Faksimile 0240 | Seite 232
Faksimile 0240 | Seite 232
Faksimile 0240 | Seite 232
brüten
Brüten, intr. (haben) und tr.: 1) intr.: a) mit
ſchwüler Hitze auf Etwas ruhn: Jenen heißen Himmels-
ſtrich, wo die Sonne noch immer über unſäglichen Geheim-
niſſen brütet. G. 10, 15; Kohl 2, 220; Lewald Wandl. 4,
228; Paalzow Th. 1, 97; IP. 9, 257; 40, 17; Dumpf
b–de Kerkerluft. Platen 2, 196; Prutz Muſ. 1, 42; Scherr
Graz. 2, 275; Heiß brennt die Schlacht, | ſchwarz brütet
auf dem Heere die Nacht. Sch. 7a; Ein ſeltſamer Gram brü-
tet ſchwer auf deinem Geſichte. 186b ꝛc.; B. 404b ꝛc.
Übertr.: [Die Eller] brütet und ſchützt die Telchen [Zweige
der Eichen]. Möſer Ph. 1, 357. Auch meton., vgl.:
Daß die Sonne leiſer b–d | reift und ſchwellt den jungen
Wein. Kinkel 292, und —: Über den b–den Weinbergen.
Bettina 1, 73; Ein b–d Saatfeld für den Tag der Garben.
Claudius 1,77. b) namentl. von Vögeln (u. andern
Thieren), die von Bruthitze getrieben, auf den Eiern
ſitzen und den Keim darin zu Jungenentwickeln, meton.
auch von den Eiern ꝛc.: Daß der Adler ganze 30 Tage
über ſeinen Eiern brüte. L. 1, 156; Der Vogel iſt froh-
gemüthet, | wenn es da unten im Neſte brütet. G. 3, 11;
Straußeneier, die ſchon einige Zeit im Sande gebrütet ha-
ben ꝛc. Ungewöhnl. vom Igel. Jeſ. 34, 15 ꝛc. Übertr.:
Wo die alte Lüge brütet | auf der Unzucht Lotterbett. Ausw.
deutſcher Lieder 27; Wo b–d über Schätzen der grimme Faſner
lag. Simrock, ſie unabläſſig hütend, ſ. be-b. 2 ꝛc.
c) vom dumpfen Sinnen des erhitzten, unabläſſig ſich
mit einem Gegenſtand beſchäftigenden Gehirns: Er-
wachte aus ſeinem ſtillen B. Auerbach Ab. 184; Den b–den,
träumeriſchen Hamlet. Börne 1, 374; Er wüthete, brütete
früh und ſpat | und ſann auf ſchauerliche That. Chamiſſo 3,
288; 6, 247; 5, 218; Oft auch hat meine Einbildungs-
kraft umſonſt gebrütet, eine kleine Kunſt .. zu erfinden. Geßner
1, 82; Der tagaus, tagein in den todten Schätzen verſcholl-
ner Gottesgelahrtheit brütete. Kompert Pfl. 2, 175; Ein
tiefer Haß brütete in ſeiner Seele. Lewald Wandl. 4, 167;
2, 89; Nicht Zeit iſt’s mehr, zu b. und zu ſinnen ... Jetzt
muß gehandelt werden. Sch. 360a ꝛc. Abhängige Präp.
wie bei ſinnen: Er brütet Tag’ und Nächte auf Rache.
Chamiſſo 3, 336 ꝛc.; Der Menſch brütet über ein e Schand-
that. Börne 1, 362; B–d über ſein Geſchick. G. 30, 473;
Gutzkow R. 9, 128; 525; Hackländer Hdl. 2, 201; Kant 1,
180; 3, 249; Rötſcher Seydelm. 10, 23 ꝛc., noch häufiger
aber, nach Analogie von b, „über“ mit Dat., vgl.:
Ihm iſt ’was im Gemüth, worüber ſeine Schwermuth b–d
ſitzt, | und, wie ich ſorge, wird die Ausgeburt | gefährlich
ſein. Schlegel Haml. 3, 1; z. B.: Meine Einbildungskraft
brütete über der kleinen Welt [des Theaters]. G. 16, 19;
Über einem tiefverſteckten Anſchlag b–d. WHumboldt 3, 4;
Eſchenburg Sh. 508; Heinſe A. 1, 56; Immermann M. 1,
46; 247; Keller gH. 4, 473; Platen 7, 151; Prutz Muſ.
3, 91; Waldau Nat. 3, 253; W. 8, 263 u. ä. m.
2) tr.: entſprechend b und c. Etwas durch körper-
liches oder geiſtiges Brüten hervorbringen, u. zwar
nicht bloß: Einen bunten Kapaun mit gebrüteten Enten. V.
2, 4 (gewöhnl. aus-b.), ſondern auch meton.: Sie b.
Baſiliskeneier. Jeſ. 59, 5; Platen 4, 281 ꝛc. Eine Krank-
heit b., den Keim dazu in ſich tragen; Du brüteſt einen gräß-
lichen Entſchluß. MBeer Arr. 89; Was .. die ſchweigende Nacht
brütet. Börne 2, 488; Die mord-b–de Nacht. EichendorfLärm
34; So dachte er und brütete im Einſamen Verwüſtung durch die
Schöpfung und Elend unter die Menſchen. Geßner 1, 101;
Euch [Beeren] brütet der Mutter Sonne | Scheideblick. G.
