Faksimile 0527 | Seite 519
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Furcht
Fúrcht, f.; –en: 1) die Gemüthsſtimmung des
Fürchtenden, nam. das ängſtigende Gefühl von etwas
Drohendem und ſo auch, wo es ſich auf etwas zu Er-
wartendes, Künftiges bezieht, Ggſtz. der Hoffnung;
zuw. auch, nam. theologiſch, die Scheu, Etwas zu
thun; was der gefürchteten Perſon (Gott) mißfällig
ſein könnte, ſo beſ.: Die kindliche F., im Ggſtz. der
knechtiſchen: a) F. haben, empfinden, hegen; In F. ſein,
ſtehn (ſ. d), gerathen; Außer F. ſein. Sch. 123a; Voller
F. ſein; Vor F. zittern; Es kommt, fällt eine F. über (auf)
Einen, überfällt, überkommt ihn, kommt ihn an; Einem F.
machen, einjagen, ihn in F. ſetzen; Einem die F. benehmen;
Keine F. [nam. auch: vor Geſpenſtern] kennen; Der Ritter
ohne F. und Tadel; Zwiſchen F. und Hoffnung ſchweben, ſich
abängſten. Muſäus M. 2, 115; Nun | bewegt ſich’s [das
Herz] nur in Hoffnung oder F., | ihn zu beſitzen oder zu ver-
lieren. G. 8, 15; Da iſt immer Sorge, F., Hoffnung und
zuletzt der Tod. Sir. 40, 2; F. kommt daher, daß Einer ſich
nicht trauet zu verantworten, noch keine Hilfe weiß. Weish.
17, 12; F. iſt nicht in der Liebe, ſondern die völlige Liebe
treibet die F. aus; denn die F. hat Pein. 1. Joh. 4, 18; Du
haſt die [Gottes-] F. fahren laſſen und redeſt zu verächtlich
von Gott. Hiob 15, 4; 4, 6; Er witterte nicht F. noch Fahr
[ſ. d.]. Claudius 7, 4; Schauer und F. in kindlichen Ge-
müthern zu erwecken. G. 20, 9; Die Beſorgnis geht endlich
in F. über. Kohl Südr. 2, 136; Ich bin der Mann der blei-
chen F. nicht. Sch. 135b ꝛc. Zuw. auch das Furcht Er-
regende ſelbſt: Von einer großen F. ſind wir befreit. 548b.
b) der gefürchtete Ggſtd. ſteht gw. mit vor: F. vor
Jemand, vor Geſpenſtern, vor dem Tode, vor Strafen, vorm
Gewitter ꝛc.; veralt.: Aus F. für den Züchtigungen. Stilling
1. 91 ꝛc. c) Statt Deſſen auch der Genit. (objekti-
viſch), nam. oft bibl.: F. des Todes. Hebr. 2, 15; Pſ.
55, 5; Da fiel die F. des Herrn auf das Volk. 1. Sam. 11,
7; Es kam die F. Gottes über die Städte. 1. Moſ. 35, 5;
Wandelte in der F. des Herrn. Ap. 9, 31 (vgl. d: Gottes-
F.) und ſo auch: Eure F. und Schrecken [F. vor Euch;
die F., die ihr erregt]. 1. Moſ. 9, 2; 5, 11, 25; Daß
ſeine [Gottes] F. euch vor Augen wäre, daß ihr nicht ſündi-
get. 2, 20, 20 ꝛc., ſo auch z. B.: Mendelsſohn Pſ. 105,
38; In der F. des Herrn. Sch. 67a ꝛc.; Die F. des Hahnen
. ward .. allgemein: | man bebt vor einem dreiſten Krähen.
