Faksimile 0094 | Seite 86
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barmen
Bármen, tr., refl.: veralt. ſtatt Er-b. (ſ. d.):
Wegen ſeines b–den [jämmerlichen, Mitleid erregenden]
Geſchreies. H. 4, 67; Ihn barmte [jammerte] der Unmünd’-
gen Harm. Tieck 2, 86; Dann [er-]barmt euch mein. 122;
Deß barmten | die guten Handelsleute ſich. Werner Kr. 1, 160.
Barmung. HSachs 4, 1, 57c ꝛc.
Anm. Goth. arman, ſ. armahairtei, Barmherzigkeit,
ganz wie lat. misericordia, von „arm“ mit der Vorſilbe
„be“, vgl. bange, binnen ꝛc., ahd. barmen, ſ. Graff 1, 423.
Nach Grimm u. A. vom veralt. Barm = Schoß (ſ. Bären
III), wogegen aber ſchon die Zſſtzg. mit Herz ſpricht.
Dazu vrkl.: bärmeln, wehklagen, jammern, um Mitleid zu
erregen; ferner: Bärmde, f. Philander 2, 539; Erbärmd.
Stumpf 308b; 394 ꝛc., wie: Barmnis, f. und n.; Er-
barmnis. Weidner 342 ꝛc. = das Erbarmen, ſ. Er-b. 5.
Zſſtzg.: Er-: thätig ſich äußerndes Mitleid (ſ. d.)
bei fremder Noth empfinden, und ſo zuweilen dem Mit-
leid ſelbſt entgegengeſetzt: Nach dem Grundſatze der Stoīker:
der Weiſe erbarmt ſich (1), hat aber kein Mitleiden. Heinſe A.
1, 263; Der Held eines Trauerſpiels erregt unſer Mitleid,
nicht unſer E. (5) ꝛc. 1) refl.: Barmherziger Himmel,
erbarme dich! B. ꝛc., meiſt mit abhäng. Genit.: Der Ge-
rechte erbarmt ſich ſeines Viehes. Spr. 12, 10 u. V., zUw.
auch: So läſſt ſich unſrer Noth der Himmel doch e. W. 20,
194, auch mit „über“: Erbarme dich über meinen Sohn.
Matth. 17, 15 ꝛc.; Hebel 3, 398, ſelten mit anderen
Präpoſ.: Dafür ſie ſollten ſich e., mitleiden und helfen.
Luther 5, 355b. 2) impers. = es jammert (ſ. d. 2b)
mich, mit Accuſ. der Perſ. und Genit. der Sache:
Tell, es erbarmt mich, doch ich muß gehorchen. Sch. 524a; Und
doch erbarmt mich deiner. 539a; Was auch den Stein des Fel-
ſen muß e. 551a; und ſo oft in der Wendung: Jammerte,
daß es einen Stein hätte e. mögen, vgl.: Du ſchreiſt ja daß
ſich ein Stein e. (1) möchte. 3) tr. Mitleid in Einem
erregen, ſ. Jammern 2a: Darum erbarmet mich dein
Auge ſo ſehr. IP. 1, 28; Der Jammer dieſes deut-
ſchen Volks erbarmt mich. Sch. 382a; Das erbarmt mich,
wenn ich nur dran denke. 220a; Der Himmel iſt gerecht und
ihn erbarmt Oreſt. JESchlegel 1, 13, ſo namentlich oft
ſchwzr.: Du erbarmteſt [jammerteſt, dauerteſt] mich, als
ich dich ſo troſtlos ſah. Gotthelf U. 2, 52; 124 U. V.
4) der Ausruf: daß (ſich, es) Gott erbarm! oder: Gott
erbarm! zunächſt bei einem jämmerlichen Anblick, dann
allgem. = erbärmlich: Ich kann engliſch ſo ſchreiben, daß
man nicht ausſpuckt und ſagt: Gott erbarm! Forſter B. 1, 184;
Das iſt ein Reiter daß ſich Gott erbarm; ähnlich: Zum E. (5).
V. Ov. 1, 173. Daher zuweilen als Hauptwort und als
Ew.: Der wohnt im Gotterbarms ſieben Klafter tief im
Elend. Auerbach Leb. 1, 93; Mach aber ein ander Geſicht,
nicht ſo ein Gotterbarmes. Barf. 117. 5) der Infin.
als Hw. = Erbarmung, f.; –en: vgl. Barmherzig-
keit, das eine dauernde Eigenſchaft, wie Jene nur ein-
zelne Außerungen derſelben bezeichnet: Die Barmherzig-
keit bewegt uns, mit einem Unglücklichen E. zu haben. Eber-
hard, vgl. L. 5, 307, wonach bei Logau Erbarmung das
bloße unangenehme Gefühl bezeichnet, welches wir bei
der Pein eines Andern empfinden; Barmherzigkeit aber
die thätige Bemühung, ſie zu wenden: Es hat der Tod
auch ſeinen Troſt und Charon hat E. WMüller Ngr. 2, 53;
Troſt hat ſelber der Tod und Erbarmung wohnet am Grabe.
Schmidt-Phiſ. 9; Das E. iſt zu Bären geflohen. Sch.; Wen-
det auch Dir nicht | mildes E. das Herz? V.; Die Erbar-
mungen Gottes. Kl.; E. fühlen, haben mit Einem; Ohne
E. ꝛc. So: erbarmungs-los, -voll, -werth ꝛc., ſeltener:
Erbarmlos. Rückert Mak. 1, 9. 6) Dazu: Erbarmer:
Einer, der ſich erbarmt. Jak. 5, 11; Jeſ. 49, 10; Sch.
142a u. o.; All-Erbarmer. Rückert Morg. 1, 103 ꝛc.; Die
Erbarmerin Thetis. V. Ov. 2, 249. Ver-: ungewöhn-
lich ſtatt er-b., z. B. alterthümelnd. Mörike N. 450.