Faksimile 0865 | Seite 1687
Faksimile 0865 | Seite 1687
Faksimile 0865 | Seite 1687
Faksimile 0865 | Seite 1687
wüste wästen Wüstenei Wüsteer Wüsteheit wustig unverwusllich Wästling Wüstenis Wüsteung
Wǖste: I. interj.:
s. wist. II. f.; –n: (veralt.) der Theil zw. Dünne und Hüfte; die Weiche. Schm. 4, 193; Weinhold 106b (mhd. wüeste, s. Benecke 3, 812b oben); daher Fleisch aus diesem Theil (dazu: Spann-, Zwerch-W.); bei Mecklenburger Schlachtern: der über der Weiche auf dem Rücken befindl. Theil eines Schafs. III. f.; –n:
1) der Zustand des Wüstseins (s. Wüstheit), z. B. (s. wüst 1) oberd. = Häßlichkeit. Schm.; ferner: Daß er dieses Weh in seiner ganzen W. erfahren. Gotthelf G. 360 etc. und bes. (s. wüst 3 und Anm.) = Ode (s. d. II 1; 2), oft nah grenzend an 2: Von der höchsten süßesten Fülle der Schwärmerei bis zu den fürchterlichsten W–n der Ohnmacht, der Leerheit, der Vernichtung und Verzweiflung. G. 17, 371 etc.; Solche Stunden der Herzens-W. König Mar. 1, 114 etc.
2) wüster (s. d. 3a) Ort, wüste Gegend etc., z. B.:
a) Sind die Ebenen ganz ohne Vegetation von nacktem, unfruchtbarem Sande bedeckt, so heißt man sie W–n. Ausgedehnte W–n gleichen Sandmeeren (s. d) etc. Oken 1, 559, zuw. minder prägnant, vgl. Heide, Steppe, Llanos, Wildnis etc. und bes. Gesenius s. v. 1; 2;Der Zug der Israeliten durch die W. (s. c) etc.; Die Auen in der W. verdorren. Jer. 23, 10 (s. Oase); Bei den Hürden in der W. 9, 10; Die Stadt muß einsam werden . . wie eine W., daß Kälber daselbst weiden .. und .. Reiser abfressen. Jes. 27, 11 etc.; Aus jenen sand’gen W–n. Platen 4, 280; Durch todter W–n Schauernachtgeflüster. Sch. 3a etc.; Da sitz ich hie in der „Wüstin“. HSachs G. 2, 23 (vgl. noch hin und wieder: der Wüsten, s. Belege Herrig 16, 429) etc., s. d. Folg.
b) (s. a) bildl.: So ist mir denn das schönste Königreich, | der Hafenplatz, von Tausenden belebt, | zur W. worden und ich bin allein. G. 13, 340; Nun war das Paradies .. zur völligen W. gewandelt. 18, 292; Gotter 1, 149; Platen 4, 20 (s. Wust 1); Im Übrigen befind’ ich mich hier wieder in den alten W–n und mehr als je entschlossen, nur in meinem Haus .. die ersprießliche Nahrung zu suchen. Reinhard G. 239; Ein Herz, das aus der Werkstatt der Natur sich als einen unnützen Stein in eine W. [Kloster] verworfen fühlt. Thümmel 5, 208 etc.
c) (s. a) bildl. mit Rücksicht auf den Zug, das Wandern durch die W., z. B.: Er ward .. seines Volkes .. Leuchte, | eine .. Feuersäule (s. d.) des Gesanges, | die der Schmerzenskarawane | Jsrael’s vorangezogen | in der W. des Exiles. Heine Rom. 221; Hilf mir, Führer, auf den Pfaden in das innre Heiligthum, | weil man in der Liebe W. keine Grenze je gewahrt. Platen 2, 355; Stablos | durch des Lebens W. zu wallen. Schubart 2, 311 etc.
d) (s. a, Oken, vgl. Sandmeer etc.) dichterisch von der weithin sich dehnenden Wasserfläche des Meers etc.: Meer .., auf deiner regen W. Uhland 313; In den W–n des Meers. V. Od. 4, 498; 2, 371; 7, 250; 12, 285; Der unermeßl. Salzfluth | W. 5, 101; Georg. XV etc.
