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arm
II. Ārm, a. ärmſt: 1) den Beſitz einer meiſt
mit an beigefügten Sache zum großen Theil ent-
behrend, Ggſtz. reich: A. an Vermögen. B. 405a; Daher
der untere Lauf des Fluſſes a. an Geſchieben iſt. Burmeiſter
Gſch. 18; So karg und a. an Worten. Chamiſſo 5, 63; Graf
Eulenfels war reich an Gut, | doch a. an Lebensfreuden.
Langbein ꝛc. (ſ. Zſſtzg.) Verſch.: A. am, wodurch der
Sitz der Armuth bez. wird, vgl.: A. an Geiſt, nicht viel
Geiſt beſitzend: A. am Geiſte = geiſtlich a. Matth. 5, 3;
Die A–en im Geiſte. Eß; A. am Beutel, krank am Herzen.
G. 1, 159 ꝛc. Veralt. Genit. ſt. an: Nit a. des Guts,
aber a. des Muths. Kaiſersberg Schiff d. Penit. 54 ꝛc.
Ähnlich von: Ein wüſtes Haus, von allem Zierrath a. [ent-
blößt]. Mühlpforth 2, 24, und in: Er war reich an Princi-
pien, a. in praktiſchen Fingerzeigen. Gutzkow R. 5, 477.
Bei Armer bez. an den Ggſt., um das Maß des Verlu-
ſtes: Verweichlicht ſchon, ärmer an Kraft und Genie. Platen
2, 276; Nicht um eine Täuſchung ärmer, nicht um eine Ent-
täuſchung reicher geworden. Börne Frz. 79; aber ungewöhnl.:
An einem Wahne wurde das Volk ärmer und an tauſend
Narrheiten wurde das Land reicher. 63. 2) Oft iſt der
Ggſt. des Mangels ohne Zuſatz klar, z. B.: wenn bergm.
ein Gang, eine Ader a. heißt [wenig Metall haltend,
vgl.: A-, Reichtreiben] od. eine Soole, Lauge [wenig
Salz haltend], oder (botan.) eine Dolde [wenig Strah-
len habend], od. eine Sprache [Mangel an Wörtern,
Ausdrücken habend] ꝛc.; Der Herbſt kam reich, der Winter
a. [an Gaben]. Chamiſo 3, 238; Den ewig-a–en Neid.
Hagedorn 1, 44; Wer meinen Ruhm berupft, ſtiehlt zwar ſich
ſelbſt nicht reich, | mich aber ſtiehlt er a. 79; Jeder deiner
Strahlenblicke trinkt | deines Lebens karges Lämpchen ärmer.
Sch. 4a ꝛc. 3) ohne Zuſatz am häufigſten Mangel an
Hab und Gut bezeichnend, was natürlich ein relativer
Begriff iſt. So heißt z. B., wer nicht ſeinen Verhält-
niſſen gemäß zu leben im Stande iſt, a.: Ein a–er Edel-
mann, Fürſt ꝛc.; ferner, wer ſich auf das Nothdürftigſte
beſchränken muß: Ein a–er Handwerker ꝛc., endlich aber
auch, wer nicht im Stande iſt, aus eignem Vermögen
oder durch ſeine Arbeit ſich zu ernähren, ſ. bettel-,
blut-a. ꝛc. A. wie eine Kirchenmaus; Sich a. praſſen,
proceſſieren; A–e Leute (vgl. A–er Leute Pfeffer, eine Pflanze
Lepidium latifolium; A–er Kunz, Mann, Ritter ꝛc.);
A. und bloß; A. und leer. G. 6, 22; Ihr dranget mir manch
Bedürfnis auf; | nun war ich a., da ich die Reichen kannte.
13, 282 ꝛc. Veralt.: A–er Mann (ſ. 4a) = Grund-
unterthan, ohne Rückſicht auf das Vermögen: Auf
jeden a–en Mann, reich und a.. fünf Kreuzer. Krenner bair.
