Faksimile 0121 | Seite 113
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beizen
Bēīzen, tr.: urſprüngl. Nbnf. zu Beißen, zumal
im faktitiven Sinn: 1) = Beißen, ſ. d. 6, ohne Ob-
jekt: Ein Salz, das in die Augen beizet. Günther; am häu-
figſten im Partic.: B–d = ſcharf einwirkend, vgl.
barſch: Verbrennt ſein Blut durch b–de Liköre. IDFalk 11;
Ein b–der Tobak. G.11, 36; Nicht mit gemeinem, ſondern b–dem
Koth beſudelt. 23, 106; Würzte .., was er ſagte, mit b–den
Ingredienzien. 20, 149; Farbige Stoffe, welche auch die b–de
Dauer mit ſich führen. 39, 7; Die brennende Sonne, der
b–de Schnee. 10, 63; Mit dem b–den Sturm. 2, 52;
Über b–den Reif. Stein, 1, 68; B–den Rheinweins. Thüm-
mel 1, 11. 2) (ſ. 1) mit Obj., die Einwirkung von
etwas Scharfem, Atzendem, Beißendem darauf bez.:
Während Andere .. der Eſſig des deutſchen Liberalismus, in
dem ſie eine Weile gelegen, ſo mürbe gebeizt hat (ſ. 4).
Börne [beizend mürbe gemacht]; Wenn er [der Feuer-
ſtank] nicht .. uns zum zweiten Male beizte. G.; Aufdampfen
ſoll’s und qualmen, daß euch’s die Augen beizt. Uhland; Was
würdeſt du für gebeizte Augen machen. Gutzkow; Die aus-
genommen, die ihm ähnlich waren, ritzten und beizten die
Andern .. ſein Jnneres .. mit ihren Tiſchreden. IP. ꝛc.
3) (ſ. 1 und 2) faktitiv, Etwas b., etwas Scharfes ꝛc.
darauf einwirken laſſen, zu beſtimmtem Zweck: Köche
b. Fleiſch in oder mit Eſſig ꝛc., um es mürbe zu machen ꝛc.;
Er wäſſert mir das Maul, wie ein gebeizter Haſe. G. 7, 84;
Die Färber und Kattundrucker b. die Zeuge mit verſchiedenen
Subſtanzen, um die Farbeſtoffe ſo auf den Zeugen zu be-
feſtigen, daß ſie der Wäſche widerſtehn; Tiſchler, Drechs-
ler ꝛc. Holz, Knochen ꝛc. mit verſchiednen Stoffen, um ſie
dauerhaft zu färben; Gärber, Kürſchner ꝛc. Felle mit einer
aus Salz, Kalk und Waſſer beſtehenden Brühe, um ſie gar
zu machen ꝛc.; Beizt man ein ſolches Gemenge mit Säuren,
ſo wird Stahl und Eiſen ungleich angegriffen. Mitſcherlich ꝛc.
4) Im Paſſiv ſind natürlich die Bed. 2 und 3 nicht
immer zu trennen, z. B.: Fliegenſchwämm’ in Toffana ge-
beizt. V. 2, 142; Der mit Gift gebeizte Samen. Ov. 2, 15;
Gleich den Blättern .. vom herbſtlichen Nebel gebeizt. W.
15, 101; Bei Mädchen, die durch Liebesunglück gebeizt ſind,
wird ein Heirathsvorſchlag bald gar. G. 9, 70 ꝛc. Man
beachte Wendungen (ſ. 2) wie: Etwas mürbe, weich, gar,
braun b. = durch B. mürbe ꝛc. machen, und dazu:
Braun- (Mügge Afraja 60; Gutzkow R. 9, 53), gelb- (5,
142), ſchwarz-gebeizt (Ramler F. 2, 534) ꝛc. 5) Weidm.:
B. = beißen, anbeißen, machen, ködern, locken, kir-
ren: Hätte man ſie [die Adler] an einem anderen Ort
fleißig gebeizt, ſo würde man ſie wahrſcheinlich auch dahin
haben gewöhnen können. Kohl A. 1, 125; Wir b. dann am
Boden. ebd.; Tſchudi Th. 336; Da ihnen nicht gebeizt wird.
Derſ. 337, 346; B. Aas. 350 [gebrauchen dies als Kö-
der] ꝛc. Übertr.: Da hatte mir der Teufel bereits Etwas
gebeizt. Gotthelf 5, 61; Dem Affen gleich, dem man in einer
Flaſche Nüſſe beizt. U. 2, 4 [damit anlockt und fängt];
Da iſt er [der Teufel] und beizt eine Anrichte [macht Einem
einen Köder zurecht], daß Einer ſein Lebtag genug daran
hat. Sch. 17; Wie grob und wie fein man es ſeinem Nachbar
zu b. verſteht, daß er .. rühmen .. muß, er mag wollen oder
nicht. 115 [ihm den Anreiz dazu geben]; Wenn ihn der
arge Feind will b., | zu den Sünden locken und reizen. HSachs
4, 1, 98a. 6) Weidm.: von den zur Jagd abge-
richteten Vögeln, beißend jagen; Den Reiher wollt’ ich
[Falke] b. Freiligrath 1, 83; Der gierige Sperber, geübt das
kleine Gefieder zu b. Muſäus M. 3, 49; Rückert BE. 48 ꝛc.
