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fühlen Über-Fühlen
Fühlen, tr., refl., intr. (haben): das Bewuſſtſein
einer Empfindung haben; durchs Gefühl (ſ. d.)
taſtend od. allgm. durch körperliche od. durch geiſtige
Empfindung etwas in uns Liegendes od. auf uns
Einwirkendes wahrnehmen u. erkennen, u. daher
(prägnant): lebhaft von etwas nam. ſchmerzhaft
auf uns Einwirkendem afficiert werden. 1) tr., und
zwar zunächſt mit ſachl. Objekt: a) Glatt ſind Körper,
an denen wir keine Unebenheit f.; Dem Kranken den Puls f.
(vgl. 3a); Der Bergmann fühlt das Geſtein, erkennt den
Feſtigkeitsgrad durch Beklopfen mit dem Fäuſtel; Um-
hertappend ein Loch in der Wand f.; Ich bin es ſelbſt, fühlet
mich [an] und ſehet. Luk. 24, 39; Ob ſie doch ihn f. [,,mit
Händen greifen“ Eß] und finden möchten. Ap. 17, 27;
Sprchw.: Das kann eine blinde Frau mit dem Stock f.
Kinkel E. 134 [iſt handgreiflich]; -Den Unterſchied zweier
Synonymen f., aber nicht ausſprechen können; Das Kind
fühlt das Unrecht wohl, allein, weil es ein Kind iſt, weiß es
das Unrecht nicht auseinanderzuſetzen. L. 12, 483; Den
Unterſchied der beiden Tücher ſchon am Gewicht f.; In dir iſt
edles Mark, | ich fühl’s am Druck der Hand. Uhland 240;
Mark. 5, 30; So fühlt man Abſicht und man iſt verſtimmt.
G. 13, 131; Was wir gefühlt und was nur du erkennſt.
122; Das Eine fühl’ ich und erkenn’ es klar ꝛc. Sch. 515b;
Was zu wünſchen iſt, ihr unten fühlt es; | was zu geben ſei,
die droben wiſſen’s. G. 10, 314 ꝛc. Schmerz, Kummer,
Freude, Luſt, Wonne, Neigung zu Etwas, Liebe zu Einem,
Mitleid, Reue ꝛc. f., vgl. empfinden (ſ. d.) u. haben,
wovon ſich f. durch das im Einzelnen hervortretende
Bewuſſtſein unterſcheidet, ſ. 2d u. vgl.: Er hatte eine
tiefe Wunde, die er aber erſt beim Erwachen fühlte; Ich
habe Kopfweh und zwar fühl’ ich den Schmerz hauptſächlich
auf der linken Seite; Mein Freund empfindet tiefen
Schmerz über ſeines Vaters Tod und ich fühle dieſen
Schmerz mit ihm [theile ihn]; Kraft, Ausdauer, den Beruf
zu Etwas f., in ſich f., ſich (Dat.) Kraft ꝛc. f. (z. B. Sch.
610b ꝛc.), das Bewuſſtſein haben, daß man Kraft ꝛc.
habe: Wer ſich eine gute Rüſtung und Muth und Talente
fühlt. Claudius 6, 7; Dazu fühle ich mir keinen Muth. G.
Sch. 1, 74; Der Landsknecht fühlt ſich friſches Blut. G. 12,
59; Sich Werth und Kraft f. 13, 299; 27, 31; Sich
einiges Recht f. 15, 233; In der Armuth ſich einen unend-
lichen Reichthum f. Mörike N. 333; Sch. 713a ꝛc.
b) prägnant: Ein Glied nicht mehr f., die Empfindung
deſſelben verloren haben, nicht wiſſen, daß man es noch
hat, z. B.: Keinen Fuß mehrf. W. 12, 161 = nicht mehr
aus der Stelle können ꝛc.; ferner: Etwas f., es tief u.
eindringend empfinden ꝛc.: Ernſtliche Schläge, die man
fühlt. Spr. 20, 30; Ich will ſie ängſten, daß ſie es f. ſollen.
Jer. 10, 18; Dein Rücken hat’s gefühlt. Ramler F. 2, 449 ꝛc.
