Faksimile 0528 | Seite 520
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fürchten
Fürchten, tr., refl. u. intr. (haben):
Furcht (s. d.) haben, sowohl v. dem ängstigenden Gefühl vor Drohendem, als auch von der Scheu, etwas dem (persönl.) Ggst. der Furcht Mißfälliges zu thun.
1) tr.:
a) Einen f., Furcht, Scheu vor ihm empfinden, auch: aus diesem Gefühl vermeiden, was ihm mißfällig sein könnte: Ich furchte [Anm.] das Volk und gehorchte ihrer Stimme. 1. Sam. 15, 24; Die meisten Schüler f. ihre Lehrer, aber sie lieben sie nicht; Man fürchtet ein bekanntes oder unbekanntes mächtiges Wesen; Der Starke sucht, es zu bekämpfen, der Schwache zu vermeiden, Beide wünschen es los zu werden etc. G. 18, 188; Es fürchte die Götter | das Menschengeschlecht! . . . Der fürchte sie doppelt, | den je sie erheben. 13, 71; Die ich verehre, fürcht’ ich, | die Klugen; über Narren lach’ ich nur, | die fürcht’ ich nicht. Tieck Cymb. 4, 2; Wo er wie ein Gott verehrt und wie ein böser Dämon gefürchtet wird. W. 31, 435. Bibl. etc.: Gott, den Herrn, den Namen des Herrn f. = Gottesfurcht hegen, fromm sein, doch s. z. B. Ps. 33, 8 etc.
b) Etwas f., Furcht, Scheu davor empfinden, vgl. a, nam. auch in Bezug auf Künftiges: dem Eintreten Desselben, als etwas Drohendem mit Angst, Besorgnis, Furcht entgegensehn (Ggstz.: hoffen): Daß ich die Vorschriften der Polizei fürchte, wenn auch nicht verehre. Börne 2, 417; Es ist sonst Nichts zu f. als die Furcht. 115; Dein mir gefürchtetes Reich. H. 15, 84 [= dein mir furchtbares, Furcht erregendes Reich, vgl.: Dein von mir gefürchtetes Reich]; Bis in den Schoß der Mutter fürchtet ihr | der Arglist Schlingen. Sch. 492; Etwas f. und hoffen und sorgen | muß der Mensch für den kommenden Morgen. 497a; Etwas für Einen f., in Bezug auf ihn, die Besorgnis hegen, daß ihn etwas Drohendes, Unangenehmes treffen könne (s. 2a); Demungeachtet fürchte ich Nichts für meinen Ring. Tieck Cymb. 1, 5 etc. Seltner, wie frz. craindre, mit unpersönl. Subj.: Je mehr die Früchte den Frost f. Burmeister gB. 2, 285 = je leichter sie davon verletzt werden, je empfindlicher sie dagegen sind.
c) mit abhäng. Satz: Er fürchtete den Verlust des Geldes, das Geld zu verlieren, daß er das Geld verlöre, daß ich ihn um das Geld brächte, ich möchte ihn um das Geld bringen etc., zuw. auch mit pleonast. „nicht“ (s. d.): Ich fürchte, daß nicht, wie die Schlange Hevam verführte . ., also auch eure Sinnen verrücket werden. 2. Kor. 11, 3; Ich fürchte euer [Genit. veralt. = für euch, s. 2a], daß ich nicht vielleicht umsonst habe an euch gearbeitet. Galater 4, 11; Ich fürchte Nichts so hoch, denn daß nicht der Teufel um euch buhle. Luther 6, 357a etc., s. 3.
