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blühen
Blühen, intr. (haben): in Blüthe, Flor, in fri-
ſchem Glanze, auf einer Stufe glänzender Entwicklung
ſich befinden: 1) recht eigentlich von Pflanzen, ſich in
der glänzenden Entwicklung befinden, die dem Anſetzen
der Frucht vorhergeht: Der Weinſtock, die Reben, der
Wein, der Mandelbaum, die Mandeln [ſ. Baum 2a],
Äpfel, Kirſchen, die Citronen, die Bohnen, Erbſen, die Bäume
b.; Gras blüht; Taub b., ohne Frucht anzuſetzen; Luſtig
dazwiſchen b–de | rothe und blaue Blumen. Heine Lied.
371; Roſen und Lilien, die daberblühn. Luther 5, 536a;
Am Fenſtergeſims . . . | blühn Hyacinth und Lack, Roſ’ und
Aurikel dem Lenz. V. 4, 28; Da blühten hell die Roſen |
und blühten über ſie [hinüber, ſie gleichſam in ein Blü-
thennetz einwebend, vgl. das rein örtl.: über ihr].
Volkslied. Das Gefilde wird b. Jeſ. 35, 1; Als Gar-
ten blüht’s im Sand. G. 6, 22; Eine herrliche Gegend
von Wäldern, Wieſen und Feldern, wie ſie im ſchönſten
Mai grünen und b. Stilling 2, 4. Zuweilen ſo auch
tr.: Einmal nur geſetzt, | blüht er [der Baum] in jedem
Lenz die neuen Blüthen. Schefer Laienb. 194. 2) übertr.
auf viele Dinge, die entweder an Glanz und Friſche
den Blumen oder deren Entwicklung dem Wachsthum
der Pflanzen verglichen wird, z. B.: Des Glaubens
Blume blühte kindlich dir. Chomiſſo 4, 196; Da ſprang die
ganze aufſchwellende Knoſpe entzwei, in der mir die Zeit in
duftenden Blättern auseinander b. ſollte. Tieck N. 3, 132;
Ich will Iſrael ein Thau ſein, daß er ſoll b. wie eine Roſe.
Hoſ. 14, 6; 8 u. a., ſ. das Folgende, worin wir der
Überſichtlichkeit halber trennen. 3) (ſ. 2) wie eine
Blüthe in friſchem Glanze ſtehn, glänzen, ſtrahlen,
funkeln ꝛc.: Wo der Sinn am herrlichſten blüht, da man-
gelt die Frucht der That. Börne 5, 2; Wem noch friſch das
Leben blüht. Chamiſſo 4, 229; Auf Eiſes Läng’ und Weite |
da blüht der Winter ſchön. G. 1, 18; Die Segel b. in dem
Hauche. 2, 59; Beſcheidenheit iſt fein, wenn das Mädchen
blüht. 4, 13; Sein Name wird noch blühn, wann, lange
ſchon verweht, | des Märters Aſche ſich in Wirbeln dreht.
Haller 80; Europens Diamant [die Kryſtallenblüthe] blüht
hier und wächſt zum Berge. 46; Der Olymp . . ., der ewig
jugendlich um alle Sinne dir blüht. Hölderlin H. 2, 101;
Über uns blüht die Wieſe des Himmels mit all ihren fun-
kelnden Blumen. 76; Der Venusſtern und ein Wald b. am
ſchönſten am Morgen und Abend. IP. 7, 165; Der Lenz
glüht unter dem Schnee . .. und blüht bis an die Wolken.
8, 240; Großer Abend! nur im Thale Tempe blüheſt du noch.
9, 217; Der heitre Tag, der ſchönſte Himmel blühte. 23,
80; Er blühte wie ein Reis von Schönheit und von Luſt.
Rückert Roſt. 68a; Das Verlangen blüht auf ſeinen Roſen-
wangen. 98a; Deſſen ſchöngeſtalte Glieder | droben im Olym-
pus blühn. Sch. 55b; Das Lächeln blühte auf der Wange.
24a; Phantaſien! Weh! ſie ſtarben ſchon im Morgenkeime, |
ewig nimmer an das Licht zu blühn [glänzend verwirklicht
hervorzutreten]. 5a; Als nun ſein Blumenlied auf ihren
Lippen blühte [in friſchem Glanzerſchien]. Voigts H. 316;
Dünn blühn die Spätling edles Samens [Wenige erſchie-
nen davon in ſtrahlendem Glanz]. V. 3, 9. 4) (ſ. 3)
in Bezug auf Farben bezeichnet b. eine hohe Intenſität
und ſtrahlenden Glanz ꝛc. und gilt ſo nam. vom Weiß
(vgl. Blüthenweiß), z. B.: Recht reine Wäſche blüht.
