Faksimile 0163 | Seite 155
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blättern Um-Blättern
Blä́ttern intr. (haben), tr. und refl.: 1) in einem
Buch, in Schriften ꝛc. die Blätter umſchlagen, zumal
um ſich flüchtig mit dem Inhalt bekannt zu machen:
In mancherlei Papieren b–d. Börne 2, 418; Jhn in die Zahl |
der Ungeblätterten [nicht geleſenen Schriftſteller] ſtellen.
G. 6, 67; Mochel’s Urne habe ich auch geleſen oder vielmehr
etlichemal hin und her geblättert, denn durchzuleſen war ich’s
nicht im Stande. Lav. 86; Ich blättre hin und wider. Haller
105; Er blätterte ... umher. Novalis 1, 86; Wir b. im
Romane unſres Lebens immer nur zuerſt nach den Kupfer-
ſtichen der Freude. IP. 31, 62 ꝛc. 2) = entblättern:
Seine Roſe blättert ſich. Sch. 1. 38 [,Seine Roſ’ entblättert
ſich“. 9b]; Der die Gipfel der Forſten blättert. Rückert Mak.
2, 18. Verſch. von blatten, nicht nur das ein-
zelne blattweiſe Abnehmen der Blätter zu beſtimmtem
Zweck ꝛc., ſondern auch das Fortraffen derſelben in
Maſſe bezeichnend: Der Herbſtwind blättert, entblättert den
Wald; Der Landmann blattet den Taback (ab), obgleich
Einzelne auch hier b., ab-b. (ſ. d.) anwenden. ſ. R.
3) zuw., doch ſelten als Ggſtz. von 2, Blätter ae-
winnen (vgl.: „Ent“ und köpfen). Sebitz 324. Hierher
mag das Ew. mit Participialform = blätterig 2 (ſ.
Vorſ. ,,Ge“) gezogen werden, z. B.: Die fein geblätterte
Ranunkel. Tieck Nov. Kr. 4, 87 ꝛc. 4) in dünne Schich-
ten, Blätter (ſich) theilen: Einen Kuchen b., Der Schiefer,
der Glimmer blättert (ſich) ꝛc. (ſ. ſchilfern), auch blätteln,
umblätteln. Schmeller. 5) mundartl. und veralt.:
Etwas blättert ſich, macht Schwierigkeiten. 6) dazu:
Blätterung, f.; –en.
Zſſtzg. z. B.: Áb-: 1) [2] ent-b.: Jtalien, das
ſchon viele Berge ſo kahl abgeholzt und abgeblättert hat, wie
ſeine Seidenwürmer einen Maulbeerbaum. Kohl A. 2, 110;
Wonach ... Staaten, wie Bäume, erſtarken, aufblüben, aus-
blühen, ſich a. ꝛc. IP. Dämm. 9; Ihre Bilder ſind nur zu-
geflogene Abblätterungen von der wirklichen Welt. IP. 4 1, 55;
Auch zuw. ſtatt abblatten: Das Gemüſe blättert ſie ab.
V. Ov. 2, 101. 2) [4]: Das Bleiweiß blättert vom
Holz ab. Mitſcherlich 2, 2, 245; Der von der Wand abge-
blätterte . .. Kalkanſtrich. Goltz 3, 293; Nach der Krankheit
blättert ſich die Haut abꝛc., ſ. abſchilfern. Āūf-: 1) [1]
blätternd aufſchlagen: Als ich das Buch aufblätterte, hin-
einſah. Börne 1, 182; Wie rauſchet die aufgeblätterte Welt-
karte mit langen Flüſſen! JP. 22, 236; Ähnlicher Kämpfe
wird ein Beleſener mehrere a. V. Myth. 1, 298. 2) [2]
die Blätter einer Knospe, Blume ꝛc. entfalten, öffnen,
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übertr.: Etwas in ähnlicher Weiſe entfalten, ausbrei-
ten: Es [das Lied] blättert uns die Seelen auf, | wie Oſt
und Weſt die Roſen. Beck Heim. 329; Nicht wie ein aufblät-
ternder Zephyr, ſondern wie ein ſchüttelnder Sturmwind. IP.
1, 8; Wie Gewächſe ... ſich in bunte Farben a. 39, 16;
Während ſeinem Ton ſich ſanft aufblätterten bebende Roſen.
Platen 2, 247 ꝛc. Āūs-: 1) [1]: Die erſten Seiten habe
ich geleſen, dann hab’ ich das Buch ausgeblättert. 2) [4]:
Daß der Salzgeiſt, der dieſe Steine durchdrungen hat, ſie, ſo
zu reden, nach ihren Adern ausgeblättert habe. Tournefort 1,
250 ꝛc. Be-: mit Blättern verſehn, Ggſtz. von
ent-b.: Merck’s Br. 1, 184 ꝛc.; Beblätterte Pfeiler. Kohl
Engl. 1, 111; Jeden Baum des Lebens ſoll mein Hauch b.