2) intr.: Furcht haben (vgl. 1): Nur das Kind fürchtet, der Jüngling liebt, der Mann achtet. Börne 2, 62; Über den Sauertopf da, der uns bald f. gemacht hätte. Eichendorf Phil. 32; Habegern von Fürchtenicht [Bez. eines furchtlosen Bettlers]. Rückert Mak. 2, 31; Drum f. wir mit Grund. Tieck Cymb. 4, 2 etc.
a) auch mit Beifügung des Ggst.’s, um den man besorgt ist: Nicht meinethalben fürchte. Platen 4, 296; Ich fürchte [1] Oranien und ich fürchte für Egmont. G. 9, 152; Ich fürchte nicht für dich, denn vor dir f. [3] die Furchtbaren sich. Rückert Mak. 2, 186 etc.; ugw. aber: Man fürchtete vor eine Entzündung im Gehirn. Frau vStein, s. Frese G. 2, 137, st.: (be)fürchtete sie [1]. So auch veralt. mit sachl. Genit.: Da furchten [Anm.] wir unsers Lebens vor euch sehr. Joh. 9, 24 (s. 1c); Wir f. der Häut. Frank LastB. 3b; Matthesius Pr. 162 u. m. persönl. reflexivem Dat. (wie goth. u. ahd.): Alsdann fürchtich mir nit, auch, mit 300 zu schlagen. Schaidenraißer 57b (13, 385), vgl. be-f. u. s. 3.
b) der subst. Infin. für das ungewöhnl. Fürchtung: Da ist das F. [die Besorgnis], da ist das Hoffen [die Hoffnung]. Sch. 497a; auch: das Gefürchtete: Dein F. und sein Hoffen | beide sind nicht eingetroffen etc.
3) refl. (vgl. 2a): Ich fürchte mich, habe Furcht; auch: Etwas zu thun; vor (veralt. für) einer Sache, Person: Hat .. gefragt, wofür sich doch die Deutschen am meisten fürchteten, in Meinung, sie würden sagen: vor ihm und seiner großen Gewalt. Zinkgräf 1, 285 u. v., seltner (s. 1a): Du sollst dich vor deinem Gott f. [ihn f.]. 3. Mos. 19, 14; 2, 9, 30; Luk. 23, 40 etc. Zuw. mit Genit. st. „vor“: sich einer Sache aus Furcht enthalten, davor hüten: Der Gebrannte fürchtet sich des Feuers [Sprchw.]. Schweinichen 1, 294; Wenn ihr euch der Sünde nicht scheuet [s. d.], so solltet ihr euch der Schande f. Hermes (s. Adelung) etc.; selten, in Bezug auf Bevorstehendes, mit „auf“ (vgl. hoffen): Die Fahrt über die Apenninnen, auf die [vor der] ich mich so sehr fürchtete. Platen 7, 148. Mit fortbleibendem persönl. Fw.: Das ist eine Schelmerei von ihnen, um mich [mich] f. zu machen (s. d.). Schlegel Sommern 3, 1.
Anm. Goth. faurhtjan, ahd. forahtan etc. Veralt., mundartl.: Bald förcht’ ich. Geßner 2, 168 etc.; Jmperf.: Ich furchte, oft in der Bibel; Falk 137; H. 4, 49; L. 6, 378; 457; 1, 108; Ramler F. 2, 528; Stilling 2, 16; 57; Uz 2, 223 etc. u. mit absichtlich mundartl. Färbung: Der wackre Schwabe forcht sich nit. Uhland 379; Part.: Geforchten. SClara EfA. 2, 679; Kurz Sonn. 279 etc.
Zsstzg., vgl. die v. ängstigen etc. z. B.: Áb-:-Das Kind hat sich vor dem Gespenst abgefürchtet, abgeängstigt.
Án-: Einem Etwas a., aus Furcht andichten. Linck Schl. 18.
Āūs-: refl. u. intr.: mit der Furcht zu Ende sein, sie überwunden haben.
Be-: Erwas b., fürchten, daß etwas Drohendes eintreten werde: Ich befürchte den frühen Tod des Kinds, daß es nicht groß wird; Es ist, steht zu b., daß etc.; Was befürchtet er sich [Dat.] denn von uns? L. 3, 38; Welcher sich [Acc.] ganz und gar keines Unglücks befürchtet [versieht]. 7, 353. Veralt.: Ich befürchte mich [= fürchte], daß (nicht) etc. Seine Befürchtungen sind eingetroffen [2b].
Ehr-: tr. u. intr. (selten): Ehrfurcht haben, respektieren: E–d und wartend | blieben die Welten stehn. Kl.; Rahel 1, 445, hat das noch seltnere: Beehrfurchten etc.