Faksimile 0577 | Seite 569
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geistig Geistigkeit
Gēīſtig, a. (~keit, f.; –en): Geiſt (ſ. d.) ha-
bend, Geiſt ſeiend, auf den Geiſt bezüglich, namentl.:
1) ſpiritushaltig (ſ. Geiſt 4; 5), voll flüchtiger, die
Senſibilität anregender Theile ꝛc.: G. riecht’s .. Ein
Fläſchchen Schnaps ergreif’ ich da. G. 1, 182; Mit g–em
Weine gefüllt. Muſäus M. 4, 151; „Ein wenig Hirſchhorn!“
..Jch will nichts G–es. Weſ Diana 2, 8; W. 15, 125;
Die g–en Theile ausziehen; Die g–e Gärung, wobei ſich
Weingeiſt, Alkohol entwickelt. Karmarſch 2, 304 u. o.
Ubertr.: Sein Herz, von Hefen rein, | wird g. nur,
nicht ſauer. V. 3, 222 ꝛc. a) Daß ſeine [des Weins]
G–keiten [geiſtige Beſtandtheile, Weſen, vgl. 2b] | ſelbſt
den Geiſt zur Freude leiten. Brockes 9, 156; 192 ꝛc.
Ähnlich auch in Bezug auf die Lebensgeiſter: Dieſe
G–keiten. 216; Auch G–keiten, welche ſinnlich und die wir,
weil wir ſie nicht kennen [!], | gemeiniglich die thieriſchen und
Mittel-G–keiten nennen. 217 ꝛc. 2) unkörperlich; ſich
auf den Geiſt im Ggſtz. des Körpers beziehend,
vgl. Geiſtlich, das Luther in der Bibel ꝛc. für g. ge-
braucht: Wo zum ird’ſchen Manna geiſt’ges man genießt.
G. 6, 78; G. ſcheinen ſie [Zufriedenheit, Erfahrung ꝛc.] |
in ſeinen Liedern und perſönlich doch | wie unter Blüthen-
bäumen auszuruhn. 13, 121; 135; Wenn man annehmen
darf, daß die Weſen, inſofern ſie körperlich ſind, nach dem
Centrum, inſofern ſie g. ſind, nach der Peripherie ſtreben, ſo
gehört unſre Freundin zu den g–ſten. 19, 171; Wenn unſer
Seelenkoncert am g–ſten geſtimmt iſt. 21, 178; Welche
gleichſam auf einer g–en Leiter zu jenem Gipfel der Natur
hinaufſteigt. 36, 18; G–e Bedürfniſſe. 33, 171; Durch ein
g–es Gleichnis dieſe unfaßlichen Weſen aus dem Reiche der
Sinnlichkeit in ein g–eres herübergeſpielt. 39, 154; Da
ſollte mein Erbe, ausgehend von den geiſtlichen Rittern, den
g–en Rittern [Rittern vom Geiſt] wieder zufließen. Gutzkow
R. 8, 189; 3, 259; Dieſe Zeiten, die man zu den einfach-
ſten, g–ſten des Chriſtenthums hat umprägen wollen, ſind die
ſinnlichſten, materiellſten. Immermann M. 3, 397;
1, 168; Iſt nur der leiſeſte Wechſelreiz zwiſchen dem Sinne
[des Auges] und dem Geiſt wieder erregt, dann wächſt mit
jedem Tage die ſinnlich g–e Empfänglichkeit. Raumer Päd. 3,
1, 166; Zu gleicher Zeit der zärtlichſte und der g–ſte Lieb-
haber. W. 2, 152; Der ſchon zum geiſt’gen Leib den Erden-
ſtoff verfeint [ſ. Geiſt 4]. 20, 254 u. ä. m. a) G–keit
= das Geiſtigſein; Was an G–keit und Freiheit dieſer
G–keit glaubt. Fichte 7, 375; 8, 291; Jene überwiegende
G–keit, die ſich jetzt in der europäiſchen Literatur zeigt. Heine
Sal. 1, 106; Aus dem unendlichen Felde unſerer Einbil-
dungskraft, und aus der G–keit ihrer Bilder. L. 6, 415;
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Durch alle Stufen der Menſchheit gehſt du mit mir von der
ausgelaſſenſten Sinnlichkeit bis zur g–ſten G–keit. FSchlegel
Luc. 21 ꝛc. b) G–keit, ein geiſtiges Weſen: Schwär-
merei, Verliebtheit in G. ohne Körper. Lavater Ph. 1, 145;
Die ganze Welt iſt bloß ein All von G–keiten, | in die vom
Quell des Seins ſich ſtete Ströme leiten. W. 25, 77 ꝛc.
Zſſtzg. meiſt: einen ſo oder ſo beſchaffnen Geiſt ha-
bend, ſolchen Geiſtes ſeiend, vgl. Geiſtiſch 2, z. B.:
Árm-: Die Reich-G–en müſſen verfolgen die A–en. Luther
1, 28a, gewöhnl. reich, arm am (im) Geiſt ꝛc.
Dúmm-: In ſtolzer Würde, die der D–keit eigen iſt.
Zſchokke 8, 328. Eng-: Die e–e [beſchränkte] Anſicht.
Wurm Spr. 49. Fēūer-: F–er Knabe. Arndt Erinn.
341. Frēī-: freien Geiſtes ſeiend, verſch. das im-
mer tadelnde freigeiſt(er)iſch, vgl. ſchön-, ſtark-g.: Un-
ter Friederich’s f–er Herrſchaft. Genz 1, 5; Gervinus Lit. 5,
259; Steffens Erl. 5, 53 ꝛc.; Den ganzen Reiz der moder-
nen .. F–keit. Droyſen A. 3, 232. Gótt-: gottbegei-
ſtert. Hagen Nor. 14. Grōß-: Den g–en Ton des
Arioſto. Heinſe K. 1, 166. Hōch-: Dieſem h–en Mont-
blanc [Friedrich dem Großen]. Arndt Ber. 54; Heinſe A.
1, 269. Klēīn-: In dem k–en, beſchränkten, ſpießbür-
gerlichen Genf. Gutzkow R. 5, 15. Schȫn-: in der
Weiſe eines ſchönen Geiſtes oder Schöngeiſts (ſ. d.),
belletriſtiſch: Die einſeitige ſch–e Entwicklung. Prutz DM.
1, 2, 410; Für Berlin bin ich weder fromm noch ſch. genug.
Waldau N. 2, 172; Gervinus Lit. 5, 258 ꝛc. Tadelnd:
Schöngeiſtiſch. Stárk- (vgl. frei-g.): Der ſich
nicht ſt. über das Vorurtheil .. hinwegſetzte. Gervinus Sh.
1, 53 ꝛc. Tadelnd: Starkgeiſtiſch. Über-:
Auf den äußerſten Jdeen des Sinnlichen, Geiſtigen, Überſinn-
lichen, Ü–en. Schubarth G. 2, 499. Un-: 1) [1] U–er
Wein. 2) [2] U–e [ſinnliche] Liebe ꝛc. Wēīn-
[1]: Eine w–e Löſung ätheriſcher Öle. Karmarſch 2, 760;
778 u. o. = Löſung in Weingeiſt ꝛc. Wīder-:
dem Geiſt widerſtrebend: Widernatürliche und w–e graſſe
Geſtalten. G. 4, 201, auch: widergeiſtiſch u. ä. m.