Rückert 1, 12. I. Durch-: tr.: 1) [1]: blätternd
durchſehn: Weil er den Telemach durchblättert [hat]. Börne
3, 2; Gar Manches hat man ſchon mir, als ich ſchlief, | durch-
blättert und entwendet. G. 13, 271; Chroniken zu d. L. 11,
497; Auch braucht man das alberne Buch nur zu d., um zu
ſehen ꝛc. W. 18, 118 ꝛc., ſ. II. 2) in Blätter theilen:
Die Keule der blatthörnigen Käfer iſt nach einer Seite hin
oder nach unten durchblättert. II. Dúrch- [1]: von
Anfang bis zu Ende blättern, ſ. I. 1: Fleißig blättr’ ich
die Alten mir durch. Geibel 193; Ich habe ſie aber nicht ge-
funden, ob ich gleich die Exemplare auf das ſorgfältigſte durch-
geblättert. G. Sch. 2, 31; Mehr durchgeblättert als gelefen.
L. 12, 37 ꝛc. In einzelnen Fällen iſt die Betonung un-
entſchieden, ſo im Infin. ohne ,,zu“ und bei abhängi-
gen Sätzen im Präſ. und Impf. Ent-: 1) [2]
Ggſtz. be-b.: Ein entblätterter Baum. G. 14, 138; Das
drohende Herannahen des e–den Herbſtes. Gutzkow R. 5, 266;
Entblättert ſich dir ſchon ſo früh der ſchöne Glaube? 6, 446;
Wenn ich erſt ſelbſt entblättert meiner Ehre Kranz. FSchlegel
Al. 42 ꝛc.; ſcherzh.: Und was entblättert nicht der Haare
Kräuſelei! Hagedorn 3, 162, von Büchern, deren Blätter
zum Haarkräuſeln ꝛc. verwendet werden. 2) die
Blätter auseinander falten, um hineinzuſehn ꝛc.; Hielt
ſie ſdie Briefe], dieſelben ſo weit als möglich e–d, gegen das
Licht. Lewald Ferd. 1, 118; Das nächtlich entblätterte [ent-
deckte, gelesne ] Geheimnis. König Kl. 2, 84. Er-:
1) auf-b., entfalten: In die jugendlichen Knoſpen ... hin-
einzublaſen, um ſie nur zu er-b. Gutzkow Blaſ. 1, 310.
2) [1] blätternd erwerben: Die oberflächliche aus dem Kon-
verſationslexikon erblätterte Bildung ꝛc. Hín-, Hêr- ꝛc.
[1]. Lōs-: 1) [4]. 2) vgl.: ab-b.: Da blätterte
los ſich vom Zweige | manche Roſe. G. 1, 253 ꝛc.
Tāge-: in Journalen ſchreiben, daran mitarbeiten,
korreſpondieren, z. B.: Arndt E. 189. I. Über-:
1) blätternd Etwas oberflächlich anſehn, durchzählen ꝛc.:
Der Schauſpieler hat ſeine Rolle zur Leſeprobe nur überblät-
tert, oder übergeblättert. 2) Etwas beim Blättern
überſehn, unbeachtet laſſen: blätternd überſchlagen.
Eichendorff Phil. 156. 3) Etwas mit Blättern über-
decken: Die Schamtheile an den Bildſäulen werden über-
blättert (überblattet). Campe. II. Ǖber-: ſ.I. 1.
I. Úm-: 1) blätternd umſchlagen, das Blatt umwen-
den: Man würde um-b. [die Stelle überſchlagen], wenn
er redet. Sch. 102b; G. 18, 242 ꝛc.; ſeltner = durch-b.:
Er muß ſein Land .. ſtudieren, es um-b. und röthen, wie der
Gelehrte ein Buch. Alexis Hoſ. 2, 1, 110. 2) ſ. [4].
II. Um-: tr.: blätternd umgeben (ſelten): In der zit-
ternden Hülſe, die rauſchende Welten um-b. Baggeſen 2, 25.
Umhêr- [1]. Ver- beim Blättern verſchlagen,
z. B.: Eine Stelle im Buch ꝛc. Vorbēī-: beim
Blättern Etwas vorbeigehn, überſchlagen: Ich blätterte
und blätterte alle Briefe vorbei, die nicht von der Königin
waren. Thümmel 5, 147. Wóchen-: vgl. Tage-b.
Zer-: 1) [2] Dieſe Blumen zu z. Tieck Nov. 5, 116 =
blätternd zerſtören. 2) [4]: Der Kuchen zerblättert ſich,
zerfällt in Blätter. Zurück-: tr. und intr.: blät-
ternd in einem Buche zurückſchlagen, zuw. auch: Das
ſſchlechtgebundene] Buch blättert zurück. ſ. Karmarſch 1, 384 ꝛc.;
Das Heft wird zurückgeblättert und das alte Lied wiederum
abgeplärrt. Börne 3, 349; 4, 16 ꝛc.