Gewöhnl. aber auch hier faktitiv von dem Jäger =
beißen laſſen, wobei dann ſowohl der gejagte als der
jagende Vogel als Obj. erſcheinen kann, vgl. den dop-
pelten Accuſ. in der Wendung: Ich laſſe meinen Falken
den Reiher beißen, und: Ich laſſe meinen Falken auf den
Reiher, oder: den Reiher mit meinem Falken; z. B.: Es
werden oft zwei Falken auf einen Reiher gebeizet. Fleming;
Mit dieſem Vogel .. pfleget man .. Haſen und Reiher zu
peizen. Derſ.; Wenn man nicht Falken (keinen Kauzen) hat,
muß man mit Eulen b. Sprchw.; Wer drohet, der beizt
mit einem todten Falken. Sprchw.; Sie müſſten mit dem
Kaiſer wie mit einem todten Falken b. Luther 8, 249b [ihn
als Drohung, Popanz gebrauchen] ꝛc.
Anm. S. beißen und vgl. heiß und heizen, Hitze; reißen,
ritzen, reizen ꝛc. Veralt. auch beißen ſtatt b. 6, z.B.: Moſche-
roſch Geſ. 2, 73; 147 ꝛc., vgl. umgekehrt Bitz als veralt.
Nbnf. zu Biß. Zu 5 vgl. engl. bait, locken, ködern, viel-
leicht auch zu 6 mhd. beizen, niederſteigen (vgl. frz. baisser,
bas, niedrig), ſ. erbeißen.
Zſſtzg. vgl. beißen und ätzen, z. B.: Áb- [3]:
Die Haare von den Fellen, die Felle a.; Gegoſſene Eiſenwaa-
ren a., auch abbrennen ꝛc. An-: 1) übertr.: Wie
tief ich vom Kloſterintereſſe angebeizt worden. König Leb. 1,
41; [3] ein wenig beizen, zu beizen anfangen. Karmarſch
1, 743; 759 ꝛc. 2) [5] anködern, anlocken.
Aūf- [3]: 1) beizend öffnen, z. B. ein Geſchwür.
2) Etwas durch Beizen auf der Oberfläche eines Ggſtds.
hervorbringen, z. B. beim Damascieren Figuren auf
dem Stahl. 3) Etwas zur Beize aufbrauchen ꝛc.
Aūs- [3]: durch B. wegſchaffen, z.B. wildes Fleiſch,
Flecken ꝛc. Be- [3]: Etwas beizend bearbeiten,
überall b. I. Dúrch-: beizend durchdringen, Löcher
freſſen ꝛc., in dem Sinne vollſtändig b. auch als un-
trennbare Zſſtzg. ſ. durch: Das Scheidewaſſer hat mir die
Hände durchgebeizt; Die Häute müſſen noch in der Grube
bleiben, weil ſie noch nicht durchbeizt ſind; Moos vom Regen
durchgebeizt. Gotter 1, 290; Den ganzen Körper mit einer
Schminke durchbeizet. L. 6, 518 ꝛc. II. Dúrch-: ſ. I.
Eīn-: beizend eindringen, eindringen laſſen, ſich
einfreſſen, Etwas in eine B. einlegen: Dies Alles hilft
jetzt nur dem Argwohn, der ihn beißt, | ſich in ſein Herz noch
tiefer einzubeizen. W.; Punktieren ihre Haut mit Figuren,
darin ſie eine blaue Farbe e. Kant; Fleiſch in Eſſig e.; Ein
Faß hat er uns zum E. geliehen. Gotthelf. Er-: ſ. er-
beißen: 1) [3] Von einer Hennen in ſtarkem Eſſig erbeißet
.. das Fleiſch, ſo in Eſſig wohl erbeizt iſt. Ryff Th. 137; 319.
2) [5] Ihre Vögel .. mit ein Hühnerfüßlein e., lock
machen und ätzen. Fiſchart Garg. 249b. Fórt-: bei-
zend fortſchaffen, z. B. eine Warze ꝛc. Her, (hin)-
áb-, únter- ꝛc.: [6] Und b. herab mir die zierliche Taube.
Lenau Alb. 170. Nāch-: nachträglich ſ. vor-b.
Nīēder- [6]: herab-b.: So beizt er [der Falk] nieder.
Geibel Jun. 189. Über-: Etwas, mit einer B.
darüber ſtreichen ꝛc. Ver-: 1) weidm.: verbeißen
(ſ. 2), abbeißen: Das Vieh verbeizt den jungen Wuchs.
2) [3] beizend verbrauchen, z.B. Geld, Beizmittel.
3) [3] durch B. verderben. 4) [5] veralt.: Auf
etwas (Lockendes) verbeizt [verſeſſen] ſein: Der Trunkenheit
und Unkeuſchheit ergeben, ja gar auf die ſodomitiſche Schand
verbeizet. Fiſchart B. 238b. Vōr- [3]: Neuſilber wird,
ehe es in die Schnell-B. getaucht wird, mit verdünnter Sal-
peterſäure vorgebeizt. Wég- [3]: fort-b.: Hat er dem
Eſſig gleich die Laſter fortgebeizt. Mühtpforth 2, 8. Zer-:
beizend zerſtören: Der ſchwarze Tropfe ihrer Feder .. zer-
beizet ganze Fluren. IP. 1, 94; In Leid verſenkt, zerbeizt von
Thränen. IESchlegel 1, 408.