So nam. auch: Einen, veraltet (doch z. B. noch
Iffland 5, 3, 22; L. 11, 26; Rabener 4, 369; Streckfuß
Rol. 12, 41 ꝛc., ſ. laſſen): Einem Etwas f. laſſen; Er
läſſt mich ſeinen Zorn, Unwillen, Ärger, Verdruß ꝛc., meinen
Fehler, die mir erwieſene Wohlthat oft f. Ferner: Ge-
fühlt, als Ew. = tief empfunden: Jede Form, auch die
g–eſte, hat etwas Unwahres. G. 31, 15; Die gedankenreichſte
und g–eſte Predigt. HHerz 162; Der ſeinen g–eſten Dank
ausſprach. König Jer. 3, 214; Mit g–eſtem Behagen.
Waldau N. 3, 26. c) das Objekt kann auch ein ab-
hängiger Satz ſein: Er fühlt ſein großes Unrecht, daß
er ſehr Unrecht hat, wie ſehr er Unrecht hat ꝛc.; Sie
fühlte es am Leibe, daß ſie war geſund geworden. Mark. 5,
29; Daß der gemeine Mann nicht errathe, was wir wol-
len, ſondern fühle, was wir gewollt. Börne 2, 8; Und
ſchienſt noch kurz vorher ſo rein zu f., | wie Held und Dich-
ter für einander leben. G. 13, 125; Tief fühlt ihr .., daß
Abgeſchiedenheit euch unnatürlich iſt, | fühlt Kraft. W. 20,
249 ꝛc. Selten mit Infin. u. zu: Weil er die Ar-
muth des Stoffs durch den Reichthum ſeines Genie’s erſetzen
zu können fühlte. Sch. 1237b ꝛc. Ofter mit ſogen. Accuſ.
u. Infin., vgl. hören, ſehn ꝛc. u. ſ. 2b: Fühlt’ er wie-
der | ſo wunderbar verjüngt den Buſen ſchwellen, | ſo hohe
Kraft durchſtrömen ſeine Glieder. Chamiſſo 4, 80; Ich fühle
junges, heil’ges Lebensglück | neuglühend mir durch Nerv’ und
Adern rinnen. G. 11, 21; Wer fühlte nicht an ihrem Arme
Himmel und Erde in wonnevollſten Harmonien zuſammen-
fließen. 31, 17; [Ich] reichte, da ich | dieſe Hände reichen
fühlte. 7, 231; So fühlt er bald die Sehnen ihm verſagen.
W. 3, 167 ꝛc. u. mit Fortlaſſung des Infin. „ſein“:
Er fühlte ihn ſo unglücklich, er fand ihn als Verbrecher ſelbſt
ſo ſchuldlos. G. 14, 118; Ich fühle ganz mein Herz dir hin-
gegeben. 11, 22; Fühlt der Dichter ſich [ſ. d.] das Herz
bang. 4, 13 ꝛc. d) Eine Perſon f., ſie mit ſeinem Ge-
fühl um- u. erfaſſen; [Er] fühlte den Geſchiednen, ſann |
ein bleibend Bild. G. 2, 27; Sie begegnen ſich und Eins im
Andern | fühlt ſich [ſ. 2c] ganz und fühlet ganz das Andre.
10, 313; Kann ich ſie mit halber Seele f., ſie, die um und
um ſo innig Eines iſt? Hölderlin H. 2, 80; Die ihn nur fühlt
[deren ganzes Fühlen, deren Seele er erfüllt]. Schlegel Al.
34, vgl. denken 4d. e) ſ. 2a: Wie er ſich ſeinen Weg an
den Häuſern weiter fühlte. Heine B. 319 = ihn tappend aus-
finden. 2) refl.: a) ſich fühlend, tappend wohin
bringen: Der Blinde fühlt ſich ans Bett (hin), fühlt ſich
weiter, fühlt ſich zurecht ꝛc.; Wenn man einen Fingerzeig nur
hat, | läſſt ſich’s ſchon eher weiter f. G. 11, 81 ꝛc.
Ähnlich auch: ſich durch das innere Gefühl wohin ver-
ſetzen: Wenn Fremde ſich in unſre Lage (vgl. b) f., | ſind
ſie wohl näher als die Nächſten. 13, 309; Fühlſt du dich
nicht in deine Brüder, | ſo fühlt in dich ſich Niemand wieder.
H. 15, 328. b) (ſ. 1c) mit Infin.: in Bezug auf
ſich durch das Gefühl Etwas wahrnehmen: Jch fühlte
mich beſſer danach werden. B. 499b; Als ich mich .. beim
Ärmel anhalten [gewöhnl.: angehalten, ſ. u.] fühlte.
