſſtzg. z. B.: Mit jedes Mor-
gens Dämmer-G. WHumboldt 3, 384; Ein plötzliches
Gewitter-G. [3] düſtert oft der Freundſchaft Ätherſchein.
Matthiſſon 51; Mit dem Morgen-G., welches in das
reinſte goldene Morgenroth überging. Keller gH. 3, 145 ꝛc.
Anm. Wohl ſtammverſch. von II., doch in einzelnen
Fällen (vgl. I. Grau 1 und Greis II.) ſpielen in dem Wort
die Bedd. der düſtern Farbe und des düſter Beängſtigenden in
einander, vgl. lat. ater und atrox und z. B.: Wer Alles
ſchlecht’ macht um ſich her und Alles grau anſieht, da ſollte
ich meinen, Dem müßte am Ende vor ſich ſelbſt g. [II.].
Alexis H. 2, 3, 161; Schau, was ziehet ſo ſchwarz und
ſchwer von den Bergen herunter, | daß die Sonne verliſcht,
G. erfüllet das Thal. Schmidt– Phiſeldeck Ngr. 11; Dann
graueten hier nur | noch Trümmer. Tiedge Ep. 1, 223 u.
ä. m., ſ. II. Er-, Um-g., ferner Graulich ꝛc. und helgolan-
diſch: Grieſen = ſchaudern. Frommann M. 3, 28.
Zſſtzg. vgl. die von II., z. B.: Ab-: vgl. Abfär-
ben, abſchwärzen ꝛc., ungw. An-: intr. (ſein):
anfangen zu grauen [1]: Leiſe angegrautes Haar. Gutzkow
R. 2, 53; König Jer. 1, 263. Āūf-: intr. (haben,
ſein): [2] aufdämmern, ſ. Herauf-g. Āūs-: intr.
(ſein): die eigentliche Farbe verlierend grau werden,
ver-g.: Der Rock war .. pfirſichfarben geweſen, aber ſo
ausgegraut. Kühne Fr. 99. Be-: intr. (ſein): grau
werden; alt werden, vgl. das ſtärkre begreiſen: Worin
man begraut, darin begreiſt man auch (Sprchw.); Be-
graute Dämmerung. Brockes 1, 21; Wenn der begraute Tag
ſich mehr und mehr verguldt. Mühlpforth Gl. 51; In beſter
Zeit mit unbegrauten Haaren. 2, 51; Leich. 210; 218;
Dein Lorber trotzt begrauten Jahren. Uz 2, 163. Eīn-:
refl. und intr. (ſein): vgl. Einſchmutzen ꝛc. Em-
pōr-: herauf-g. Er-: intr. (ſein): grau werden,
z. B.: 1) [1] eig. und übertr.: Im Dienſt ergraut;
Den hoch-ergrauten Vater. Chamiſſo 4, 106; Von Alter min-
der als vom Gram ergraut. 6, 261; G. 1, 142; Die alte
Zeit gedacht’ ich, die ergraute. 2, 90; Ergrauten Moder.
27, 368; „Du biſt nicht ſeit der Zeit gealtert noch ergraut“
.Du [dagegen] biſt ergreiſt. Rückert R. 104a; Eure
Hügel ſtehen | im Gedächtnis ohn’ E. Ged. 2, 212 ꝛc.
2) [2]: Ergraut iſt ſchon die Welt [in der Abenddämm-
rung†. G. 11, 48. 3) [3]: Ohn’ Auffriſchung ergraute
die Flur von belaſteter Ähre. V. Ov. 1, 11; E–d mit bläu-
lichem Laube das Weidicht. Georg. 2, 13. Herán-,
Herāūf-: intr. (ſein): [2] heraufdämmern: Vom
Meer heran der Abend graute. Freiligrath SW. 6, 301; Im
Oſten graut mit hellern Sonnen | der Weltenſabbath ſchon her-
auf. Kinkel 291; Da plötzlich in der Seele graut | ein Bild her-
auf. 514; FMüller F. 34 ꝛc. Um-: tr.: mit Grau, mit
Dämmrung umgeben, umdüſtern, grauſig umgeben:
Wenn Tod uns umgrauet | und wenn die Waffen ruhn. Aus—
wahl d. Lieder 64; Umgraut von deinen Trümmern. Freilig-
rath Garb. 139; So war die ganze Welt umgraut. | Ihr
wiſſt ja ſelbſt, was ſie erheitert. G. 6, 127; Wenn auch
das Alter ſchon das Haupt umgrauet. WHumboldt 3, 420;
Ob Schlaf der Jo Wächter ſchon umgrauet. 1, 387; Drang
der Geiſt von Morgenroth umgrauet, | tiefer in des Men-
ſchenſchickſals Nacht. 349; Nebel, welche die Auen | der
Heimath um-g. Matthiſſon 176; 122; Rückert W. 4, 306;
Salis 11; Von alter Bäume Schatten hold umgraut. Streck-
fuß Rol. 2, 34; 12, 84 ꝛc. Nacht-Umgrauungen. Rückert
6, 110 (ſ. Zſſtzg. von II.). Ver-: intr. (ſein):
die Farbe, Friſche verlieren und grau werden (ſ. Aus-
g.), veralten, vermodern: Sein alter ſchwarzer vergrauter
Rock. G. 23, 24; So will der Himmel auch ſie [die Roſe]
nicht v. laſſen. Lohenſtein Roſ. 5; Mügge Rom. 2, 46;
Schubarth Goethe 2, 314 ꝛc.