Faksimile 0911 | Seite 1733
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zetteln
Zétteln: 1) tr.:
Etwas einzeln, in geringen Quantitäten aus-, hin-, verstreuen: Flachs z., zum Rösten. Schm.; Kraut z. (ein-z.), den in Zasern geschnittnen Kopfkohl schichtweis ins Gefäß streuen, wo er zu Sauerkraut werden soll. Ders.; Zettel- oder Zödl- (Moll 2, 351) Kraut = Sauerkraut etc.; Er zettelt[e] ein wenig Geld darauf, so daß das Geld den Dreck bedeckt[e]. Murner Ul. 134 etc. 2) (s. 1) Stickerei: Z., d. h. innerhalb der Trassierung kleine Stopfstiche hin und her nähen, um das Jnnere der trassierten Formen erhabener zu machen. Musterz. (56) 2; 3a etc.; Die kleinen ausgebogten Halbzacken. . werden stark gezettelt und schön gewölbt hochgestickt. (55) 92a etc. 3) (s. 1) Ein Knäuel z., fadenweise abwickeln und ausspannen: Nimm dies Fadenknäul in die Hand, | zettel’s mit dir, so wird bekannt | der Ausgang dir. Zwingli 3, 246 (s. 252), daher nam.:
a) Web.: die Fäden des Grundgewebes oder den Zettel (s. d. 2) aufspannen und so das Gewebe beginnen (s. Rahmen 21a). G. 19, 46 (ohne Obj.): Z. oder an-z.: das Garn zum Gewebe aufziehn. Ländl. 3, 137; Zettelte manchmal | auch ihr schönes Geweb’. Bion 7, 23 und wortspielend (s. 1 = weben und verthun). Ar. 1, 201, vgl. ver-z. 3.
b) (s. a) bildl. von den Fäden eines Intrigengewebes etc.: es einleitend in Gang bringen, anstiften etc.: Ostreich zettelt draußen und drinnen mit den Kabinetten. Volksz. 9, 14 (Arndt), nam.: an-z. (s. d.), vgl. 6c; 7b. 4) intr. (haben, sein): als verächtl. Ausdruck für gehn; statt ordentlich zu marschieren, trotteln (s. d. 2 und zotteln), s. Schm. und zu-z. 5) zu Zettel 1, selten auch in der Zsstzg. ver-z. (s. d. 4), vgl. 6d. 6) Zett(e)ler, z. B.
a) (s. 1) Kraut zettlern gebührt nebst der Kost 2 Kreuzer Taglohn. Schm.
b) zu 3a: G. 19, 46.
c) zu 3b: Als Umtriebler und Zetteler zu Gunsten der Bourbons. Scherr Bl. 2, 101 etc.
d) (s. 5) Der „Zeddeler“. Luther 1, 219a = Schreiber eines Zettels (selten), s. verzetteln 4. 7) Zettelung, z. B.:
a) (s. 3a) Des neuen Gewebes | Zettelung. V. Ländl. 3, 27.
b) (s. 3b) Geheimer Zettelungen und Bündeleien beschuldigt. Arndt Ber. 68; 7; Daß die sicilianische Revolution durch sardinische Zettelungen hervorgerufen sei. Oppenheim 8, 366; Scherr Bl. 1, 227; 304; 2, 309; 3, 119 etc.
c) (s. 4) Man könnte die Gefahr durch Zögern ablenken, durch lange Zettelung und Zuckelung die wilden Kräfte der Zeit ermatten. Arndt (Volksz. 9, 14) etc.