Chamiſſo 4, 280; Wider Vermuthen fühlt’ er ſich ſchwimmen.
G. 5, 141; Er fühlte ſich freier athmen. Lewald Ferd. 1, 284;
Man fühlt ſich ſelbſt in allen Weſen leben. W. 12, 134 ꝛc.
Häufiger mit Fortlaſſen des Infin. „ſein“: Sich
glücklich, unglücklich, geſund, wohl, krank, groß, klein, niedrig
f., ſeinem Gefühl nach glücklich ꝛc. ſein; Die Eine
wünſcht, die Andre fühlt ſich frei. G. 12, 31; Ich fühlte
mich elend. Tieck Gſ. N. 1, 145; Ein Menſch, über den er
ſich ſo weit hinaus [erhaben] fühlt. Engel 1, 162 ꝛc. So
auch: Sich in einer ſchlimmen Lage (vgl. a) f., ſich außer
Stande zu Etwas f. ꝛc. Jſt das Prädikat bei dem aus-
gelaſſnen „ſein“ ein Hw., ſo ſteht es mit od. ohne
„als“ (ſ. d.) im Accuſ., aber auch im Nomin.: Fühlte
er ſich wieder ganz den Alten. Duller Grabbe 50; Ein Menſch,
der ſich als ſeinen eigenen Antipoden fühlt. Gutzkow R. 5,
497; Ich fühle mich gerade jetzt einen rechten Bettler. Kürn-
berger Am. 161; Weil ich mich als einen Solchen fühle.
Rückert 1, 174; Schwelgteſt, wo ich einen Gott mich fühlte.
Sch. 282a; Fühlte ſich Adlerfels als den glücklichſten Men-
ſchen. Tieck N. 3, 198 ꝛc. Ich fühle mich ein Fürſt.
Börne Par. 1, 53; [Er] fühlt, was er iſt und fühlt ſich bald
ein Mann. G. 13, 104; Ich fühle mich oft einer der miſera-
belſten Sterblichen. Hackländer Hdl. 1, 133; Der Dichter,
der wahre, wie ich mich einer fühle. Tieck N. 6, 157; Voigt’s
H. 98 ꝛc.; Apoll, ſobald er Menſch ſich fühlte. W. 12, 131.
c) daran ſchließt ſich: ſich Etwas (ſ. d.) f., ſeinem
Gefühl nach Etwas d. h. in prägnantem Sinn:
etwas Ordentliches, Bedeutendes ſein, ein Gefühl
ſeines Wertheshaben: Resli fühlte ſich auch Etwas und
glaubte nicht, daß für ihn leicht Eine zu vornehm ſei. Gotthelf
G. 48; König Kl. 2, 355 u. o. So aber auch: Sich
f., ſowohl: ſich ſeines Zuſtandes, als auch: ſich
ſeines Daſeins u. prägnant: ſich ſeines Werthes,
ſeiner Kraft fühlend bewuſſt werden (ſ. Selbſtgefühl):
Ein Ohnmächtiger fühlt ſich, kommt wieder zu Bewuſſt-
ſein; Faß dich, Johanna! Fühle dich! Sch. 479b; Ein
Kranker fühlt ſich, entweder als krank, oder in ſeiner ſich
wieder regenden Kraft ꝛc.: Waffen, zu deren Gebrauch
Keiner, der ſich fühlt, Demuth genug hat. Börne 2, 381;
Völker, welche anfangen ſich zu f. Forſter A. 2, 41; Ein
Gelehrter .. durfte ſich neben ihm f. und von ihm ſagen, daß
er wenig Latein .. beſeſſen. Gervinus Sh. 1, 38; 37; Fühl’
ich mich ſelber? [bin ich bei Bewuſſtſein, od. außer mir].
G. 8, 122; Für einen Hageſtolz bekannt, | fing um die
Sechzig er ſich wieder an zu f. [als Mann]. L. 1, 121; Ich
fühle mich [in meiner Schwäche ꝛc.], ſobald ich ſo Etwas
gemacht habe, und ſchäme mich. 13, 146; Ich fühle mich.
Was Jhre Albaleiſten, | Das kann auch Karl [ich]. Sch. 255a;
256a; Sich jenen .. Autoritäten gegenüber mehr zu f. G. 2,
102; Wenn wir uns itzo nicht ſehen, ſo geſchieht es niemals.
