Dorn
Dórn, m., –(e)s; –e, –en, Dörn-e, -er; Dörnchen,
lein (Mz. auch Dörnerchen); -, en-: 1) an den Sten-
geln von Gewächſen die hervorſtehnden ſpitzen Sta-
cheln. Die Botan. unterſch. den mit dem Jnnern des
Stengels in Verbindung ſtehnden D., als einen ver-
kümmerten Zweig, von dem nur auf der Haut befeſtig-
ten Stachel, doch wird dieſer Unterſch. im gw. Leben
oft nicht beobachtet: Keine Roſe ohne D–en (ſ. 2); Ro-
ſen-, Akacien-D. ꝛc.; Eh eure Dornen reif werden am Dorn-
ſtrauch. Pſ. 58, 10 (bei Opitz: Eh als noch eure Dörner ſte-
chen, | die um die Hagebutten ſtehn); Abſuchen die D–en und
Hacheln. Droyſen Ar. 3, 178; Du biſt wie ein Aſt voll Dörne,
der ſich dem Vorübergehenden anhängt, du ſchleppſt dich immer
mit. Geßner 4, 15; Das Leben ſtreut | Blum’ und Dorne
(ſ. 2). G. 6, 110; Die D–en [der Hecke] ſtachen. 27, 70;
„Meine Koſt wird ſtachlicht genug ſein.“ Du wirſt doch nicht
gar Dörner ſpeiſen. L. 3, 37; Roſe, die du muſſt in Dör-
nern ſterbend ſtehn. Mühlpforth 2, 36; Roſen, denen die
D–en eine Zier. Platen 1, 42 ꝛc. — 2) übertr., bildl.:
etwas Stechendes, Verwundendes, Schmerzen Erregen-
des: Ein D. in den Augen, im Auge. 4. Moſ. 33, 55; G.
9, 28; Kohl Irl. 2, 109; Stilling 4, 157 u. o.; Auf D–en
[Nadeln, ſ. 3] ſitzen, ſein. Gotthelf G. 285; 287 ꝛc., in
peinlicher Lage und Unruhe; Wie leicht vergiſſt, wer ſtill
beim nahen Ziele ſitzt, | die Dörner, die vielleicht, ihn auf dem
Weg geritzt. Cronegk 1, 314; Iſt D. den Augen, D. den
Sohlen. G. 12, 273; Den er als einen wahren D. im fürſt-
lichen Fleiſche betrachtet. Gutzkow R. 5, 251, etwas Unge-
höriges, Schwärendes, das fortgeſchafft werden muß,
vgl.: Pfahl im Fleiſche. 2. Kor. 12, 7; Im ſteilen Pfad,
wo Tugend D–en ſtreut. Haller 148; Des Kummers tiefer
D. 158; So iſt der beſte Stand mit D–en ausgeſetzt. Mühl-
pforth Gl. 11; Euch ... trifft meiner Rede D. Reithard 94;
Ihr eigenes Gewiſſen und die öffentliche Verachtung ſind ihr
D–s genug. Zſchokke 1, 148 ꝛc. — 3) übertr., vielfach
in techn. Anwendung, z. B.: a) Anat.: D., Dornfort-
ſatz, der ſpitzige, hervorragende Theil eines Knochens:
Bis zum 16ten Wirbel nehmen die D–en an Größe zu. Bur-
meiſter Gſch. 493 ꝛc., ſ. D.-Fiſch. — b) ebenſo auch die
ſpitzig zulaufenden Unebenheiten an der Schale eines
Weichthiers ꝛc. — c) in einigen Stutereien, die Ruthe
des Hengſtes. Friſch; ferner nam. bei Metallarbeitern ꝛc.,
ſo: d) (veralt.) Stecknadel. — e) der bewegliche Sta-
chel in Schnallen, die ,,Zunge“: An Riemen und Schnal-
len, an Gürteln und Haken, an Knöpfen und Dörnern. G.
