Faksimile 0155 | Seite 147
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bitter
IV. Bitter, a.: 1) beißend, ſchneidend, ſcharf:
B–e Kälte. Arndt E. 178; Der Himmel iſt wild und b. der
Wind. Freiligrath Pol. 2, 78; Der b–e Froſt. Hebel 3, 4;
S iſt b. kalt. Schlegel Haml. 1, 1 ꝛc. 2) gewöhnl. vom
Geſchmack, eine eigenthümliche, dem Süßen entgegen-
geſetzte, doch z. B. vom Atzenden, Barſchen, Beißen-
den, Herben, Salzigen, Sauren, Scharfen ꝛc. weſent-
lich verſchiedene Empfindung erregend, vgl.: b.-ſüß,
-ſauer ꝛc.: B–e Mandeln; B–es Bier; Bittre Arznei;
Wenn die Maus ſatt iſt, ſchmeckt das Mehl b.; Süß wie
Honigſeim, aber hernach b. wie Wermuth. Bibel; Voll b–er
Galle. ebd.; Jhre Liebe verwandelte ſich in b–e Galle und
eſſigſauren Haß. Tieck A. 1, 266; Man verſchluckte die bittre
Pille [unangenehme Wahrheit ſ. 3]. Klinger F. 100.
3) übertr.: a) das Gefühl empfindlich verletzend, krän-
kend ꝛc.: Bittre Worte. Bibel; Wenn nicht der b–e Angriff
eine ebenſo b–e Vertheidigung hervorgelockt. Alexis H. 1, 1,
61; B. tadeln. Börne 2, 447; Die b–ſten Vorwürfe. Cha-
miſſo 4, 254; Es war ein ſtummer Blick | ein bittrer Vor-
wurf ihr. G. 13, 26; Kann es uns dann b. eintränken. Heine
Reiſ. 3, 6; Was Sie mir ſo gut und freundſchaftlich vor-
werfen, habe ich mir ſchon manchmal ſehr b. voraeworfen;
aber es ſei nun, daß die eigene B–keit gegen ſich ſelbſt eben
ſo b. nicht iſt ꝛc. L. 12, 517; Zur Härte fügt ihr noch den
b–n Hohn. Sch. 406b ꝛc. b) für das Gefühl quälend,
drückend, peinigend, beengend, ſchmerzlich, Schmerz
und Qual bereitend: Daß ein ſolches Weib bittrer ſei als
der Tod. Bibel; Das ſoll ihm bittrer ſein. B. 146a; B–es
Weh. Chamiſſo 4, 323; Bittres Elend. 123; Bittre Noth.
6, 71; Von bittrer Luſt und Schmerzen übermannt. 3, 115;
Wie b. die ſchmerzliche Flucht ſei. G. 5, 8; Bittrer Tod. 11,
199; Die doch bittre Schere [der Parzen]. 2, 50; Ihren
nagenden innern Vorwurf, ihre bittre Reuc. Gutzkow R. 5,
163; Wie oft, wie b. oft | bedrängten dich des Nordens
Barbarinnen. Heine Lied. 345; Die ſüße Qual .., die bittre
Wonne. Rom. 41; Du Bringer bittrer Schmerzen. Sch.
544b; Es geht Einem .. b. ein. Thümmel 5, 14; Nun
ſchwur er mir alles B–e und Böſe. Tieck N. 5, 296; Das
war ihm b. und leid genug. Uhland 383; In b–er Verlegen-
heit. Zſchokke 1, 323 ꝛc. c) von Bitterkeit erfüllt,
d. h. ſowohl von bittrem Leid, z. B.: Nun öffne dich,
betrübtes Herz, und ihr, ihr b–n Lippen! WMüller Ngr. 2,
53, als auch von bittern, beengenden Gefühlen des
Haſſes, Neides ꝛc., ſei es, daß man ſich verletzt fühlt
oder Andre zu verletzen trachtet (ſ. a): Kein Zorn ſo b.
als der Frauen Zorn. Bibel; Ein b. Menſch trachtet
Böſes zu thun. Spr. 17, 11; Offenbart damit ſein häſſiges,
b–s, giftiges Herz. Luther 6, 8b; O Gott! hier fühl’ ich,|
daß ich b. werde. Sch. 246b; Ein bittres [verbittertes] Ge-
müth; Der b–e Zorn. V. Th. 1, 18; B–en Groll in der
Seele. 96; Ein b–er Tadel, ſowohl in Bezug auf den
dadurch Verletzten, als auf den Verletzenden ꝛc.