Man lebt nur wenige Augenblicke, ich fühle mich [ſchwach, dem
Tode nahe]. Sturz 2, 16; Sie fühlt ſich wieder ſelbſt, doch ...
wacht zugleich | Bewuſſtſein ihres Unglücks auf mit ihr. W.
25, 273 ꝛc. Auch mit abhäng. ,,daß“: Er fühlte ſich
[hatte das Bewuſſtſein von ſich], daß er .. die Fehler zu
eben ſoviel Tugenden umſtempeln könne. Gervinus Sh. 1, 94;
Zelter 1, 26 ꝛc. d) Etwas fühlt ſich, wird durchs Ge-
fühl wahrgenommen: Verluſt denkt ſich nicht, er fühlt ſich
nur. G. 31, 165. 3) intr.: a) irgendwohin faſſen,
um Etwas zu fühlen, durchs Gefühl zu erfaſſen, zu
erkennen ꝛc.: Der Blinde fühlt [ſucht taſtend] nach dem
Buch; Einem an den Puls f., auch übertr.: um zu ſehn,
wie es mit ihm (eig. mit ſeiner Geſundheit) ſteht.
Claudius 5, 72; Ebenſo: Einem auf den Zahn f., ihn
ausforſchen, ihn auf die Probe ſtellen. Danzel 151; G.
2, 145; Gutzkow R. 3, 117; 8, 396 ꝛc. Zuw. auch:
Einen auf den Zahn f. L. 8, 418 ꝛc., vgl. Herrig 15, 60.
b) Gefühl haben, in ſeinem Empfindungsvermögen
afficiert werden, auch (ſ. 1b): Wer nicht hören will, muß
f. [empfindliche Strafe leiden]. Götzen, deren Finger
nicht f. können. Weish. 15, 15; Dan. 5, 23; [Ich] ſehe mit
f–dem Aug, fühle mit ſehender Hand. G. 1, 227; Zufällig
naht man ſich, man fühlt, man bleibt. 11, 9; Wenn ſie rich-
tig fühlt und weiſe ſpricht, | ſo fehlt’ noch Viel, daß ſie ge-
meſſen handle. 13, 264; Ich denke gar nicht .. ., ich
fühle nur. Gutzkow R. 2, 305; 6, 23; Da lebte mir der
Baum .. ., es fühlte [empfing Leben, Gefühl] ſelbſt das
Seelenloſe | von meines Liedes Wiederhall. Sch. 48b; Er
fühlte aus ihrer Bruſt [ihnen nach, ſich in ihre Seele
verſetzend]. W. 20, 250 ꝛc. c) ſo nam. auch das
Part.: Fühlend, oft als Ew. = empfindend, fühl-
bar (ſ. d. 2.), empfindungs-, gefühlvoll, oft mit Ad-
verbien, die Art des Gefühls beſtimmend: Die Natur
gab ihr einen zarten Körperbau mit einer f–den Seele [Ggſtz.:
„ehernes Herz“]. G. 29, 235; Ein zart-f–der Zuſchauer.
26, 210; Einen zarten fein-f–den Sohn der Natur. 6, 332;
Von meiner Krankheit, an der jeder F–de theilgenommen.
Gutzkow R. 5, 358; Rein- u. ſcharf-f–de Herzen. Heinſe A.
1, 262; Vom Meißel beſeelt, redet der f–de Stein. Sch. 76a;
Mit dem f–dſten Herzen. Zachariä Tag. 4 ꝛc. So auch im
Ggſtz.: un-f–d: kein Gefühl habend, nicht fühlend
verſch. miß-f–d (ſ. d.): Un-f–d | iſt die Natur: | es leuch-
tet die Sonne | über Böſ’ und Gute. G. 2, 67; Hoch baut
die Schwalb’ an das Geſims | un-f–d, welchen Zierrath | ſie
verklebt. 171. d) ferner: das F., Gefühl, Empfin-
dung, Bewuſſtſein, ſ. Fühlung. Da war.. keine Stimme
noch F. [Empfindung in dem verſtorbnen Knaben]. 2. Kön.
4, 31; All ſein F. und Hoffen. Auerbach Ldlb. 138; Seine
Küſſe paradieſiſch F.! Sch. 1a; Ich hab’ Euch nie geliebt
und nie gehaſſt, | nie eines warmen F–s werth gehalten.
Waldau N. 3, 83 ꝛc.
