Faksimile 0605 | Seite 597
Faksimile 0605 | Seite 597
Faksimile 0605 | Seite 597
gleiten um-gleiten Um-Gleiten
II. Glēīten, intr. (ſein, haben, Anm.), glitt, glei-
tete: geglitten, gegleitet: auf glatter, alſo der Fort-
bewegung keinen oder doch nur unmerklichen Widerſtand
entgegenſetzender Fläche, oder ſo leicht wie auf ſolcher
Fläche ſich fortbewegen, ſei es mit Abſicht oder unwill-
kürlich, ja ſelbſt gegen den Willen, in welchem Falle
(ſ. nam. auch aus-g.) es alſo: einen Fehltritt thun,
ausrutſchen, ſtraucheln ꝛc. (auch übertr.) bedeutet:
5. Moſ. 32, 35; Stromab g–d. Chamiſſo 4, 119; Ich
ſprang, glitt und ſchurrte über Stock und Stein. Eichendorf
Lärm 60; Uns lockt’ und zog ein ſtill Verlangen, | wir glei-
teten zur vollern Bruſt. G. 1, 39; So gleitet’ er herrlich |
bis zum goldnen Thron. 5, 100; Selbſt der beſte Wille glei-
tete auf dem durchweichten Boden. 25, 77; Faſt hätte er ge-
wünſcht, ſie möchte ſtraucheln, g., daß er ſie ... auffangen
könnte. 15, 64; Ein Berg glitt [fiel] ihm vom Herzen.
Gotthelf G. 242; Einen Blick, der forſchend über die Ver-
ſammlung glitt. Gutzkow R. 1, 354; Ihre liebevolle Seele
gleitet mit Sehnen in die meinige. Möſer Ph. 4, 105; All
meine Proben g. | von dieſem ſchlangenglatten Sonderling
[ab]. Sch. 262b; Iſt vom Pferd herab dem Rudolf Harras
in den Arm gegleitet. 546b; Wie der Kahn auf der Kryſtall-
fläche gleitete. Schubart 2, 262; Thränen gleiteten langſam
über das Geſicht. FSchlegel Flor. 1, 374; Indem gleitete der
ſanfte Strahl des .. Mondes über mein Bett. Thümmel 1,
194; G. [glandern ꝛc.] zu gehn .. auf dem gefrornen Bach
und der Gleitbahn. V. 1, 44 ꝛc.
Anm. Mhd. glîten, ſtammperwandt Glatt (ſ. d. und
vgl. Glitſchen, und veralt. z. B.: Ausglattern. ſ. Grimm).
Adelung und Campe führen nur die ſtarken Formen, doch
findet ſich (ſ. die Belege, auch in den Zſſtzg.) auch bei unſern
beſten Schriftſtellern die ſchwachen, worauf vielleicht I. G.,
namentl. Begleiten (ſ. d.) nicht ohne Einfluß geweſen, wie
man wohl ſcherzhaft davon das Partic.: Beglitten hört.
Im Allgm. gilt als Hilfszeitw. ſein von ſich fortbewe-
genden Sachen und unwillkürlich gleitenden (ſtrauchelnden)
Perſonen, haben von abſichtlich ſich gleitend fortbewegenden
Perſonen, alſo z. B.: Er hat Stunden lang auf dem Eiſe
gealeitet, ohne zu fallen, während ich gleich im Anfang mehr-
mals gegleitet und gefallen bin ꝛc.; doch z. B.: Meine Tritte
hätten beinahe geglitten. Pſ. 73, 2.
Zſſtzg. (mit ſein), ſ. die von Glitſchen, z.B.: Áb-:
ſich gleitend, an Etwas nicht haftend, davon entfernen:
War über die Trümmrung abgeglitten ein Hügel von Schnee.
Baggeſen 1, 219; Jeder Ihrer Angriffe auf den Inhalt ...
gleitet ab. Fichte 8, 271; Wenn auch Tauſend a. zu ſeiner
Rechten und Zehntauſend zu ſeiner Linken. Forſter B. 1, 397;
Spiegelglatt . .. zu klettern hier, ja ſelbſt der Gedanke
gleitet ab. G. 12, 185; Nicht alle Verführungen waren ſo
von ihm abgeglitten. Gutzkow R. 5, 203; 4, 46; Er glitt
in das dunkle Waſſer | jähes Falls, wie wenn funkelnd ein
Stern abgleitet vom Himmel. V. Th. 13, 50 ꝛc., ſ. Hinab-g.
Āūf-: hinauf-g.; ſich unmerklich anſteigend heben
(vgl. Leite): Das a–de flache Land. G. 19, 395.