Anm. Z. (1— 3) Vrkl. von ahd. zatjan, zetjan, mhd. zetten, streuen, ausbreiten (dazu zetteln in Bed. 3a und zettel = Zettel2, schwzr. Zetti, f.), noch obrd. (s. Schm. 4, 291; Stalder 2, 469; 465; 483), neben z., zetten (Impf. zatte) und Zsstzgn, dazu: Zatte(n), f., Schwaden Getreides; zatten: das Getreide in Schwaden spreiten; zöt(t)ern, züttern: wenig auf einmal fallen lassen; ver-zöt(t)ert, -züttert: lapperweise (s. lappern 2) etc. Zu den Belegen bei Schm. fügen wir nur noch einige bei: Er mich verfället und verzett [ließ mich fallen und verlor mich]. HSachs H. 201 etc.; So hieß man mich Frau Schreiberin | und ein’ Dintenzetterin. Uhland V. 2, 689 [Dintenkleckserin] etc.; Sprang er über die Zatten [Getreideschwaden] weg. Gotthelf 6, 331; Nirgends ein verzattert [verzetteltes] Stück Holz, nirgend herumliegend Stroh. G. 282 und in einem schwzr. Kinderreim (vgl. Schm. 3, 524): In der Luft sahe man ein Rab, | der verzottelte [ließ fallen, als Exkrement] einen Schwab, | der Schwab legte Eier, | daraus ward ein Baier, | der Baier hatt’ ein Koller, | daraus ward ein Tiroler etc. Möglicherweise gehört zu zetten auch Zotte: ahd. zata, zota, mhd. zote, zunächst als das in einzelnen Fetzen und Lappen Herabhangende, Bammelnde, Bummelnde, s. ahd. zotarjan, mhd. zoten, zottern, zotteln (s. d.), zottern (s. d.): in oder wie in Zotteln herabhangen. Vgl.: Trugen Kugeln [s. d. 3], die hatten vornen einen Lappen und hinten einen Lappen, die waren verschnitten und gezattelt. Limb. Chr. (s. Möser Ph. 1, 55 u. Frisch 2, 481c), dann auch, wiebum- meln (s. d. 2), als mehr oder minder verächtlicher Ausdruck g Y 1 4eQ für gehn = trotte(l)n, im Ggstz. zum Marschieren in straffer, strammer u. stracker Haltung, s.zetteln 5; zotteln 2 u.: Hintennach mit einem Gezett und Nach-Trab von 6 oder 5 erzungeschickten Meistern. Fischart Garg., s. Zarncke Br. 430a (zu Brant N. 85⁰²), über: (Ge-)Zotter, Gezöder als: die Reihe der am Tanz hinter einander Hertretenden etc., woran sich vielleicht auch zaudern schließt.
Zsstzg. z. B. Án- [3]: Das Garn, ein Gewebe a.: bildl.: Wehe den Eigensinnigen, spricht der Herr [Jes. 30, 1], die außerhalb mein rathschlagen und ein Web [,, wepp“] anzetlen, aber nicht aus meinem Geist. Franck LastJ2 a; Das hat sie [die ewige Weberin] nicht zusammengebettelt, | sie hat’s von Ewigkeit angezettelt, | damit der ewige Meistermann | getrost den Einschlag werfen kann. G. 2, 296; Hebel 3, 427 etc. und nam. oft s. [3b] —: Etwas Schlimmes, ein Intrigengewebe etc. a.; Jntrigen, welche die Feinde nener Einrichtungen „anzeddelten“. Bahrdt 2, 20; Die mißlungene Verschwörung von Neuem a. Börne 1, 331; Kriechen sie aus ihren Schlupfwinkeln hervor . ., zetteln ihre alten Gewebe wieder an, wo sie abgerissen. Görres V. 57; Manches einzufädeln und an-zu-z. Kl. Gel. 318; Daß sie den verdamml. Anschlag .. anzettelten. Kretschmann 5, 191; Eine Verschwörung a. Kriegk 1, 77; Monatbl. 2, 2b; Dem Erbschaftsstreit, den sie angezettelt. Mügge Silt 2, 113; Wie viele lose Streiche | der Lärmer angezettelt. Schlegel Sh. 2, 278; Nun zettelt ihr einen Zank an, um mich darum zu betrügen. 6, 120; Talvj 2, 94: Den Aufruhr angezettelt. 273; Händel, die der Teufel .. zwischen uns anzettelte. Tieck DQ. 1, 264; Einen Krieg, den er selbst ingeheim angezettelt. W. 8, 261; Eine Verrätherei gegen den Staat a. 9, 24; Wenn er einen geheimen verrätherischen Bund gegen sie angezettelt. 27, 32; Luc. 6, 309 etc. (Unlang nach jetzt beschriebner unruhiger Handlung zettete sich noch ein anderes Spiel an. Stettler Schwzr. Chr. 2, 59); Als Anzettler jener Bewegung. Hormair An. 1, 187 etc.; Du bewahrst sie .. vor den Anzettelungen der Menschen. Zunz (Ps. 31, 21) etc. Āūf- [1]: z. B.:
1) Etwas auf den Boden hinzetteln, spreiten, streuen etc.
2) etwas Zusammengehöriges auflösend, es einzeln aus einander fallen machen:: Kinder .., die ein Perlenband aufgezettelt haben und mit Betrübnis die schönen Perlen entgleiten sehen. Keller LvS. 66 etc. Āūs-: z. B.:
1) [1] Das Gerüchte wurde an allen Flüssen ausgezettelt [ausgestreut]. Birken Ostl. Lorbeer 412 etc., seltener:
2) Zankäpfel, welche unter den Dreien .. einen Vorzugsstreit a. 43, an-z.