Anm. Ahd. fuolan, vgl. altnord. fâlma, betaſten, was
Wackernagel mit lat. palma, griech. πcλαμ, die flache
Hand (als taſtendes Glied), zuſammenſtellt. In der Basler
Bibel noch alse, ausländig“ erklärt durch „empfinden“.
Zſſtzg. z. B.: Áb-: Einem Etwas a., durch theil-
nehmendes Fühlen es an ihm bemerken, ihm abmerken,
ſ. an-f. 2: Daß man vielen dieſer Reime wohl das Element
des wilden und ſtürmiſchen baltiſchen Meers, in welchem ich
geboren bin, n. wird. Arndt Gd. IV; Du haſt dem Büchlein
Sorgfalt und Sinn abgefühlt. G. Z. 3, 76; Dem möcht’ ich
anſehn, dem a., wie er lieben könnte. Gutzkow R. 8, 9;
Höfer B. 88; DMuſeum 1, 1, 147. Án-: 1) Etwas a.,
fühlend anfaſſen: Du fühlſt dich an und weißt nicht, ob
du lebſt. G. 13, 179 u. o. Auch refl.: Etwas fühlt ſich
rauh, glatt ꝛc. an, erſcheint dem Gefühl des Anfaſſenden
ſo; Seine Hand fühlte ſich ihm ſelber eiſig an. Gutzkow R.
7, 54, und ſo in Bezug aufs geiſtige Gefühl: In tugend-
*haften Menſchen iſt etwas Großes und Ewiges, ſie fühlen
ſich unſterblich an. Claudius 5, 19. 2) Einem Etwas a.,
durchs Gefühl anmerken, vgl. ab-f.: Dann konnte ich
ihm recht a., wie glücklich er war. G. 17, 205; 301; Möch-
teſt du dieſem Blatt recht a., wie lieb du mir biſt. Stein 3,
82; Es war Stimmung, was Sie mir eben angefühlt haben.
König J. 3, 361.— Aūs-: durchs Gefühl ausforſchen.
IP. 10, 173; 26, 149 ꝛc. Be-: Etwas b., betaſten,
um daran durchs Gefühl Etwas zu erkennen: Das
Huhn, den Puls b.; Den Kopf b. G. 6, 332; Sich die
Stirne (ſ. d.) b. W. 3, 172; Alles mit Augen b. JP. 53,
49. Dúrch-: 1) Etwas hindurch-f.; es fühlen,
indem man durch etwas davor Befindliches, es Ver-
deckendes hindurchdringt: Wer fühlte nicht in ſolchem
Lobe einen leiſen Tadel durch?; Diejenige [Poeſie], die nur
das Innere darſtellt . ., ohne das Äußere durch das Innere
d. zu laſſen. G. 3, 161 ꝛc. 2) Etwas mit dem Gefühl
allſeitig durchdringen, es erſchöpfend fühlen: Dann
traten mir alle meine Verbindungen vor die Seele, ich habe
ſie durchgedacht, durchgefühlt. G. 15, 261; Er muß die un-
endliche Leere in der Bruſt eines Tyrannen, das marternde
Mißtrauen d. (ſ. II). Herrig 16, 274. II. Durch-
(⏑–⏑) = I. 2: Die verwickelte Lage nicht durchdacht, ſon-
dern durchfühlt. König Kl. 2, 105; H. 16, 95, ſ. durch-
denken. Er-: fühlend erkennen, z. B.: Das Innere
e. Kerner 533. Férn-: ahnen, vgl. vor-f.: Wie es
die Eltern prophezeit und die himmliſche Mutter ferngefühlt.
Goltz 1, 51. Hêr-, Hín- ꝛc.: ſ. [2a] u. durch-f.,
z. B.: Fühl her, wie meine Wange glüht. Sch. 611a;
Der Blinde fühlt ſich zu mir her, zu ihm hin, durchs Ge-
wühl hindurch, in ſein Stübchen hinein ꝛc. Wenn
Einer alles Weſentliche von einem Gegenſtande heraus-
fühlt und nachahmt. Heinſe A. 1, 285; Stahr Par. 2, 249;
Daß wir . ., was in der Seele vorgeht, feiner herausfühlen
oder herausahnen als ihr. Zſchokke 1, 237. Fühlte die
Theilnahme aus der .. äußerlich ſtrengen Art, mit der der
Juſtizrath ihn examinierte, hinaus [heraus]. Gutzkow R.