Weinhold; Auf dem Scheitel blüht mir es winterlich ſchon.
Kl. 2, 94; Der Alte mit b–dem Haupthaar. V. Luiſe 3, 2,
408, vgl.: Am hellen Nord, | wo Reif und Flocke blüht.
V. 4, 105; Der Nagel blüht, wenn ſich darauf ſogen.
Blumen, weiße Flecke oder Sternchen, zeigen, denen
der Volksglaube je nach den verſch. Fingern beſondere
Bed. zuſchreibt ꝛc. Ferner vom Roth (ſ. d. und vgl.
glühen): Schneeweißes Haar bedeckte ſeinen b–den [jugend-
friſchen] Kopf. Börne 2, 481; Wie blühend-roth der Abend
gegen Morgen zieht. IP. 9, 235; Wina’s Angeſicht blühte
voll zarter Morgenroſen. 28, 130; Sah immer froher ins
B. ſeiner Kohlen hinein. 57, 44; Am Heerde, deſſen Flam-
men fröhlich blühten. Rückert Mak. 1, 107; Es werden Mor-
gen blühn und Abendſterne blicken. Tiedge 2, 38; Noch blüht’s
um die Lippen ihm röthlich. V. Th. 15, 130; Eben ſo blüh-
ten | roth auf ſchneeiger Weiße die Wangen ihm. Bion 7,
18; Daß nicht die vorige Röthe | blüht auf deinem Geſicht.
Moſch. 4, 3 ꝛc., vgl.: So wird die Purpurfarbe b–d und
glänzend. G. 39, 39; 32 (ſ. 5 und Blüthe 1h).
5) ſtrahlen, glühen (ſ. 3 und 4): Da blühte und glühte
der Mai. Heine Rom. 83; Die Poeſie, welche in der Sym-
bolik des katholiſchen Dogmas und Kultus blüht und lodert.
Verm. 1, 104; Das verlaſſene nordiſche Herzklang und blühte
wieder. Reiſ. 3, 36; Wo ich auch bin, blüht dir mein Herze.
2, 302; Mein Alabanda blüht wie ein Bräutigam. Hölderlin
H. 2, 41 ꝛc. So auch: Da iſt mein Schatz wieder und
bluht [brennt mit blauer Flamme, als Zeichen für den
Schatzgräber] ſtärker als das Jahr zuvor . . . Nach ſeinem
letzten Ausſehen zu ſchließen, muß er heuerver-b. HKurz Weihn.
24ff. 6) Blüthen treiben, ſich wie eine Blüthe ent-
wickeln ꝛc.: Alte tiefe Wünſche der Bruſt ſtanden auf einmal
ausgewachſen da und blühten voll. IP. 26, 114; Im Früh-
ling komm’ ich und will mit euern Bergen b., wenn auch nur
mit meiner Nachſommerblüthe. HV. 47; Ich bin wirklich
ziemlich voll Tragknospen und hoffe zwiſchen Oſtern und
Pfingſten ganz paßlich zu b. Merck’s Br. 2, 128 ꝛc.
7) in friſcher Kraft, in üppiger Fülle, auf dem Gipfel,
Höhenpunkt der Entwicklung ſtehn, gedeihen ꝛc.: Vier
hoffnungsvolle Söhne blühten mir. Chamiſſo 4, 94; Der das
Reich . . . in übermäßiger Herrlichkeit vor ſich b. ſah. G. 39,
55; Eine herrlichere Lehre . .., als ſie jetzt unter uns blüht.
121; Wodurch der Staat geblüht? Haller 115; Wodurch die
Handlung blüht. ebd.; Sieh Freiheit und den güldnen Frieden
. . . blühn. 167; Der Zorn des Höchſten blüht [iſt auf ſei-
nem Gipfel, ſ. 8, auch 5]. Logau 3, 10, 87; An Kraft
und Jahren blühn. LHNicolai 1, 72; Geſegnet iſt dein Fleiß,
dein Glückſtand blüht. Sch. 519a; Wann er ein Jüngling
blüht. V. Od. 1, 41; Als jungfräulich ſie blüht (ſ. 3). 432;
Arkeſilaos, welcher wenige Jahre vor Diodor geblüht hat.
