Faksimile 0306 | Seite 298
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Ding
II. Ding, n., –(e)s; –e (veralt. und mundartl.):
Versammlung, gerichtliche Versammlung, Gericht und das in solcher Versammlung Verhandelte, Rechtssache, Prozeß, Streit, z. B.: D. und Gericht zu halten nach Freistuhlsrecht. Immermann M. 4, 118; Kam ein Kerl, der der Frohnbot hieß, von wegen des D–s droben unter den drei Linden und sagte, ich sei geheischen und geladen zum Stuhl. 56; Ungehabt und ungestabt soll nach altdeutschen Rechten der Mann zu Ring und D. kommen. Jahn M. VIII; Vernimm, o Richter, unsres D–s [Streits] Entfaltung. Rückert Mak. 2, 172 etc. S. Haltaus 227; Schmeller 1, 380 u. nam. Brem. Wörterb. 1, 210 ff.; Frisch 1, 198, wo sich viele Zsstzg. finden.
Anm. Die der Übersicht halber getrennten Bed. von D. gehören dem Stamm nach wohl zusammen. Grundbed. scheint das Gesprochne, das Wort. Daraus entwickelt sich: die Besprechung, Verabredung, s. I. und Anm., nam. bedingen etc., so auch: D–s geben, nehmen (mundartl., veralt.). Benecke 1, 333b; Schmeller 1, 379; Stalder 1, 284 = auf Borg, laut Verabredung, laut eines Vertrags etc. Dann: die Zusammenkunft zur Besprechung eines Ggstds. von allgemeinem Interesse für die Zusammenkommenden; der in solcher Versammlung gefaßte Beschluß, wie auch der Ggstd. der Berathung und allgm. (s. III) Das wovon die Rede war, ist oder sein wird. Vgl.: Gemeiniglich führen dergl. Innungs- abschiede den Namen von Sprachen und Abreden und sind die Bauersprachen, Bauergerichte, Heckensprachen u. a. bekannt. Möser Osn. 1, 20. So auch: Morgensprache etc. Vgl. ferner Sache, insofern aus der Bed. „Rechtssache“, Gegenstand der Anklage etc. (Schmeller 3, 186 ff.) sich die allgem. entwickelt: Das, worum es sich handelt, wovon die Rede ist etc., wie man einen ähnlichen Entwicklungsgang im lat. causa (Púceß; Sache mit den zugehörigen accusare etc.) und ital. cosa, frz. chose etc. (nur = Sache, Ding) wahrnehmen kann. Annehmen darf man dabei vielleicht, wie zw. Sache und sagen, so auch einen Zusammenhang zw. D. und denken (s. d. 1e, wie denn in der Stelle: Im Anfang war das Wort. Joh. 1, 1, bei Otfried Ding steht vgl.: Diese Metaphysik hielt dafür, daß diese D–e und das Denken derselben wie auch unsere Sprache eine Verwandtschaft derselben ausdrückt an und für sich übereinstimmen. Hegel Log. 1, 5). Zurückkommend aber auf unsre in II. abgesonderte Bed. führen wir noch Stellen an, wie: Zum Ting! zum Ting! der Budstock geht | um Berg und Thal ... Bevor nur steht | die Königswahl. Mohnike Fr. 99, s. G. 33, 289 etc.; Bau-D., Versammlung der Bauleute, d. h. aller Derer, die von einem Gutsherrn Gründe in Pacht oder Stift hatten, an einem bestimmten Tage. Schmeller 1, 137; Burg-D., Burg-Geding, städtische Bürgerversammlung. 198 u. a. m. (s. auch Twing).— Von den vielen Zsstzg. von D. oder Ge-d. (z. B.: Von uns Geding’ und Satzung empfangen. B. 247b), im Sinne von Gericht (das letztre auch = Appellation. Schmeller 1, 380 und 378 dingen 3) genügen hier wenige, z. B.: Bei-D., ein außer den gewöhnlichen Tagen abgehaltnes Gericht; in der Mark Brandenb. früher auch = Civil- und Kriminalgericht. Frisch; Bot-D. auch Bodding, öffentliches, allgemeines, vorher angekündigtes Gericht. Brem. Wörterb. 1, 125 (zuw. auch Acht-D.); Echt-D., öffentliches gesetzmäßig zu bestimmten Zeiten im Jahr abzuhaltendes Gericht. 287 vgl. Schmeller 1, 5; Frei-D., Freigericht. Möser Ph. 4, 195; Gau-D., Göding. Osn. 1, 249; 261 ff.; Brem. Wörterb. 1, 211 etc. Nam. beachte man Thēiding, entstanden aus Tageding, Anberaumung eines Tags zu einer Gerichtsverhandlung, Tagefahrt, Termin; die Gerichtsverhandlung; der Vergleich (s. Brem. Wörterb. 1, 210 213; Schmeller 1, 428 ff.). So: Nach der Th–s-Leute [Schiedsrichter] Erkennen. 2. Mos. 21, 22; ferner = Rede, Geschwätz: Giebt stolze Th–e für mit Unverstand. Hiob 35, 16; Mit ihren Lügen und losen Th–en. Jer. 23, 32; Ez. 22, 28; Sich wegwenden wie von leeren Th–en. V. Ant. 1, 16; Die persönlichen Th–e der Vossiana [Angelegenheiten]. 385 etc. Nam. in der, Zsstzg.: Narre(n)-Th. = Narrengeschwätz, Narrenpossen, z. B.: Ephes. 5, 4; Luther 8, 246. N. gedichtet. Tieck Nov. 6, 15; V. Ar. 3, 205 u. o., auch in der Form Narretheidung und verkürzt: Narrethei (s. d.). Dazu: das Zeitw. Theidingen mit mannigfach wechselnden Formen u. Zsstzg., wovon jetzt nam. ver-theidigen (s. d.) üblich ist.