Landtagsh. 11, 135 ꝛc. 4) Bei dem Begriff des Man-
gels tritt theils der des Werthloſen, theils der des Mit-
leid Erregenden hervor, oft auch Beides zuſammen,
vgl.: bejammernswerth u. jämmerlich; elend, erbärm-
lich ꝛc.: a) von Perſon, zunächſt bemitleidend: Ein a–er
Menſch; Ich ärmſter von allen Prälaten! B. 67a; Ich a–er,
a–er Landsknecht! Chamiſſo 3, 221; Du a–es Kind! G. 1,
137 ꝛc.; Einen a. verirrten Herrn. Schwab 328; und ſo
auch: Ein a–es Blut; Eine a–e, ehrliche Haut; A–e Schwarte;
A–er Schwartenhals ꝛc.; A–es Vögelchen! B. 306b; Ein
a–es unſchuldiges Lamm. 307a; Ich habe neun a–e Wür-
mer, Kinder wollt’ ich ſagen. Grabbe Hann. 35; Ein a–er
Kauz. Monatblätter 2, 520a ꝛc.; Ein a–er Teufel von
Luſtigmacher. G. 29, 217; A–er Schelm, Schlucker, Tropf,
Wicht ꝛc. Nam. auch: Ein a–er Verbrecher [der dem
peinlichen Gericht anheimfällt]. B. 66b; G. 5, 6 ꝛc.,
ebenſo: Ein a–er Sünder (ſ. Anm.), 9, 98; Sch. 109a ꝛc.;
doch dies natürlich auch: Einer, der ſeine Sündhaftigkeit
tief fühlt. Luther 5, 355a; Gott ſei mir a–em Sünder gnä-
dig! ꝛc. Im Sinn des Verächtlichen, vgl. Armſelig:
Die dem Euripides das Erhabene abgeſprochen, waren a–e
Heringe. Eckermann G. 2, 269; Und jeder a–e Stümper
meiſtert | den Griffel einer Meiſterhand. Platen 6, 5; A–er
Prahler. Sch. 435b. ꝛc. Oft als Oxymoron in Verbin-
dung mit dem Ggſtz.: Ich bin wohl zu beneiden | bin a
[3] und bin doch reich. Claudius 3, 12; Wie die lange Reih
a–e reiche Sünder daherzog. G. 9, 113; Hätte dem a–en rei-
chen Mädchen den Glauben an die Menſchen genommen.
Gutzkow R. 9, 380; Die ärmſte Millionärin. 420 ꝛc.
b) von Nichtperſonen = bemitleidenswerth: Wie ſehr
ich die a–e Sprache gequält haben mag, Chamiſſo 5, 135;
So jammerte mich doch der a–e, unglückliche Marmor. G. 29,
103 ꝛc.; und häufiger = armſelig, verächtlich, nicht
beachtungswerth, wenig vermögend, kümmerlich, kärg-
lich ꝛc.: Den a–en Reſt. Börne 1, a.; Unſere a—e, ein-
fältige Bosheit. B. 299b; Wo nicht ein a–es Hälmchen grünt.
G. 1, 170; Mein a. Geſpräch. 11, 133: Schilt nicht, o
König, unſer a. [ſchwach] Geſchlecht. 13, 21: A–e Liebe.
251; Den a–en Trabantendienſt. 28, 120; Mein a–es Leben
zu vertheidigen. 156; Wenn ich mit meinen a–en drei Loſen
gewänne. Gutzkow R. 3, 445; Nur einzelne a–e Tannen.
Hebel 3, 359; Nur ein a–es [klein] Bischen lieb gehabt.
PHeyſe Nov. 83; Unter a–en Ehren. BMichaelis 285; Nimm
den a–en Handſchlag an. Schwab 495; Ein einzig a–es Mal
[nur einmal]. Tieck 2, 77; Die ungeſalzenſten Erzählun-
gen, die ärmſten Späße. DBl. 1, XI. u. o. 5) ſub-
ſtant.: Ein A–er, Mz.: A–e; Der (die) A–e, Mz.: Die
A–en, oft im Sinn von 4a (bedauernd): Ich A–er!; Der
Ärmſte, was hat er nicht dulden müſſen! ꝛc., früher auch =
armer Verbrecher, nam. in der peinl. Halsgerichtsord-
nung (Carolina), §§. 59; 97; 102; beſ. aber (3):
Einer, der fremder Unterſtützung zu ſeinem Unterhalt
bedarf: Verſchämte A–e, auch im Ggſtz. der umherzie-
henden Bettler und Kirch-A–en: Daß er den geheimen
Haus-A–en die Arzneimittel machen ließ. Stilling 4, 17
(ungewöhnl. bei IP. haus-a. = von Haus aus arm).
