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faul
Fāūl, a.: 1) eigentl. in auflöſende Gärung ge-
rathen, von Flüſſigkeiten und von ſeſten Körpern, die
durch Einwirkung der Feuchtigkeit in Verweſung über-
gehn (ſ. Karmarſch 1, 749 ff.): F–es Waſſer, Fleiſch, Obſt,
Holz; F–er Käſe; Ein f–er Zahn; F–e Eier, Äpfel, Fiſche ꝛc.
a) auch von Dem, wodurch die auflöſende Gärung,
die Verweſung ſich bekundet: Ein f–er Geſchmack, Geruch;
Etwas ſchmeckt, riecht f.; Des Ahnenſtolzes f–en Dunſt | hat
edle Menſchlichkeit geläutert. Pſeffel Po. 3, 155. Dazu,
theilweis übertr.: b) F–e Fiſche = Lügen, Vorwände
ꝛc.: „Er ſpricht, es hab’ ein Anderer den Krug | vom Sims
geſtürzt.“ .. O f–e Fiſche! HvKleiſt zerbrKr. 61. Vgl.:
Biſt du gewiß, daß dir das Mädchen die Treu hält und nicht
f–e Fiſche backt? vHorn rhD. 2, 58; ferner: Das ſind von
den überreifen Früchten, die von dem Baume der böſen Er-
kenntnis ſo reichlich abfallen; Das ſind von den f–en Redens-
arten, zu denen ihr vergebens einen Käufer ſucht. Börne 2,
135 ꝛc. c) F–e Krankheiten (z. B. Forſter R. 1, 34),
in denen eine Fäulnis der Säfte eintritt, vgl. Faul-
fieber; F. im Leibe ſein, von mehrern Krankheiten nam.
bei Thieren, wobei ſich die flüſſigen und feſtweichen
Theile des Körpers auffallend ſchnell zerſetzen und auf-
löſen. S. Fäule (Falke Thierarzn. 1, 270) ꝛc.; auch:
F–e Ecken od. Mundwinkel ꝛc. Etwas iſt f. im Staate
Dänemark. Schlegel Haml. 1, 4. Den eigentlichen f–en
[kranken, wunden] Fleck nur ganz leiſe berühren. Fichte Nic.
59 u. o. F–es (wildes) Fleiſch, wie es ſich wuchernd
in Wunden erzeugt und, als die Heilung hindernd,
fortgeſchnitten werden muß. d) bergm.: Verwit-
terte Steine (f–er Fels, wie ſie ſagen). Kohl Alp. 3, 408;
1, 47; Derſelbe Granit . ., von einer Stelle, die leicht ver-
wittert. Die Arbeiter nennen ihn den f–en Gang. G. 40,
241 (ſ. feige 1); Daß der Marmor in der Gegend vom
obern Loch geſchwächt und gleichſam f. war. 29, 51; Ein
Gang wird f. genannt, wenn die Gangmaſſe aus Thon oder
Letten beſteht. Karmarſch 1, 164 ꝛc. Ahnlich: F–es
Eiſen, das durch überflüſſiges Glühn brüchig gewor-
den. e) zuw. = Nichts taugend, ſchlecht, unnütz:
Leſen die guten Fiſche in ein Gefäß zuſammen, aber die f–en
werfen ſie weg. Matth. 13, 48; Setzet entweder einen guten
Baum, ſo wird die Frucht gut, oder ſetzet einen f–en Baum,
ſo wird die Frucht f. 12, 33; 7, 17; F–es Geſchwätz.
Epheſ. 4, 29; Mit ſeinen blöden und f–en Argumenten.
Luther 1, 158b; Eine f–e, kalte, lahme Entſchuldigung. 8,
177b; 5, 164b; 6, 544b; Palea d. i. Spreier [Spreu]
oder f. Stroh. Fiſchart B. 51a ꝛc. Im Allgm. veralt.,
mundartl., ſ. Schmeller, Stalder ꝛc., doch z. B. noch: Je
fauler Strick, je größer Glück. Sprchw. [Die größten
Taugenichtſe haben das meiſte Glück.]; Für eine f–e,
böſe Schuld | Haberſtroh nimm mit Geduld (Schottel 912);
F–e Schuldner. Lichtwer 255 u. o. Vgl. auch ſeem.:
F–er oder ſchlechter Ankergrund. Bobrick 280a; F–e Küſte,
voll Klippen und Bänke, im Ggſtz. der geſunden.