31, 219 ꝛc. — f) ſpitz zulaufende Werkzeuge, Löcher in
Metall ꝛc. zu ſchlagen („Durchſchlag“), gebohrte zu
erweitern, Röhren darauf zu gießen, zu ſchmieden ꝛc.:
Kleinere Röhren aus Blei gießt man über einen D. Mitſcher—
lich 2, 2, 263; 229; Eiſendraht ſpiralförmig auf einen
Draht zu winden und durch Schweißung in ein zuſammen-
hängendes [Flinten-] Rohr zu vereinigen. Karmarſch 2, 77;
Zum Schmelzen bedient man ſich ... gußeiſerner Kolben, an
deren Boden ein ſtarker D. angegoſſen war. 1, 183; Die
Höhlung [einer Rakete] kann dadurch entſtehen, daß man ſie
über einen D. mittelſt hohler Stempel eintreibt. 779 ꝛc. —
g) ähnlich auch: an deutſchen Schlöſſern der in die
Schlüſſelröhre gehnde cylindriſche Stift; die in den
Griff oder das Heft gehnde Angel an Meſſern und De-
genklingen; die Angel der Thürhaſpe. — h) Die Zinn-
gießer nennen die D–en die beim Abdrehen hinderlichen kleinen
Eiſentheile im Zinn. Krünitz 9, 439; Die in dem Zinn ent-
haltenen ſtrengflüſſigeren Legierungen, die ſ. g. Dörner. Kar-
marſch 3, 682. — In manchen Fällen auch als Umdeu-
tung, z. B.: i) D., Dörnlein = Darrling (ſ. d.) und:
k) D.: ein bewegliches Blech über dem Schlüſſelloch
bei Vorlegeſchlöſſern (wohl als das drehbare, vom frz.
tourner) ꝛc. — 4) ein Gewächs, Strauch mit Dornen
= Dornbuſch, Dornſtrauch, — oft als wildes und
wüſtes Geſtrüpp, das auf Äckern den Wachsthum der
Frucht erſtickt, auch übertr., z. B.: Ob Dorn’ aus der
Seel’ ich tapferer reut’, ob | du aus dem Land. V. H. 2, 267;
D–en und Diſteln ſoll der Acker dir tragen. 1. Moſ. 3, 18;
Matth. 13, 7, auch: Durchdrang .. die pfadlos wildernden
D–e. V. Th. 13, 64, — ferner als Umzäunung. Sir. 28,
28; Mich. 7, 4; Ein Garten war umzäunt mit einem D–en-
Hage. | „Die böſen Dörner laß, o Vater, niederhaun!“ |
Der Vater läſſt .. nieder die D–en hauen. Rückert BE. 90
ꝛc. — ferner überh. von Dorngewächſen: Alle Arten von
Eichen, D–en, Weinreben. G. 30, 258; Die Schleh-D–e ...
Hauen die D–en weg. Kohl Südr. 2, 110; Datteln u. Dör-
ner. Rückert Mak. 2, 82; Die Sträucher und die D–e.
Schwab 283 ꝛc., nam. auch von Roſenſträuchern: Jene
Roſen waren D–en ..., ſind entblättert. Michaelis 263; Die
D–e ſah man .. voll ſüßer Roſen blühn. Mühlpforth Geiſtl.
5; D–en umblühn jetzt jeden Bergſchlund. Platen 2, 262;
Was zagſt du, Herz, in ſolchen Tagen, | wo ſelbſt die D–e
Roſen tragen? Uhland 51 ꝛc., auch hier zuw., nam. bei
ſchleſ. Dichtern: Dörner: z. B.: Nimm die Roſe von den
Dörnern. Czepko (Prutz Lit. Taſch. 2, 141); Wie der güld-
nen Roſen Zier | unter ſcharfen Dörnern blüht. Opitz 2, 17
ꝛc. — Dörnlein zuw. = Kornelle (ſ. d.). — Auch von
(abgeſchnittnen) Dornzweigen: Will ich euer Fleiſch mit
D–en zerdreſchen. Richt. 8, 7; Du [Chriſtus] färbſt die D–en
mit dem Blut. Mühlpforth Geiſtl. 29 ꝛc., z. B.: auch:
An den D–en des Gradierwerks ſetzt ſich der Dornſtein ab.
Mitſcherlich 2, 1, 72 ꝛc.
Anm. Außer den angegebnen und durch die Bſp. beleg-
ten Formen findet ſich auch zuw. das fem., z. B.: Wo Chriſtus
eine D. ſticht. Luther 1, 167b; Keine der Dornen. H. Zerſtr.
Bl. 4, 67, — in Mz. ohne Uml.: Unter den Dorneren
wallen. Schottel 847 und umgekehrt mit Uml.: Die Dör-
nen. Matth. 13, 7; 22. Mit Wecholderdörnen. Eppendorf
63 ꝛc. — Für die Mz. dürfte jetzt im Allgm. „Dornen“ als
die gw. Form in allen Bed. gelten (formell dem oben beleg-
ten ſeltnen Fem. entſprechend, wie „Dorne“ dem Masc.) und
„Dörner“ nur da, wo veceinzelt werden ſoll (ſ. † Er), wie
denn z. B. ſelbſt Adelung, der dieſe Form „nur im gemeinen
Leben üblich“ nennt, ſchreibt: Eine Hecke von Dornen, d.i.
von ſolchen Sträuchen, welche mit Dörnern bekleidet ſind
ꝛc. — D., goth. thaurnus, ahd., mhd, dorn, ſlaw. tern.
