Faksimile 0224 | Seite 216
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Brille
Brílle, f.; –n; Brillchen; –n-: 1) zwei durch ein
Bügelgeſtell verbundne, auf die Naſe zu ſetzende Augen-
gläſer (vgl.: Lorgnette); a) Die B–n für Kurzſichtige
haben Hohl-, die für Fernſichtige Konvexgläſer; die ſogen.
Konſervations- oder Präſervations-B–n haben
Gläſer von großer Brennweite und meiſt von grüner Farbe;
die Staar-B–n für kranke Augen, zumal für ſolche, denen
der Staar geſtochen iſt, ſind auf beiden Seiten konvex, mit
einer auf der innern Seite eingeſchliffnen Pupille. Die
Gewohnheit, Annäherungs-B–n zu tragen. G. 18, 144;
Keine Bügel-B., ſondern .. ein einfacher ſogen. Naſen-
quetſcher [ſ. d.]. Gutzkow R. 5, 459; Hatſeine alte Klamm-
B. auf der Naſe. vHorn Schmj. 137; Klemm-B. Hart-
mann Unſt. 2, 206; Petz-B. OMüller Bürg. 197; Die
gute graue Muhme gafft | entzückt durch ihre Staaren-B. |
den ausgekramten Reichthum an. Pfeffel Po. 3, 56; Muß
ſie der B. des Philiſters ſtehn. Sch. 26a; Nach der verſch.
Einfaſſungauch wohl: Horn-, Stahl-, Silber-B. ꝛc.
b) in ſprchw. Redensarten, wobei namentl. auf die
vergrößernde Wirkung der Brillen (für Fernſichtige) u.
die gefärbten Gläſer geſehn iſt Daß es ein Blinder mit
Händen ſoll taſten und ohne ein Licht und Prill vernehmen
können. Fiſchart B. VIIb; Auch ohne Brill und Laterne er-
ſehen. Luther 5, 164b; Es gehörte auch keine beſonders ſcharfe
B. dazu, um Solches zu durchſchauen. Kinkel E. 134 ꝛc.
Setz die B–n auf die Naſen und ſiehe drauf. Luther 8,
277 u. v. Sieht Alles ... nur durch die gefärbte B. ih-
rer Eigenthümlichkeit. Danzel 458; Wi ſehn | die Dinge, welche
vor uns ſtehn, | oft durch die Farben unſrer B. Pfeffel Po. 3,
69; Das Herz beſtimmt der Dinge Werth, | an ihm ſchleift
Jeder ſeine B. 18; Durch die B. der Geiſtlichkeit ſieht er im
Kaiſer nur den Gottverfluchten. Roquette Hühn. 107; Ich
gaffte mit gefärbter B. | das Spiel der Schöpfung an. Thüm-
mel 1, 3 ꝛc.; Wer nicht eine Amts-B. aufhat, kann ſie [die
Beiſpiele] täglich ſelber ſehen. Auerbach Sch. V. 139; Du
ſcheinſt heute die Schreckens-B. aufgeſetzt zu haben, ...
welche Alles vergrößert und vergräßlicht. Scherr Graz. 2, 134;
Zauber-B. W. 11, 24 ꝛc., ſ. bebrillen. Einem B–n
aufſetzen, verkaufen (ihn betrügen). Schottel 1142a u. 0.;
Er möchte mir wie heißt doch die Redensart? er möchte
mir B–n verkaufen. Eben jetzt hat er da eine fertig, wovon er
glaubt, daß ſie mir unvergleichlich ſtehen müſſte, und da
kömmſt du nun und bitteſt .. ., daß ich die Naſe hinhalten
ſoll, um ſie mir aufſetzen zu laſſen. Engel 12, 72. Ver-
altet: B–n reißen (Poſſen). Franke Sprchw. 2, 91a ꝛc.
c) zuw. bebrillte Perſon: Die grüne B. ſchien ſich erkältet
zu haben. Gutzkow R. 4, 261. 2) übertr. auf Gegen-
ſtände von brillenartiger Form, z. B.: a) Trematoſau-
rus hat eine s förmige Furche an jeder Seite zwiſchen Naſen-
loch und Auge, aus deren Verein die ſogen. B. entſteht. Bur-
meiſter Gſch. 482, ſ.: B–n-Droſſel, -Schlange. b) ein zu
entwöhnenden Lämmern auf der Naſe zu befeſtigendes
Leder mit Stacheln; Scheuleder der Pferde ꝛc. Vgl.:
Alerander hätte ihm dieſe Brill [Stadt an ſeiner Grenze]
.. vor die Naſen geſetzt, ihn dadurch ſeines Beliebens zu be-
zwingen. Zinkgräf 1, 297. c) Befeſtig.: ein kleines
vorliegendes Feſtungswerk oder 2 kleine Halbmonde vor
der Grabenſchanze, auch Wall-B. d) Damſpiel:
zwei Steine, die, wenn der Gegner dazwiſchen zieht,
beide geſchlagen werden können. e) Hüttenw.: in
einem Brillofen, d. h. in einem Schachtofen mit zwei
wechſelweis abzuſtechenden Herden, dieſe beiden Herde.
f) Kochk.: ein gabelförmiger Knochen im Magen
der Geflügel. —g)Landwirthſch. (ſchwzr.): Deich-
ſel für 2 Ochſen. h) (ſ. Anm.) auch von einer
runden Offnung, wie z.B. im Sitz des heimlichen Ge-
machs: Ihro Excellenz auf der B. ſitzend. Dorow 1, 141;
kleines Fenſter in der Kuppel eines Gewölbes; der Ring,
in dem das Glas einer Taſchenuhr befeſtigt wird; ein
Ring von Eiſenblech zur Anfertigung der Kokes ꝛc.
Anm. Von dem barbariſch-lat. berillus, das außer dem
Edelſtein auch die B. bezeichnet. L. 11, 243; 414; Daher
veralt. m.: Durch einen falſchen Brill kucken. Schottel 117a;
Reichard Gart. 1, 37 ꝛc.; veralt. Nbnf.: Barille ꝛc.
Urſprüngl. nur ein Augenglas (ſ. 2h), daher ſich wie im Frz.
lunettes zuw. die Mz. ſtatt der Ez. findet. Mit Schlüſſeln
an der Seite, B–n auf der Naſe. G. 16, 30; Niebuhr
Nachgel. 127.
Zſſtzg. ſ. 1a; b u. 2c.