448a; ferner: Auch ich war damals ein geſundes, ſchlankes
Bäumchen und bin itzt ein f–er, knorrichter Stamm. L. 12,
550 ꝛc. f) mundartl. = ſchmutzig, z. B.: F–e
Wäſche, Fäſſer ſ. Brem. Wörterb. 1, 462; Schütze 1, 341 ꝛc.,
ſo ſeem.: Das Schiff macht das Waſſer f., muddert es,
macht es trübe, indem es in der Fahrt den Grund be-
rührt. Bobrick 280a; 502a; Ein f–es Schiff, deſſen im
Waſſer befindlicher Theil mit Muſcheln und Gräſern
bewachſen iſt und deßhalb langſamer fährt. 280a.
g) durch Mangel an Bewegung in Stockung und Fäul-
nis gerathend: Däucht mir, mein Herzblut ſtehe f., | als
wie ein Sumpf. W. 20, 276; Ich fand dich . . . f–er als
einen Sumpf. Rückert Mak. 2, 120. Seem.: F–e
See, Windſtille (ſ. 2). 2) (ſ. 1g) ſich nicht von
der Stelle bewegend, rührend; der Arbeit abgeneigt:
Der Träge arbeitet langſam und mit Unluſt, der F–e, wo
möglich, gar nicht; Der F–e ſtirbt über ſeinen Wünſchen,
denn ſeine Hände wollen Nichts thun. Sprüche 21, 25; 19,
24; G. 3, 14; Wie Schnecken f. Beck Arm. 214; Ein
Burſch, den man ungeſchickt glaubte, weil er linkiſch war
und der wegen ſeiner Trägheit für f. galt. Chamiſſo 4, 229;
Im Dichten raſch, im Lobe f. G. 6, 167; Dieſem faulen
fleißigen Gewimmel, | dieſer arbeitsvollen Ruh. Sch. 6b ꝛc.
Sich auf die f–e Haut, Bärenhaut (ſ. d.), Seite legen,
ſich der Trägheit ergeben. Lewald W. 3, 210 u. o.
Oft mit der Verneinung zur Bezeichnung des Raſchen,
Eiligen: Der reiche Bruder war nicht f. [ſäumte nicht], |
die Klage zu erheben. Chamiſſo 3, 212; Waren nicht f. hin-
terdrein. Forſter Br. 2, 576; G. 25, 25; Sie, nicht f.,
ſprang auf mich los und gab mir eine Ohrfeige. 20, 70;
Gotthelf U. 2, 81; Der Bär, nicht f., ſucht ihn. L. 1, 124;
Müllner 2, 35; Sch. 107a; W. 11, 66; 81 u. v.
Mundartl. auch = ſchläfrig, müde. Schmeller.
3) übertr. zu 1 und 2: a) Der f–e (2) Knecht (auch:
Der F–en Knecht), Bez. eines Rechenbuchs, worin die
im gw. Leben vorkommenden Rechnungen ſich ausge-
rechnet finden, auch: Faullenzer, Faulknecht. Schmeler ꝛc.;
Ihren f–en Heinz. JP. 22, 77, ein chemiſcher Ofen, der
lange Zeit ohne Nachſchüren fortarbeitet ꝛc. F–e
Magd = Wachtelkönig, Rallus crex (an andern Orten
auch: Alter Knecht); ferner = Kuckucksblume, Lychnis
fos cuculi, auch f–e Hure, ſ. Weinhold, Friſch. F–e
Grete, Name mehrerer Pflanzen, des Sichelkrauts,
Sium falcaria, und des Gartenſchirlings, Aethusa
cynapium, aber auch der Baumwanze; F–e Rübe, die
Zaunrübe, Bryonia alba.
Anm. Schon goth. und ahd. ſtinkend, in Verweſung
übergegangen, ſ. Graff 3, 494, vgl. lat. put(r)eo, ſtinken,
verweſen, ebenſo gr. πc. Vielleicht urvwdt. mit feucht
(ahd. fûlu. fühti), inſofern die Feuchtigkeit die Fäulnis bewirkt.
Zſſtzg. zu 1 und 2 (vgl. Fäule, Zſſtzg.), z. B.:
Erz-: ſehr faul. Eſels-: wie ein Eſel. naael 1,
228. Ficken- [2]: nicht leicht in die Ficke, Tāſche
greifend, geizig, knauſerig. Grúnd-: im Grunde,
tieffaul. Kérn- [1]: roth-f., rothbrüchig, Forſtw.,
von Bäumen, im Kern oder Mark faul. Tſchudi 82,
258; Körner Schulm. 2, 122. Krāūt- [1d]: von
der Zimmerung im Bergbau, ganz vermorſcht. Lêſe-
[2]: wenig leſend. Zelter 2, 7. Māūl- [2]: wenig
ſprechend: Still und m. ſaßen wir. G. 1, 102; Immermann
12, 344; Platen 4, 246 ꝛc. Múnd-: maul-f. Scherr
Graz. 2, 251. Öber-: im höchſten Grade faul,
verrottet: Die Zuſtände ſind o., über-f. Rōth- [1]:
kern-f., rothbrüchig. Döbel 3, 59b. Schlāf-: ſchläf-
rig. Schlǟge- [2]: ſo faul, daß Schläge Nichts
mehr verfangen. Logau, ſ. L. 5, 341; Luther 8, 49a.
Schrēībe- [2]: ſ. Leſe-f. Über-: Ober-f.
Un-: veralt. Spate 444; Munter und un-f. Schaidenraißer
41b = ohne zu ſchlafen. Wérk- [2]: träge, ver-
droſſen zur Arbeit. Zelter 1, 398 u. ä. m.