3) Zettelte der Kirchmeier auch mir meinen Lohn aus. Gotthelf 6, 125, auszahlen (vgl. Zettel 1a). Dahêr- [4]: Daher-zetten. Schm. (s. -zotteln). Eīn- [1]. Ver-:
1) [1] Etwas, das zusammen gehalten werden sollte, einzeln verstreuen, so daß Viel davon verloren geht; aus Unachtsamkeit etc. Etwas verloren gehen lassen (s. 2), eig. und bildl., z. B.: Verzettelte Kundgebungen der Wohlthätigkeit. Auerbach SchV. 302; Gnade und Strafen von oben zu erflehen, die beide nur verzettelt gereicht werden. G. 4, 265; Steinchen um Steinchen verzettelt die Welt, | Wissende haben’s zusammengestellt. 6, 112; Er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt. 11, 126; Daß es mir immer lästiger wurde .., so meinen Antheil an den Gegenständen zugleich mit den Stunden zu ver-z. 20, 146; Daß ein Wunsch nach dem andern sich verzettelt. 21, 212; Wodurch die wahrhaften Bestandtheile zerstreut und verzettelt worden wären. 22, 176; 35, 76; Der Welt .., die auf dem großen Jahrmarkt des Tages Zeit und Kräfte verzettelt. Br. 321a; Es ist unglaublich, was die Deutschen sich durch das Journal- und Tageblattsverzeddeln für Schaden thun. 145 etc.; Gutzkow R. 1, 334; Heine Lut. 2, 126; Immermann M. 1, 127; Die großen prächtigen Räume wurden zu Schlupfwinkeln der Lüste verzettelt und verbaut. Laube Frz. Lust. 3, 263; Monatbl. 1, 265a; Ein solcher nicht in kleinen Portionen zu v–der Autor. D. Museum 1, 2, 803; Nicolai 7, 22; IP. Fat. 2, 86; Sachen, die er hier und dort für einen Spottpreis verzettelte. Prutz Mus. 1, 161; Die Güter, die längst an Juden und Christen verzettelt waren. Ob. 3, 34; Rollenhagen Fr. 322; Die großartigsten Hilfsmittel verzettelt und verlottert. Scherr Bl. 1, 48; Nem. 1, 216; Er hat sein Erbtheil verzettelt in seinem Hausbau etc. Schücking Gschw. 1, 48; Stahr Weim. 500; Weidner 8; W. 5, 190; 20, 274; Ihr Blumenstrauß .. wird .. | zerknickt und, Blatt für Blatt, verzettelt und zerrissen. 290; So brockenweise weggeschmissen und verzettelt. Luc. 1, 66 etc.; Die Verzettelung des Geldes, der Zeit, der Kräfte, der Gemäldesammlung etc.
2) (s. 1) Etwas, nam. durch Unachtsamkeit hingerathen lassen, wohin es nicht sollte, an eine ungehörige Stelle etc. (vgl. verschleppen, verlegen, verwerfen etc.): So ein Fünklein ist bald verzettelt. Hebel 3, 72; Die Türken vertrieben die Griechen . ., und die haben sich allmählich bis hieher verzettelt. Immermann M. 1, 151; Aus dem verzettelten Stückchen Papier. Keller gH. 2, 30; Das Mädchen selbst ist seine Tochter nicht, | ist ein verzettelt Christenkind. L. Nath. 4, 4; Einem untergeordneten Menschen kann Lina sich niemals leichtsinnig ver-z. [ihren Werth vergessend, hingeben]. Mügge Silt. 1, 211; Der Schmied hatte einst Feuer verzettelt und das Haus ging an. Spindler St. 1, 78 etc.; auch (s. 1): Da seine Karte also verzettelt [sein Koncept verrückt; sein Plan vereitelt] war. IMRLenz Hofm. 137.
3) selten [3a]: verweben, webend verbrauchen etc., z. B. (wortspielend mit 1): Daß sie faul war, will | ich just nicht sagen; sie wirkte mir zu viel. | Frau, sprach ich einst zu ihr, auf meinen Kit- tel | zum Vorwand weisend, du verzettelst mehr | als nöthig ist. W. Att. 2, 2, 73.
4) selten [5] Laut verzettelter Abrede [worüber Zettel, Schriften ausgefertigt sind], s. Schm. 4, 292, vgl. wortspielend mit 1 —: Es fällt mir aber der feine Zeddeler [Vf. „der Zeddel, so unter des Officials zu Stolpen Siegel ist ausgegangen“] ins Wort und verzeddelt mir’s mit einander. Luther 1, 219a etc. Vōr- [1a]: Den Pferden ein wenig Futter v. Ryff Th. 42; 49 etc., in kleinen Quantitäten zum Fressen vorlegen, geben etc. Zū- [4]: Ich zettelte dem Dorfe zu. Simpli- cissimus (1668) 304 etc.