Ohne Flerionsendung oft die Verbindung: A. u. Reich =
arme und reiche Perſonen, vgl.: A. [eine Arme], reich
heirathen, und veralt.: War ſehr gut Arms [gegen die Ar-
men]. Weidner 88. Bei Logau (ſ. L. 5, 301) A. auch
abſtrakt = Armuth: Weil ihn A. und Alt ſo drückt.
Anm. Goth. arms. ahd. aram ꝛc., nach Einigen zum
Stamm aran (ſ. Arbeiten), wie der Begriff der Arbeitſeligk.,
Mühſeligk., des Elends als der urſprüngliche erſcheint.
Steigrung veralt. ohne Umlaut. Luther 6, 360a. Über:
A–er Sünder als Bſtw. in Zſſtzg. ſ. Sanders Grimm 2, 143 ff.,
u. vgl. Alt, Anm., entweder: Armſünder-Stuhl, -Glocke,
-Hemde ꝛc., od.: Der Armeſünderſtuhl, des Armen ſünder-
ſtuhls ꝛc.; die Arm eſünderglocke, der Armenſünderglocke ꝛc.;
das Arm e ſünderhemde, des Armenſünderhemdes ꝛc. Min-
der korrekt: Eine Armenſunderreue. Gutzkow R. 9, 358;
Dies Arm enſündergeſicht. König Kl. 1, 38 ꝛc. und umgekehrt:
Im Arm e ſünderhabit. Scherr Gr. 2, 130 ꝛc. S. Hoher-
prieſter, und z. B.: Meine Dummejungenangſt. Lubojatzky
Amſelpf. 34 ꝛc. .
Zſſtzg. unerſchöpfl., inſofern das Bſtw. (ſ. 1) dem
an entſpricht: In einer ſo bach- und waſſer-a–en Gegend.
G. 27, 190; Italien iſt ein holz-a–es, aber kein baum-a–es
Land. D. Muſeum 1, 1, 583; Freuden-a. Börne 2, 361; Der
geiſtreiche Schriftſteller unterſcheidet ſich von dem geiſt-a–en.
2, 5; Geiſtes-a–e. Gutzkow R. 3, 42; Geld-a. G. 39,
327; Glorreich können wir’s nicht finden, glor-a. [wenig
rühmlich] mag’s wohl ſein. Claudius 6, 89; Blutedel,
aber gut-a. Weidner 50; Ein kunſt-a–er Stümpeler. Schottel
106; Der nackte und leib-a–e [dürre, magre, Ggſtz.:
wohlbeleibt] Geſell, der Tod. Spindler St. 1, 59; Auerbach
Leb. 1, 278; Durch längeres Faſten noch leibärmer geworden.
Linck Schl. 88; 130 ꝛc.; Licht-a–e Bogengänge. W. 20,
299; Lichter-a. Thümmel 1, 3; Petrefakten-a–er Thon. Bur-
meiſter Gſch. 244; Pflanzen-a. Humboldt A. 1, 4; Stern-a.
K. 1, 157; Volks-a. Kohl A. 2, 12; Das waden-a–e Bein.
Burmeiſter gB. 2, 118; In der ſchauderhaften Leere welten-
a–er Wüſten. Humboldt K. 1, 23; Jm wort-a–en Norden.
KGroth 88 ꝛc. Ferner zur Bez. eines hohen Grads
von Armuth: Béttel-: Fühlt ſogleich | ſich b. und für-
ſtenreich. G. 1 2, 194; Sch. 270b ꝛc. Bítter-: B–e
Leute. Kinkel E. 420; Tſchudi Th. 540 ꝛc. Blūt- (– ́):
bis aufs Blut, im höchſten Grad arm: Wir ſind arm
geworden, b. [– –]. Reithard 4; Daß Deutſchland iſt b.
[– ́]. Logan 1, 3, 57; Heine Reiſ. 2, 3; Waldau N. 2,
170. Héller-, Pfénnig- ꝛc.