brüten
Brüten, intr. (haben) und tr.: 1) intr.: a) mit
ſchwüler Hitze auf Etwas ruhn: Jenen heißen Himmels-
ſtrich, wo die Sonne noch immer über unſäglichen Geheim-
niſſen brütet. G. 10, 15; Kohl 2, 220; Lewald Wandl. 4,
228; Paalzow Th. 1, 97; IP. 9, 257; 40, 17; Dumpf
b–de Kerkerluft. Platen 2, 196; Prutz Muſ. 1, 42; Scherr
Graz. 2, 275; Heiß brennt die Schlacht, | ſchwarz brütet
auf dem Heere die Nacht. Sch. 7a; Ein ſeltſamer Gram brü-
tet ſchwer auf deinem Geſichte. 186b ꝛc.; B. 404b ꝛc.
Übertr.: [Die Eller] brütet und ſchützt die Telchen [Zweige
der Eichen]. Möſer Ph. 1, 357. — Auch meton., vgl.:
Daß die Sonne leiſer b–d | reift und ſchwellt den jungen
Wein. Kinkel 292, und —: Über den b–den Weinbergen.
Bettina 1, 73; Ein b–d Saatfeld für den Tag der Garben.
Claudius 1,77. — b) namentl. von Vögeln (u. andern
Thieren), die von Bruthitze getrieben, auf den Eiern
ſitzen und den Keim darin zu Jungenentwickeln, meton.
auch von den Eiern ꝛc.: Daß der Adler ganze 30 Tage
über ſeinen Eiern brüte. L. 1, 156; Der Vogel iſt froh-
gemüthet, | wenn es da unten im Neſte brütet. G. 3, 11;
Straußeneier, die ſchon einige Zeit im Sande gebrütet ha-
ben ꝛc. Ungewöhnl. vom Igel. Jeſ. 34, 15 ꝛc. Übertr.:
Wo die alte Lüge brütet | auf der Unzucht Lotterbett. Ausw.
deutſcher Lieder 27; Wo b–d über Schätzen der grimme Faſner
lag. Simrock, ſie unabläſſig hütend, ſ. be-b. 2 ꝛc. —
c) vom dumpfen Sinnen des erhitzten, unabläſſig ſich
mit einem Gegenſtand beſchäftigenden Gehirns: Er-
wachte aus ſeinem ſtillen B. Auerbach Ab. 184; Den b–den,
träumeriſchen Hamlet. Börne 1, 374; Er wüthete, brütete
früh und ſpat | und ſann auf ſchauerliche That. Chamiſſo 3,
288; 6, 247; 5, 218; Oft auch hat meine Einbildungs-
kraft umſonſt gebrütet, eine kleine Kunſt .. zu erfinden. Geßner
1, 82; Der tagaus, tagein in den todten Schätzen verſcholl-
ner Gottesgelahrtheit brütete. Kompert Pfl. 2, 175; Ein
tiefer Haß brütete in ſeiner Seele. Lewald Wandl. 4, 167;
2, 89; Nicht Zeit iſt’s mehr, zu b. und zu ſinnen ... Jetzt
muß gehandelt werden. Sch. 360a ꝛc. — Abhängige Präp.
wie bei ſinnen: Er brütet Tag’ und Nächte auf Rache.
Chamiſſo 3, 336 ꝛc.; Der Menſch brütet über ein e Schand-
that. Börne 1, 362; B–d über ſein Geſchick. G. 30, 473;
Gutzkow R. 9, 128; 525; Hackländer Hdl. 2, 201; Kant 1,
180; 3, 249; Rötſcher Seydelm. 10, 23 ꝛc., noch häufiger
aber, nach Analogie von b, „über“ mit Dat., vgl.:
Ihm iſt ’was im Gemüth, worüber ſeine Schwermuth b–d
ſitzt, | und, wie ich ſorge, wird die Ausgeburt | gefährlich
ſein. Schlegel Haml. 3, 1; z. B.: Meine Einbildungskraft
brütete über der kleinen Welt [des Theaters]. G. 16, 19;
Über einem tiefverſteckten Anſchlag b–d. WHumboldt 3, 4;
Eſchenburg Sh. 508; Heinſe A. 1, 56; Immermann M. 1,
46; 247; Keller gH. 4, 473; Platen 7, 151; Prutz Muſ.
3, 91; Waldau Nat. 3, 253; W. 8, 263 u. ä. m. —
2) tr.: entſprechend b und c. Etwas durch — körper-
liches oder geiſtiges — Brüten hervorbringen, u. zwar
nicht bloß: Einen bunten Kapaun mit gebrüteten Enten. V.
2, 4 (gewöhnl. aus-b.), ſondern auch meton.: Sie b.
Baſiliskeneier. Jeſ. 59, 5; Platen 4, 281 ꝛc. — Eine Krank-
heit b., den Keim dazu in ſich tragen; Du brüteſt einen gräß-
lichen Entſchluß. MBeer Arr. 89; Was .. die ſchweigende Nacht
brütet. Börne 2, 488; Die mord-b–de Nacht. EichendorfLärm
34; So dachte er und brütete im Einſamen Verwüſtung durch die
Schöpfung und Elend unter die Menſchen. Geßner 1, 101;
Euch [Beeren] brütet der Mutter Sonne | Scheideblick. G.
1, 67; Alles, was ein Herz, von dieſen ſchwanger, brütet.
