Ding
II. Ding, n., –(e)s; –e (veralt. und mundartl.):
Verſammlung, gerichtliche Verſammlung, Gericht und
das in ſolcher Verſammlung Verhandelte, Rechtsſache,
Prozeß, Streit, z. B.: D. und Gericht zu halten nach
Freiſtuhlsrecht. Immermann M. 4, 118; Kam ein Kerl, der der
Frohnbot hieß, von wegen des D–s droben unter den drei
Linden und ſagte, ich ſei geheiſchen und geladen zum Stuhl.
56; Ungehabt und ungeſtabt ſoll nach altdeutſchen Rechten
der Mann zu Ring und D. kommen. Jahn M. VIII; Ver-
nimm, o Richter, unſres D–s [Streits] Entfaltung. Rückert
Mak. 2, 172 ꝛc. S. Haltaus 227; Schmeller 1, 380 u.
nam. Brem. Wörterb. 1, 210 ff.; Friſch 1, 198, wo ſich
viele Zſſtzg. finden.
Anm. Die der Überſicht halber getrennten Bed. von
D. gehören dem Stamm nach wohl zuſammen. Grundbed.
ſcheint das Geſprochne, das Wort. — Daraus entwickelt ſich:
die Beſprechung, Verabredung, ſ. I. und Anm., nam. bedin-
gen ꝛc., ſo auch: D–s geben, nehmen (mundartl., veralt.).
Benecke 1, 333b; Schmeller 1, 379; Stalder 1, 284 = auf
Borg, laut Verabredung, laut eines Vertrags ꝛc. — Dann:
die Zuſammenkunft zur Beſprechung eines Ggſtds. von all-
gemeinem Intereſſe für die Zuſammenkommenden; der in ſol-
cher Verſammlung gefaßte Beſchluß, wie auch der Ggſtd. der
Berathung und allgm. (ſ. III) Das wovon die Rede war, iſt
oder ſein wird. Vgl.: Gemeiniglich führen dergl. Innungs-
abſchiede den Namen von Sprachen und Abreden und
ſind die Bauerſprachen, Bauergerichte, Heckenſprachen u. a.
bekannt. Möſer Osn. 1, 20. So auch: Morgenſprache ꝛc.
Vgl. ferner Sache, inſofern aus der Bed. „Rechtsſache“,
Gegenſtand der Anklage ꝛc. (Schmeller 3, 186 ff.) ſich die
allgem. entwickelt: Das, worum es ſich handelt, wovon die
Rede iſt ꝛc., wie man einen ähnlichen Entwicklungsgang im lat.
causa (Púceß; Sache mit den zugehörigen accusare ꝛc.) und
ital. cosa, frz. chose ꝛc. (nur = Sache, Ding) wahrnehmen
kann. — Annehmen darf man dabei vielleicht, wie zw. Sache
und ſagen, ſo auch einen Zuſammenhang zw. D. und denken
(ſ. d. 1e, wie denn in der Stelle: Im Anfang war das Wort.
Joh. 1, 1, bei Otfried Ding ſteht — vgl.: Dieſe Metaphyſik
hielt dafür, daß dieſe D–e und das Denken derſelben — wie
auch unſere Sprache eine Verwandtſchaft derſelben ausdrückt —
an und für ſich übereinſtimmen. Hegel Log. 1, 5). — Zu-
rückkommend aber auf unſre in II. abgeſonderte Bed. führen
wir noch Stellen an, wie: Zum Ting! zum Ting! der Bud-
ſtock geht | um Berg und Thal ... Bevor nur ſteht | die Kö-
nigswahl. Mohnike Fr. 99, ſ. G. 33, 289 ꝛc.; Bau-D.,
Verſammlung der Bauleute, d. h. aller Derer, die von einem
Gutsherrn Gründe in Pacht oder Stift hatten, an einem be-
ſtimmten Tage. Schmeller 1, 137; Burg-D., Burg-Geding,
ſtädtiſche Bürgerverſammlung. 198 u. a. m. (ſ. auch Twing).—
Von den vielen Zſſtzg. von D. oder Ge-d. (z. B.: Von uns
Geding’ und Satzung empfangen. B. 247b), im Sinne von
Gericht (das letztre auch = Appellation. Schmeller 1, 380
und 378 dingen 3) genügen hier wenige, z. B.: Bei-D.,
ein außer den gewöhnlichen Tagen abgehaltnes Gericht; in
der Mark Brandenb. früher auch = Civil- und Kriminal-
gericht. Friſch; Bot-D. auch Bodding, öffentliches, allgemei-
nes, vorher angekündigtes Gericht. Brem. Wörterb. 1, 125
(zuw. auch Acht-D.); Echt-D., öffentliches geſetzmäßig zu
beſtimmten Zeiten im Jahr abzuhaltendes Gericht. 287 vgl.
Schmeller 1, 5; Frei-D., Freigericht. Möſer Ph. 4, 195;
Gau-D., Göding. Osn. 1, 249; 261 ff.; Brem. Wörterb.
1, 211 ꝛc. Nam. beachte man Thēiding, entſtanden aus
Tageding, Anberaumung eines Tags zu einer Gerichtsverhand-
lung, Tagefahrt, Termin; die Gerichtsverhandlung; der Ver-
gleich (ſ. Brem. Wörterb. 1, 210 — 213; Schmeller 1, 428 ff.).
So: Nach der Th–s-Leute [Schiedsrichter] Erkennen. 2. Moſ.
21, 22; ferner = Rede, Geſchwätz: Giebt ſtolze Th–e für
mit Unverſtand. Hiob 35, 16; Mit ihren Lügen und loſen
Th–en. Jer. 23, 32; Ez. 22, 28; Sich wegwenden wie von
leeren Th–en. V. Ant. 1, 16; Die perſönlichen Th–e der
Voſſiana [Angelegenheiten]. 385 ꝛc. Nam. in der, Zſſtzg.:
Narre(n)-Th. = Narrengeſchwätz, Narrenpoſſen, z. B.:
Epheſ. 5, 4; Luther 8, 246. N. gedichtet. Tieck Nov. 6, 15;
V. Ar. 3, 205 u. o., auch in der Form Narretheidung
und verkürzt: Narrethei (ſ. d.). — Dazu: das Zeitw.
Theidingen mit mannigfach wechſelnden Formen u. Zſſtzg.,
wovon jetzt nam. ver-theidigen (ſ. d.) üblich iſt.
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