Āūs-: ausrutſchen: Schlüpfrig . ., daß man faſt bei je-
dem Schritt ausgleitete. Forſter R. 1, 101; Ausglitt, daß er
faſt herabgefallen wäre. L. 11, 97. Be-: tr. (vgl. I.),
gleitend beſchreiten: Die vielbeglittene Eisbahn. Da-
hêr-: Eingedenk der Heimath gleitet | er im Wogenſturz
daher. V. Dahin-: Ein Haus, worin ſie auf Flüſſen
ſicher dahinglitten. Sch. 691b; 75h; Wir gleiteten auf
dem ſanften Strom einer leiſen Ahnung .. ſtill und ſorglos
dahin. W. 23, 31 ꝛc. Dúrch-: tr.: gleitend durch-
fahren, durchziehn: Kaum daß ein ſtilles Weh | durchglei-
tet das Gemüth. Meißner 94; Durchgleitet er des Äthers Flu-
then. Pfeffel Po. 3, 106; Des Fiſchleins Spiele .. das ..
ſonnige Fluthen durchglitt. V. 3, 38 ꝛc. Eīn-: hin-
ein-g.: Sanft e–der Honig. V. Il. 18, 109; Die Schmei-
chelei gleitet ſanft ein ꝛc. Ent-: gleitend entweichen,
ausgleiten: Schwankenden Schrittes | entgleitet der Fuß.
Chamiſſo 4, 195; Thürwärts zu ſchleichen, um in das Freie
zu e. Immermann M. 2, 333; Nur entglitten dem Auge zu-
weilen falſche Seitenblicke. Seālsfield Leg. 2, 6 ꝛc. Hêr-,
Hín- ꝛc.: Und ruhig ſah ich her das Fahrzeug gleiten ꝛc.
Chamiſſo 4, 159 ꝛc. Das Alltägliche gleitete über ſie hin,
wie der Schaum über die Welle. Alexis H. 2, 3, 101; Amts-
geſchäften, die bei ihm nur auf der Oberfläche hingleiteten.
Fichte N. 98; Des Fluſſes, der im Sonnenlichte hingleitete.
G. 22, 132; 2, 24; Die Geſtalt glitt ſpukhaft an den dun-
keln Wänden hin. Lewald W. 4, 9 ꝛc. Der .. gewandt
am ergriffenen Tau herabglitt. V. Ov. 1, 192 ꝛc. Seltner
tr.: Um Holz von einer Höhe herabzugleiten [h. zu laſſen].
Stalder 1, 453 ꝛc. Nun gleitete der Kahn den Fluß hinab.
G. 19, 183; Ihr Gefährte ſei von einer Felſenwand ins tiefe
Thal hinabgegleitet. Muſäus M. 1, 112; 19 ꝛc. Ein
Boot, das den Fluß heraufglitt. Sealsſield Leg. 3, 6 ꝛc.
So gleiteten ſie ſacht an meinen Fingern hinauf. G. 20,
58 ꝛc. Gleitete vom Dach herunter. Muſäus M. 3, 76.
Der Fluß .. gleitete ſo ſanft hinunter. G. 25, 148; Platen
4, 281 ꝛc. Nāch-: ſich gleitend nachbewegen: Als die
Schlange den Wanderern auf dem Lande nachgleitete. G. 19,
327; Die Leiter mußte dem Herabſteigenden nachgegleitet ſein.
Rank Arm. 139. Nīēder-: hinunter-g. I. Uber-:
tr.: gleitend überſchreiten: Die überglittene Eisbahn;
Man übergleitet die Oberfläche allein. Sturz 1, 113.
II. Úber-: gleitend übergehn ꝛc.: Die Seele gleitet hier
von der Jdee des Bleibens zur Idee des Weggehens gemach
und ſtufenweife über. Engel 8, 287; Wie der äußerſte Myſti-
cismus .. . in Einzelnen zum direkten Gegentheile überglitt.
Gervinus Lit. 5, 268; 340 ꝛc. I. Um-: tr.: gleitend
umgeben: Der Wurzel .. Fäſerchen tränkt ſie mit ſanft
u–der Welle. V. Ov. 2, 358. II. Um-: gleitend um-
ſinken. Umhêr-: Die Augen glitten überall umher.
Temme SchM. 2, 25. Ver-: gleitend verſchwinden,
weg-g. [ſ. Gleiten I.): Fern von der tollen Menge Neid
und Groll | .. . verglitt ihr Leben, ſchlichter Freuden voll.
Koſegarten Rh. 3, 82; Po. 2, 394. Vorǖber-: Als
wenn die Schatten nur ſanft vorübergleiteten. G. 21, 261;
Lewald W. 3, 270 ꝛc. Wég-: Unſre Geſpräche gleite-
ten weg, wie ein .. Gewäſſer. Hölderlin H. 1, 132.
Zū-: ſich gleitend einem Gegenſtande nähern: Dem
Ziel z. Zurück-: gleitend zurückſinken: Indem nun
ein ſanftes Licht . . . über dem [l. den] ſanften Fluß und
die rauſchenden Fälle, über Herden und Fiſcher zurückgleitet.
G. 31, 206; Uhland 337 ꝛc.