Haller 156; Aus dem dunkeln ſegen-b–en Schoße. Immer-
mann M. 1, 396; 3, 283; [Der Weſtwind] brütet ſchwel-
lende Knoſpen. Knebel 1, 4; Daß ſie einen Pfiff in ihrem
Kopfgroßbrüte. IP. 1, 14; Menſchen .., | die nur Neid
und Nebel b. Platen 2, 80; Brütete er dieſen Plan zur Reife.
Sch. 714a; 761b; Wie die ſchöpferiſche Wärme dieſes Him-
mels die unglückliche Wirkung hatte, die abſcheulichſten Ge-
burten der Tyrannei an das Licht zu b. 1040a; Unheil-b–de
Weiber. |V. Od. 11, 437; Mit dieſen himmel-b–den
Schwärmern. L. 7, 23 ꝛc.
Anm. Hauptbegriff die Wärme, vgl. Brudel, Brühen ꝛc.
Nbnf. ohne Uml. ſ. aus-b. — Auch das mundartl. Hirn-B.
für Wahnſinn, mit dem Ew. hirnbrütig, raſend, dürfte
wohl hierhergehören, trotzdem was Adelung dagegen ſagt, vgl.
Benecke 1, 274 ff. und die Stellen bei Grimm 2, 378 für
entbretten = entzückt.
Zſſtzg, ſ. z. B.: Áb-: refl.: ſich brütend abmat-
ten. — An-: tr.: zubrüten anfangen, Ggſtz. aus-b.:
Das iſt Weibergunſt! Erſt brütet ſie mit Mutterwärme un-
ſere liebſten Hoffnungen an, dann, gleich einer unbeſtändigen
Henne, verläſſt ſie das Neſt und übergiebt ihre ſchon keimende
Nachkommenſchaft dem Tode und der Verweſung. G. 9, 59;
Lenz Nat. 3, 5; IP. 1, 159; 21, 28; Riemer G. 2, 82 ꝛc.;
[Das] brütet väterliche Wärme an. FMüler F. 8 [erregt ſie].
— Aūs-: 1) tr.: Eier a. Jerem. 17, 11 u. v., Nbnf.
ausbrüen. Hiob 39, 14; Fiſchart Garg. 29a; ausbr u ten.
Uhland 122; Weidner 361 ꝛc. — Die von ihr [der Henne]
ausgebrütete Ente. Danzel 171; L. 1, 139; Den Wurm aus-
zubrüten. Sch. 195a; Die Freiheit brütet Koloſſe und Extre-
mitäten aus. 107a; Börne 2, 351; Der Wunſch, der in dir
ſelbſt unausgebrütet lag. H. 16, 126; Den Luxus, der ſie
[die Künſte] ausbrütete. W. 8, 189; Entwürfe auszubrü-
ten. 20, 294 ꝛc. — 2) intr.: Das Huhn hat ausgebrütet,
zu Ende. — Be-: tr.: auf, über Etwas brüten, eig.:
Inſtinkt der Henne, ihr Ei zu b., das heraus-gebrütete
Küchlein zu wärmen. Engel 1, 269. — 2) übertr.: Der
Geiz bebrütet [bewacht] Gold. Haller 50; Wie ein trüber
Nebel die Erde bebrütet. Lohenſtein A. 1, 378 ꝛc. — Da-
hín- [1c]: Unthätig, unwirkſam d–d. G. 18, 97. —
Durch-: brütend, mit Brutwärme durchdringen:
Tiefer Groll durchbrütet ſeine Galle. Seume Gd. 184. —
Er-: tr.: durch Brüten erzeugen: Die Mutterbiene in
eigner Zelle erbrütet ꝛc., auch z. B. [1c]: Es brütete das
Heldenhirn, | es konnte Nichts e. Blumauer 2, 197. —
Herāūs-: ſ. be-b. — Hín- [1c]: In ſtiller Andacht
h. Forſter Anſ. 1, 113; Starr vor ſich h. Gutzkow R. 5,
402; Ein unbeſtimmtes H. der Seele über einmal gewohn-
ten Empfindungen. WHumboldt 3, 207; Ausdruck von
dummer Hinbrütung. Seume Sp. 127 ꝛc. — Hírn- [ſ.
Anm.]. — Nāch- [1c] intr.: brütend nachſinnen: über
ihr vergangnes Leben n–d. Hackländer Stillfr. 1, 83; König
Kl. 3, 241. — Über-: refl.: ſich brütend übermäßig
anſtrengen; auch: Wenn’s fieberhaft durchaus im Staate
wüthet | und Übel ſich in Übeln überbrütet. G. 12, 10 =
ſich im Erzeugten übertreffen. — Um-: tr.: mit brü-
tender Hitze umgeben ꝛc.: Von ſtockenden Dünſten umbrü-
tet. Salis 90; V. Ov. 2, 40. — Ver-: Der Bürger, wel-
cher [die Stunden] hinter dem Weinglaſe im Tabacksqualm
verbrütet. Keller gH. 1, 117 = in brütender Hitze ver-
bringt. — Zuſámmen-: gemeinſchaftlich brüten;
auch: eng zuſammenwohnen, wodurch brütende Hitze
entſteht: Überhaupt .. wollen Koloniſten gleichſam z. Möſer
Ph. 1, 350 u. ä. m.
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