Zſſtzg. vielfach, abgeſehn von äußerlichen wie z. B.:
Wehmuthsdörner. Günther 234 ꝛc., — nam. die Arten v.
4 bez., z. B.: Än-: ſ. unter „A“, nach Friſch aus
lat. Cantherinum. — Bócks-: Astragalus traga-
canthus. Búchs-, Búr-: Rhamnus lycioides. —
Búrzel-: Tribulus. — Chríſt-: 1) Rhamnus
spina Christi, woraus Chriſti Dornenkrone geweſen
ſein ſoll. — 2) Rh. paliurus. — 3) Stechpalme. —
Eīs-: Art Seeſtern im Eismeer, Asterias glacialis. —
Eſſig-: Sauer-D. — Fárbe-: Rhaninus cathar-
ticus. — Fēūer-: Mespilus pyracantha. — Háff-:
Hippophaë. — Hāge-: Crathaegus oxycantha:
Den H. durchſauſt der Wind. B. 14a; Beim Roth der H–e
[Früchte]. V. 3, 202 ꝛc.; zuw. = Hageroſe, ſ. Hief-
D. — Héck-: 1) Hage-D. — 2) Schlee-D. —
Héff-: Hief-D. — Hēīnzerleins-: Hage-D. —
Hīēf-: Strauch der Hagebutte. — Hírſch-, Hírſe-:
Farbe-D. — Hūfeiſen- [3f]: die Löcher eines Huf-
eiſens zu öffnen. — Jūden-: Chriſt-D. — Krátz-:
Hage-D. — Krēūz-: 1) a) Farbe-D. — b) Berbe-
risſtaude. — c) Meer- od. See-K., Haff-D. — 2) [3g]
der in das Loch des Schlüſſels hineingehnde kreuzweis
angenietete längliche Cylinder. — Kúpfer- [3i]:
Seiger-D. — Lēīch-: Hühnerauge, hornartige,
ſchmerzhafte Verhärtung an den Zehen des menſchl.
Fußes: Leichdörner; Um der L. Willen. Kotzebue NSch. 10,
357; Ein engbeſchuhtes Mädchen, wenn ſie ſich eben die L.
beſchneidet. Muſäus M. 3, 53; Schlegel Sh. 1, 38; V. Sh.
3, 227 ꝛc. — Marīen-: 1) wilde Roſe. — 2) Mar-
ter-D. — Márter-: Rosa spinosissima. —
Mǟūſe-: Ruscus. — Mêhl-: Hage-D. — Myr-
then-: 1) Mäuſe-D. — 2) Stechpalme. — Pur-
gīēr-: Farbe-D. — Rōſen: wilde Roſe, auch [1]:
Da iſt am R. vor Luſt die Roſ’ entſprungen. Rückert W. 1,
252. — Sánd-: Haff-D. — Sálſen-, Sāūer-:
Berberisſtaude. — Schlēh(en)-: Brunusspinosa. —
Schōten-: Akacie. — Schwárz-: Schlee-D. mit
dunkeln Beeren, ſ. Weiß-D.: Knotige Keule von Sch.
[-Holz]. w. 9, 28. — Sēē-: Haff-D. — Sēīger-
[3i]: das auf dem Seigerherd am Ende des Seigerns
zurückbleibende Gemenge von Bleioryd und Kupfer-
orydul, die Seigerkrätze und Seigerdörner. Karmarſch 3,
317. — Sómmer-: 1) Leontodon taraxacum, die
bekannte gelbe Blume ohne Dorn, vielleicht wegen
der ausgezackten Blätter? — 2) eine Birnſorte. —
Stéch-: 1) Chriſt-D. — 2) Farbe-D. — 3) Haff-
D. — 4) Stechpalme. — 5) Stachelbeere. — Strō-
bel-: Artiſchocke. — Tēūfels-: Tribulus terrestris,
— Wáld-: Stechpalme. — Wêge-: Farbe-D. —
Wēīden-: Haff-D. — Wēīß-: Hage-D., ſ.
Schwarz-D. — Wínd-, Geſchwulſt von innrem
Beinfraß herrührend. — Zwīēſel-: Stechpalme. —
u. ä. m.
Work in progress
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