1, 67; Alles, was ein Herz, von dieſen ſchwanger, brütet.
Haller 156; Aus dem dunkeln ſegen-b–en Schoße. Immer-
mann M. 1, 396; 3, 283; [Der Weſtwind] brütet ſchwel-
lende Knoſpen. Knebel 1, 4; Daß ſie einen Pfiff in ihrem
Kopfgroßbrüte. IP. 1, 14; Menſchen .., | die nur Neid
und Nebel b. Platen 2, 80; Brütete er dieſen Plan zur Reife.
Sch. 714a; 761b; Wie die ſchöpferiſche Wärme dieſes Him-
mels die unglückliche Wirkung hatte, die abſcheulichſten Ge-
burten der Tyrannei an das Licht zu b. 1040a; Unheil-b–de
Weiber. |V. Od. 11, 437; Mit dieſen himmel-b–den
Schwärmern. L. 7, 23 ꝛc.
Anm. Hauptbegriff die Wärme, vgl. Brudel, Brühen ꝛc.
Nbnf. ohne Uml. ſ. aus-b. Auch das mundartl. Hirn-B.
für Wahnſinn, mit dem Ew. hirnbrütig, raſend, dürfte
wohl hierhergehören, trotzdem was Adelung dagegen ſagt, vgl.
Benecke 1, 274 ff. und die Stellen bei Grimm 2, 378 für
entbretten = entzückt.
Zſſtzg, ſ. z. B.: Áb-: refl.: ſich brütend abmat-
ten. An-: tr.: zubrüten anfangen, Ggſtz. aus-b.:
Das iſt Weibergunſt! Erſt brütet ſie mit Mutterwärme un-
ſere liebſten Hoffnungen an, dann, gleich einer unbeſtändigen
Henne, verläſſt ſie das Neſt und übergiebt ihre ſchon keimende
Nachkommenſchaft dem Tode und der Verweſung. G. 9, 59;
Lenz Nat. 3, 5; IP. 1, 159; 21, 28; Riemer G. 2, 82 ꝛc.;
[Das] brütet väterliche Wärme an. FMüler F. 8 [erregt ſie].
Aūs-: 1) tr.: Eier a. Jerem. 17, 11 u. v., Nbnf.
ausbrüen. Hiob 39, 14; Fiſchart Garg. 29a; ausbr u ten.
Uhland 122; Weidner 361 ꝛc. Die von ihr [der Henne]
ausgebrütete Ente. Danzel 171; L. 1, 139; Den Wurm aus-
zubrüten. Sch. 195a; Die Freiheit brütet Koloſſe und Extre-
mitäten aus. 107a; Börne 2, 351; Der Wunſch, der in dir
ſelbſt unausgebrütet lag. H. 16, 126; Den Luxus, der ſie
[die Künſte] ausbrütete. W. 8, 189; Entwürfe auszubrü-
ten. 20, 294 ꝛc. 2) intr.: Das Huhn hat ausgebrütet,
zu Ende. Be-: tr.: auf, über Etwas brüten, eig.:
Inſtinkt der Henne, ihr Ei zu b., das heraus-gebrütete
Küchlein zu wärmen. Engel 1, 269. 2) übertr.: Der
Geiz bebrütet [bewacht] Gold. Haller 50; Wie ein trüber
Nebel die Erde bebrütet. Lohenſtein A. 1, 378 ꝛc. Da-
hín- [1c]: Unthätig, unwirkſam d–d. G. 18, 97.
Durch-: brütend, mit Brutwärme durchdringen:
Tiefer Groll durchbrütet ſeine Galle. Seume Gd. 184.
Er-: tr.: durch Brüten erzeugen: Die Mutterbiene in
eigner Zelle erbrütet ꝛc., auch z. B. [1c]: Es brütete das
Heldenhirn, | es konnte Nichts e. Blumauer 2, 197.
Herāūs-: ſ. be-b. Hín- [1c]: In ſtiller Andacht
h. Forſter Anſ. 1, 113; Starr vor ſich h. Gutzkow R. 5,
402; Ein unbeſtimmtes H. der Seele über einmal gewohn-
ten Empfindungen. WHumboldt 3, 207; Ausdruck von
dummer Hinbrütung. Seume Sp. 127 ꝛc. Hírn- [ſ.
Anm.]. Nāch- [1c] intr.: brütend nachſinnen: über
ihr vergangnes Leben n–d. Hackländer Stillfr. 1, 83; König
Kl. 3, 241. Über-: refl.: ſich brütend übermäßig
anſtrengen; auch: Wenn’s fieberhaft durchaus im Staate
wüthet | und Übel ſich in Übeln überbrütet. G. 12, 10 =
ſich im Erzeugten übertreffen. Um-: tr.: mit brü-
tender Hitze umgeben ꝛc.: Von ſtockenden Dünſten umbrü-
tet. Salis 90; V. Ov. 2, 40. Ver-: Der Bürger, wel-
cher [die Stunden] hinter dem Weinglaſe im Tabacksqualm
verbrütet. Keller gH. 1, 117 = in brütender Hitze ver-
bringt. Zuſámmen-: gemeinſchaftlich brüten;
auch: eng zuſammenwohnen, wodurch brütende Hitze
entſteht: Überhaupt .. wollen Koloniſten gleichſam z. Möſer
Ph. 1, 350 u. ä. m.