Freiligrath 2, 184; Die F. einer ſchimpflich abſchläglichen
Antwort. L. 1, 351; Aus F. der Rache. Ramler F. 3, 43;
F. der Strafe. W. 31, 426 ꝛc. d) Gewöhnl. aber bez.
ein beigefügter Genit. das fürchtende Subj.: Die F.
des Kindes vor Geſpenſtern ꝛc. (vgl.: In F. ſtehn = fürch-
ten und gefürchtet werden, wie: in Achtung, Liebe, An-
ſehn ſtehn ꝛc.) und der objektiviſche Genitiv erſcheint
als Bſtw. in Zſſtzg.: Die Geſpenſter-F. des Knaben;
Gewitter-F.; Todes-F. ꝛc. und nam. Gottes-F.:
die Scheu, etwas Gott Mißfälliges zu thun; Frömmig-
keit, und im Ggſtz. dazu: Menſchen-F.: die Scheu,
etwas Menſchen Mißfälliges zu thun, nam. inſofern
ſie zu Schlechtem, zu Verleugnung der Wahrheit ꝛc.
Anlaß giebt ꝛc. In andern Zſſtzg. entſpricht aber
das Bſtw. auch dem Fürchten für Etwas, z. B.: Lebens-
F.: Der Apoſtel, der aus L. das Verleugnen nicht laſſen konnte.
Tieck 16, 4; ſubjekt. Genit., z. B.: Knechtes-F.: knech-
tiſche F. ꝛc. e) Das Gefürchtete wird auch durch einen
Satz ausgedrückt: Ich thue es nicht, aus F., daß ich dich
kränken könnte, ich könnte dich kränken, dich zu krän-
ken; Daß er der F. war, hinter jedem Baumſtamm könnte
neues Ungethüm vorſchießen. Alexis H. 1, 1, 266; zuw.
mit überflüſſigem „nicht“ [ſ. d.]: Aus F., daß es der
Hofmann nicht ſeinen Vetter wiſſen laſſe. Gryphius Säug. 14.
Auch, wo F. = zweifelnde Beſorgnis, mit,,ob“: Der
Liebe leichtſter Scherz | erweckt die F., ob Oberon ihn ver-
damme. W. 20, 145 und gleichbéd.: Die F., ob er ihn
nicht vielleicht verdamme. 2) perſonificiert: Betrüglich
ſchloß die F. mit der Gefahr | ein enges Bündnis: Beide
ſind Geſellen. G. 13, 67; Dem Unglück iſt die Hoffnung zu-
geſendet, | F. ſoll das Haupt des Glücklichen umſchweben.
Sch. 400b u. o.; ſ. WKoner 346 ff.
Anm. Goth. faurhtei ꝛc. S. Fahr, Gefahr, be-
fahren = befürchten ꝛc. Veralt. Forcht. Zinkgräf 1,
295; SClara EfA. 2, 626 ꝛc. Die Mz. iſt hochd. ſelten:
All meine Hoffnungen und F–en. H. 16, 118; Luther 1, 166a
ꝛc., vgl.: Verſchmachten für F–e. 5, 529b.
Zſſtzg. ſ. [1d], ferner: Ehr-: „eine Furcht oder
ein Abſcheu, Jemandem zu mißfallen, den man ver-
ehrt“. Mendelsſohn 4, 1, 66; die höchſte Achtung mit
der Scheu, ihren Ggſtd. irgendwie zu verletzen, mit
abhäng. vor, für, gegen, vgl. Achtung 3: Für den die
Schulen E. hatten. Gellert 1, 222; Das Schickſal, für deſſen
Weisheit ich alle E. trage. G. 16, 140; 10, 163; Sich zu
fürchten iſt leicht, aber beſchwerlich; E. zu hegen iſt ſchwer,
aber bequem. 18, 188; Bei der E., die der Menſch in ſich
walten läſſt, kann er, indem er Ehre giebt, ſeine Ehre behal-
ten. ebd.; Aus dieſen drei E–en [vor Dem, was über
Einem —, was Einem gleich und was unter Einem
iſt] entſpringt die oberſte E., die E. vor ſich ſelbſt. 189;
305; 19, 101; Die heilige E. für das königliche Haus. No-
valis 1, 29; Wenn erſt die Achtung und E. vor großen Ge-
nien verloren geht. HVoß JP. 136; Daß meine E. gegen
dich noch immer dieſelbe iſt. ebd. ꝛc. So auch: E–s-voll
vor .. Apollon. V. Il. 1, 21; E–s-voll dem Verweiſe des
ehrenvollen Gebieters. 4, 402.
Anm. Man beachte: furchtlos neben: ehrfurchts-los.
Vogt Köhl. 32, -voll ꝛc.