8, 124. Ich fühle mich vollkommen hinein in Das,
was Sie denken. 4, 312; 3, 25; Ich fühle mich als Dieſen
[oder: Dieſer], bald als Jenen | hinein in dich [Natur].
Rückert 6, 342. Raphael’s Figuren ſind mit einer Quelle
von Leben hervorgefühlt. Heinſe A. 2, 10; Tiedge Ep. 1, 73
u. ä. m. Míſs-: falſch, irrig fühlen: Wer ſich auf
ſein Sprachgefühl beruft, muß wiſſen, daß er nicht mißfühlt,
nicht mißgefühlt hat ꝛc. Mít-: mit Einem fühlen,
Mitgefühl haben: Wie du auf einmal völlig abgeſchie-
den, | hier hinter dieſem Bollwerk der Natur, | mein König,
dich empfindeſt, fühl’ ich mit. G. 13, 230; Du willſt ihm
ſagen, wie du fühlſt und denkſt, und er wird mitdenken, wenn
auch nicht m. 18, 107 ꝛc. Nam. im Partic.: Ein zar-
tes, ein m–d Herz. 10, 284, und mit Dat.: M–d unſrer
Laſt und unſern Mängeln. H. 16, 172; A Meißner Gd. 88 ꝛc.
Nāch-: Etwas n., etwas ſchon Vergangnes in der
Nachwirkung verſpüren; Einem Etwas n., das von ihm
vorher Gefühlte, Vorgefühlte, gleichfalls fühlen, ſein
Gefühl in ſich aufnehmen, vgl. mit-f.; Einem Gegen-
ſtand n., mit dem Gefühl nachforſchen; Ein einziges Buch,
tief aufgenommen, dem Verfaſſer nachgefühlt und nachgelebt,
ſtiftet .. größere Umwälzungen. Gutzkow R. 7, 35; Sie
fühlte eine ſolche Erfahrung fremden Lebens wie ihre eigne
nach. 9, 164; Mit einer Gluth von Liebe, die Wenige nach-
her ihr auch nur nachzufühlen himmliſchen Feuers genug in
ihrem Herzen hatten. Jacobi Ir. 3, 126; Friedrich fühlte
dem Vater auch in dieſem Punkte nach. Lewald W. 1, 35;
Jeglichem Zeitgeſchick, | das ihm zu Theil ward, fühlteſt und
ſannſt du nach. Platen 2, 152; Der zuerſt ein Ganzes der
Fantaſie n–d zu faſſen und dies Gefühl in Worten auszu-
ſprechen wußte. Schlegel Muſ. 4, 179 ꝛc. I. Über-: bei
dem Fühlen Etwas nicht bemerken (ungw.): Eines
überſah oder überfühlte doch der Freund in ſeinem Beſtreben.
König Kl. 2, 322. II. Über-, refl.: ſich hinüber-
f., fühlend in Etwas hinüber verſetzen (ſelten): Rode-
rich ſchwieg, weil er ſich in ihre Seele überfühlte. LDiefenbach
Nov. 1, 262. Vōr-: 1) etwas Künftiges ahnend
vorausempfinden: Du haſt .. im engen Raum die Weite
vorgefühlt. G. 6, 108; O, wär’ ich doch gewürdigt,
nun für dich, | was dir am beſten frommte, vorzufüh-
len. 13, 344; Fühl’ es vor! du wirſt geſunden. 12, 5;
Vögel fühlen den Winter vor. Rückert (Wackernagel 2, 1562)
ꝛc. 2) in Bezug auf einen Nachfühlenden (ſ. nach-
f.). 3) Etwas durch das Gefühl als vorwiegend be-
merken: Das Volk fühlt ſich immer vor. G. 23, 52, macht
ſich immer im Vordergrund bemerklich. Vorāūs-:
vor-f. 1: Wie du .. deine Hand ihm reichteſt, | fühlt’ er
Alles voraus, | was ihm für Seligkeit | entgegen keimte. G.
2, 39; 29, 210 ꝛc. Wég-: Etwas durch das Ge-
fühl von einem Ggſtd. abziehn, abſtrahieren. Heinſe A.
2, 65. Wīēder-: tr.: Etwas wiederholt, aufs
Neue fühlen. refl. [2c]: wieder zu ſich, zu Be-
wuſſtſein kommen. L. 1, 142 u. o.