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Furcht
Fúrcht, f.; –en:
1) die Gemüthsstimmung des Fürchtenden, nam. das ängstigende Gefühl von etwas Drohendem und so auch, wo es sich auf etwas zu Erwartendes, Künftiges bezieht, Ggstz. der Hoffnung; zuw. auch, nam. theologisch, die Scheu, Etwas zu thun; was der gefürchteten Person (Gott) mißfällig sein könnte, so bes.: Die kindliche F., im Ggstz. der knechtischen:
a) F. haben, empfinden, hegen; In F. sein, stehn (s. d), gerathen; Außer F. sein. Sch. 123a; Voller F. sein; Vor F. zittern; Es kommt, fällt eine F. über (auf) Einen, überfällt, überkommt ihn, kommt ihn an; Einem F. machen, einjagen, ihn in F. setzen; Einem die F. benehmen; Keine F. [nam. auch: vor Gespenstern] kennen; Der Ritter ohne F. und Tadel; Zwischen F. und Hoffnung schweben, sich abängsten. Musäus M. 2, 115; Nun | bewegt sich’s [das Herz] nur in Hoffnung oder F., | ihn zu besitzen oder zu verlieren. G. 8, 15; Da ist immer Sorge, F., Hoffnung und zuletzt der Tod. Sir. 40, 2; F. kommt daher, daß Einer sich nicht trauet zu verantworten, noch keine Hilfe weiß. Weish. 17, 12; F. ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibet die F. aus; denn die F. hat Pein. 1. Joh. 4, 18; Du hast die [Gottes-] F. fahren lassen und redest zu verächtlich von Gott. Hiob 15, 4; 4, 6; Er witterte nicht F. noch Fahr [s. d.]. Claudius 7, 4; Schauer und F. in kindlichen Gemüthern zu erwecken. G. 20, 9; Die Besorgnis geht endlich in F. über. Kohl Südr. 2, 136; Ich bin der Mann der bleichen F. nicht. Sch. 135b etc. Zuw. auch das Furcht Erregende selbst: Von einer großen F. sind wir befreit. 548b.
b) der gefürchtete Ggstd. steht gw. mit vor: F. vor Jemand, vor Gespenstern, vor dem Tode, vor Strafen, vorm Gewitter etc.; veralt.: Aus F. für den Züchtigungen. Stilling 1. 91 etc.
c) Statt Dessen auch der Genit. (objektivisch), nam. oft bibl.: F. des Todes. Hebr. 2, 15; Ps. 55, 5; Da fiel die F. des Herrn auf das Volk. 1. Sam. 11, 7; Es kam die F. Gottes über die Städte. 1. Mos. 35, 5; Wandelte in der F. des Herrn. Ap. 9, 31 (vgl. d: Gottes- F.) und so auch: Eure F. und Schrecken [F. vor Euch; die F., die ihr erregt]. 1. Mos. 9, 2; 5, 11, 25; Daß seine [Gottes] F. euch vor Augen wäre, daß ihr nicht sündiget. 2, 20, 20 etc., so auch z. B.: Mendelssohn Ps. 105, 38; In der F. des Herrn. Sch. 67a etc.; Die F. des Hahnen . ward .. allgemein: | man bebt vor einem dreisten Krähen. Freiligrath 2, 184; Die F. einer schimpflich abschläglichen Antwort. L. 1, 351; Aus F. der Rache. Ramler F. 3, 43; F. der Strafe. W. 31, 426 etc.
d) Gewöhnl. aber bez. ein beigefügter Genit. das fürchtende Subj.: Die F. des Kindes vor Gespenstern etc. (vgl.: In F. stehn = fürchten und gefürchtet werden, wie: in Achtung, Liebe, Ansehn stehn etc.) und der objektivische Genitiv erscheint als Bstw. in Zsstzg.: Die Gespenster-F. des Knaben; Gewitter-F.; Todes-F. etc. und nam. Gottes-F.: die Scheu, etwas Gott Mißfälliges zu thun; Frömmigkeit, und im Ggstz. dazu: Menschen-F.: die Scheu, etwas Menschen Mißfälliges zu thun, nam. insofern sie zu Schlechtem, zu Verleugnung der Wahrheit etc. Anlaß giebt etc. In andern Zsstzg. entspricht aber das Bstw. auch dem Fürchten für Etwas, z. B.: Lebens- F.: Der Apostel, der aus L. das Verleugnen nicht lassen konnte. Tieck 16, 4; subjekt. Genit., z. B.: Knechtes-F.: knechtische F. etc.
e) Das Gefürchtete wird auch durch einen Satz ausgedrückt: Ich thue es nicht, aus F., daß ich dich kränken könnte, ich könnte dich kränken, dich zu kränken; Daß er der F. war, hinter jedem Baumstamm könnte neues Ungethüm vorschießen. Alexis H. 1, 1, 266; zuw. mit überflüssigem „nicht“ [s. d.]: Aus F., daß es der Hofmann nicht seinen Vetter wissen lasse. Gryphius Säug. 14. Auch, wo F. = zweifelnde Besorgnis, mit,,ob“: Der Liebe leichtster Scherz | erweckt die F., ob Oberon ihn verdamme. W. 20, 145 und gleichbéd.: Die F., ob er ihn nicht vielleicht verdamme. 2) personificiert: Betrüglich schloß die F. mit der Gefahr | ein enges Bündnis: Beide sind Gesellen. G. 13, 67; Dem Unglück ist die Hoffnung zugesendet, | F. soll das Haupt des Glücklichen umschweben. Sch. 400b u. o.; s. WKoner 346 ff.
Anm. Goth. faurhtei etc. S. Fahr, Gefahr, befahren = befürchten etc. Veralt. Forcht. Zinkgräf 1, 295; SClara EfA. 2, 626 etc. Die Mz. ist hochd. selten: All meine Hoffnungen und F–en. H. 16, 118; Luther 1, 166a etc., vgl.: Verschmachten für F–e. 5, 529b.
Zsstzg. s. [1d], ferner: Ehr-: „eine Furcht oder ein Abscheu, Jemandem zu mißfallen, den man ver- ehrt“. Mendelssohn 4, 1, 66; die höchste Achtung mit der Scheu, ihren Ggstd. irgendwie zu verletzen, mit abhäng. vor, für, gegen, vgl. Achtung 3: Für den die Schulen E. hatten. Gellert 1, 222; Das Schicksal, für dessen Weisheit ich alle E. trage. G. 16, 140; 10, 163; Sich zu fürchten ist leicht, aber beschwerlich; E. zu hegen ist schwer, aber bequem. 18, 188; Bei der E., die der Mensch in sich walten lässt, kann er, indem er Ehre giebt, seine Ehre behalten. ebd.; Aus diesen drei E–en [vor Dem, was über Einem —, was Einem gleich und was unter Einem ist] entspringt die oberste E., die E. vor sich selbst. 189; 305; 19, 101; Die heilige E. für das königliche Haus. No- valis 1, 29; Wenn erst die Achtung und E. vor großen Genien verloren geht. HVoß JP. 136; Daß meine E. gegen dich noch immer dieselbe ist. ebd. etc. So auch: E–s-voll vor .. Apollon. V. Il. 1, 21; E–s-voll dem Verweise des ehrenvollen Gebieters. 4, 402.
Anm. Man beachte: furchtlos neben: ehrfurchts-los. Vogt Köhl. 32, -voll etc.