Winckelmann 274a ꝛc. 8) hervorkommen, vorbrechen,
hervorgehn, keimen, wachſen, ſprießen ꝛc.: bergm.:
Der Gang blüht zu Tage, das Erz geht zu Tage aus;
Wenn ... der Ausſatz blühet [vgl. ausſchlagen] in der
Haut und bedeckt die ganze Haut. 3. Moſ. 13, 12; Vernunft
fängt wieder an zu ſprechen | und Hoffnung wieder an zu
blühn. G. 11, 50; Thränen b. wieder aus meinen todten
Augen. Heine Reiſ. 2, 105; Neues Leben blüht aus den
Ruinen. Sch. 542b; Doch in der Liebe blüht für alle Schmer-
zen Troſt. FSchlegel Al. 37. Zumal oft mit beigefügter
Perſon (im Dat. oder als beſitzanz. Fw.), der das
Erwachſende, Erſtehende zu Theil wird, beſtimmt iſt,
der etwas Erfreuliches oder Unangenehmes bevorſteht:
Dir blüht das ſchönſte Glück. MBeer Arr. 15; Sehen nicht,
daß ihr Unglück auch vor der Thür blüht. Butſchky Kanzl.
362 (Fleming 104); Die Hoffnung blüht dem Dulder. Cha-
miſſo 4, 191; Und was dir blüht, ſogleich wird es veralten.
G. 4, 49; Wo nur dem Dichter reine Freude blüht. 11, 6;
Was blühte da ſeiner ehrgeizigen Tochter! Gutzkow R. 8, 133;
Jeder Segen, der mir blüht, | blüht mir ſchöner. Hagedorn 2,
49; Einem Gemüthe, wie dieſes war, ...blühte ... eine
ſchöne Freudenernte. Hebel 3, 399; Der Vorſchmack der Selig-
keit [iron.], die mir blühte. Sch. 120b; Wer weiß, was mir
nicht am Ende noch blühen könnte, wenn —. 649a; Dem Arreſt
auszuweichen, der ihm ... für den Raufhandel . . . blühte
[bevorſtand]. Spindler Stadt 1, 32; Mein Weizen [ſ. d.]
blüht ꝛc. 9) noch einige beſondere Anwendungen,
z. B.: Der gelbe Sandſtaub der Fichtenwälder, der jeden
Frühling die Oberfläche der Alpenſeen bedeckt. Die Alpen-
bewohner ſagen dann von ihren Seen: ſie b. Kohl A. 3, 125;
345; Das Waſſer blüht, wenn die Waſſerpflanzen b.
In den Schmelzhütten: Das Kupfer blüht, wenn es
beim Erkalten kleine Blaſen bekommt, was als Zeichen
ſeiner Reinheit gilt ꝛc. 10) nam. häufig iſt das
Partic. b–d in allen Bed. u. in Zſſtzg., z.B. eigentl.:
Die ſchönen b–den Pfirſiche. V. Br. 1, 304; Roth-b–de
Feuerbohnen. Lewald W. 1, 309; Ein roth-b–der Garten.
Heine Lied. 117; Weiß-b–de Gebüſche. Gutzkow R. 1, 267
ꝛc. Übertr. zumal im Sinn von friſch, glänzend, in
Flor ſtehnd ꝛc.: Wo die Sonne b–der leuchtet. Heine Reiſ.
2, 4; Sie macht ihn b–der mir, ſie lockt ihm das Haar ꝛc.
Hölderlin H. 2, 33; Ihr Ausſehn . .. ſchien jugendlicher und
b–der. FSchlegel Luc. 203; In dem b–dſten Lebensalter. Men-
delsſohn 4, 1, 49; Den b–dſten Zuſtand. Sch. 1030b; Die
b–dſte Jugend. 738a ꝛc. B–d heißt z. B.: ein Stil,
Ausdruck, Unſinn,Handel, Gewerbe, Geſchäft, ein Bild des
Lebens. MBeer Arr. 29; ein Geſicht. G. 13, 28; eine Stadt.
5, 11; ein hervorquellender Buſen. Heine Lut. 2, 177; eine
Fröhlichkeit. Keller gH. 3,317; ein Himmelsſtrich. Platen 4,284;
Augen. IP. 22, 82; Briefe. 23, 82; eine Seele. 3, 137;
Männer. Rückert Nal. 138; der Lenz. Sch. 497a; eine
Farbe. FSchlegel Flor. 23; Fett. V. Od. 13, 410 [reich-
lich] ꝛc. B–d an Herden zu ſein. Th. 25, 119 [reich] u.
v. m. Schließt ſie b–d den Kreis des Schönen. Sch.
491b; Nun ſtehen die Kuppen der Berge hell b–d im Roſen-
licht. Tieck Acc. 2, 237. Dazu: Unſre erſte all-b–de
Frühlingszeit. Chamiſſo 5, 96; So frühlingsfriſch, ſo mai-