d) durch Bittres, d. h. durch Quälendes, Drückendes,
Schmerzliches ꝛc. hervorgerufen, erzeugt, z. B.: B–e
Klage. 1. Moſ. 50, 10; Der b–e Schweiß der ewig drängen-
den Arbeit. G. 5, 85; B–e Thränen; B. weinen ꝛc., vgl.
als Ggſtz.: Und Thränen fließen gar ſo ſüß, | erleichtern
mir das Herz. G. 1, 65; alſo nicht wie Grimm 2, 54
meint = ſalzig; u. ä. m. e) dies geht über in den
Begriff des tief Empfundnen, vgl. noch: Bittre Reue
(b); Die b–ſte Verzweiflung. FSchlegel Luc. 131 ꝛc. Na-
mentl. aber auch: Alles b–ſter, heiligſter Ernſt. Arndt Erinn.
182; Es iſt dem guten Kerl gar zu b. ernſt, als daß er Spaß
verſtehen könnte. Merck’s Br. 2, 74; Es iſt ihm ernſt und b.
Luther 3, 302 ꝛc. 4) nicht b., = nicht übel, ange-
nehm; Wohlgefallen, Behagen erweckend: Zwar die
vierundzwanzig Ritter | ehren wir in allen Fällen; | doch
auch Fräulein ſind nicht b. G. 6, 35; Dachte, Das lautet
nicht b. Hebel 3, 302; Die Märchen ſind hübſch, doch .. das
ihre war auch nicht b. W. 15, 26 ꝛc. 5) als Hauptw.:
a) nentr.: Sie machte alle Jahr ein B–s für den Magen.
Möſer 1, 124 (ſ. Bitter III); Durch Wermuth wird das
Bittre nicht verſüßt. Chamiſſo 4, 163; Nicht kurz ſind unſre
Leiden, | denn wir haben das Bittre der ſämmtlichen Jahre
getrunken. G. 5, 52. b) als masc. ſelten = der Er-
bitterte, Verbitterte, dagegen oft ellipt. = bittrer
Schnaps (ſ. Bitter III): Ließ ſich einen B–n einſchenken
ꝛc. 6) mundartl.: Einem nicht das B–ſte [= nicht
das Geringſte] gönnen ꝛc. Brem. Wörterb., entweder zu
„Bischen“ gehörig, vgl. z. B. in der Schifferſpr.:
Bitter-Enden, kurze Stücke, Enden von alten Tauen,
oder ſonſt vielleicht zu erklären: nicht einmal das B–ſte,
das Schlechteſte.
Anm. Goth. baitrs: ahd. bittar; mhd. bitter, wohl
zu „beißen“, ſ. d. u. vgl. barſch. Formen in denen viele
„r“ zuſammenſtoßen werden als hart meiſt vermieden, vgl.
Sanders Orth. 95 und z. B.: Ein bitter Menſch. Spr. 17,
11; Eine etwas bittere und menſchenfeindlichere Wendung ..
als noch niemals. Forſter Br. 1, 382.
Zſſtzg. leicht zu mehren nach den folgenden, z. B.:
z 9.
Án-: mundartl., ein wenig bitter. Frǖhlings-:
So f., ſo düfte-ahnend hauchte das Knöſpchen ſeinen Athem
aus. Tieck NKr. 4, 182 ſſo bitter wie die Knospen im
Frühling]. Gáll-: bitter wie Galle, ſehr bitter:
Jenen trüben .. a–n Sat. Sendelmann 289; Mit gallebit-
term Undank belohnt. Tieck NKr. 3, 27; Gallenbitter war |
die ſchöne Frucht. . 20, 195, auch wohl weiden-,
höll-b. (Frommann 1, 230) ꝛc. Grímm-: Palleske
Sch. 1, 176 = grimmig-b. Hópfen-: bitter von
Hopfen: Ein h–es Bier. Schmérzens- [3d]:
Thränen weint er, ſchmerzensbittre Tbränen. Talvj 2, 248;
Sagen ſich gar ſchmerzensbittre Worte. 287, u. ä. m.