e) Zsstzg. z. B.: Keine Berg-W., sondern ein meist bebautes, obgleich gebirgiges Land. G. 23, 131; Die weite Eis-W. [vgl. d]. Spielhagen Pr. 7, 392; Ergänz. Nat. 5, 2a etc.; In Felsen-W–n. B. 173a [Auf ein ödes Gebirg. V. Il. 6, 345]; Nebel-W. Tiedge Ur. 1, 221; Eine zackige Rui- nen-W. G. 23, 380 (s. u.: Trümmer-W.); Sand- W–n und Quebben in Acker und Wiese verwandelt. Bucher (Nat.–Z. 8, 45); B. 487a; Strauß, der .. zänkisch humpelt über die polemische Sand-W. der Literatur. Heine Reis. 3, 380 etc. (s. Oase); Von der Schnee-W. eines [Berg-] Joches. Gartenl. 13, 137b; In dieser Stein-W. Matthisson E. 1, 11; In dieser Trümmer-W. (s. o.: Ruinen-W.). G. 23, 382; Du wildes Gebirg! . . Ur-W. der Welt! Meißner Gd. 89; In dieser Wald-W. Scherzer 1, 376; Wasser-W. [d], z. B. = Ocean. Freiligrath SW. 6, 175; Heine Lied. 348; Matthisson 244; Platen 1, 200; Sch. 216b etc.; vom Vierwaldstättersee 540b etc.; In dieser Watten-W. Nat.-Z. 17, 255 (s. Watt) etc.
Wǟsten: 1) tr.:
wüst machen, verheeren, verderben, zu Grunde richten etc. (gw.: ver-w., s. d.): Er wüstete Alles. Görres H. 1, 27; Der Waldstrom .. wüstet | Thäler und Hügel umher. Pyrker 7; Jüngst wüstete weit in dem Marchfeld | Wege und Stege gesammt das entsetzl. Donnergewitter. 262 etc.; Ein solcher Weltwüster. Jahn M. 115 etc. 2) intr. (haben) = 1, ohne Obj.; dann auch: sich wüstem, wildem Treiben hingeben; wüst, wild wirthschaften etc.: Pest regiert, der Pascha wüstet. Gerhard W. 1, 58; Auch er tödtete und wüstete den 2. Mai 1808 in der empörten Hauptstadt. G. 32, 318; Krieger sind Wölfe zum Rauben und W. Logau (L. 5, 224); Darum wüstet und wühlet in dieser herrl. Aue [als verständet ihr die Gärtnerei]. Musäus M. 5, 33; Er lässt .. den jungen König nach seiner Weise w. und verwildern. Roquette Hün. 103; Mit dem Gelde w., verschwenderisch umgehn. Ade- lung etc. Zsstzg. z. B.: Āūs-:
1) tr., s. ausöden.
2) ref.: sich in wüstem Treiben austoben: Hatte Prinz Louis im Kreise solcher Kumpane sich ausgewüstet. Scherr Bl. 2, 160. Hinēīn-: in wüstem Treiben auf Etwas ein-, losstürmen: Die in ihre Gesundheit h. Gartenl. 13, 159, auch: Darauf los-w. etc. Ver-:
1) [1] Das Erdbeben, der Feind hat das Land etc.; der Feind, das Feuer hat die Stadt, das Haus etc.; die Überschwemmung, der Eber hat die Weinberge verwüstet etc.; Das Land mit Feuer und Schwert v. etc.; Ein Kleid, Messer, Buch v., ruinieren. Adelung; Etwas, z. B. ein Kleidungsstücketc.; Jemandes Arbeitskraft etc. ist gar nicht zu v. etc.; Ungerechtigkeit verwüstet alle Land. Weish. 6, 1 U. v.; Des erde- v–den Drachens. G. 5, 102; Die nicht zu v–de Gutmüthigkeit. Immermann M. 1, 395; Das grimmig wilde Thier, das unsre Herden | verwüstete. Sch. 450a; 113a; V. 3, 214; Die schwelgend das Gut dir v. Od. 13, 394; 16, 129; Dreschend (s. d. 2) verwüstet’ er Jenem das Antlitz. Th. 22, 127, schlägt’s ihm entzwei; Sich mit der Auflösung .. den Kopf zu v. [zerbrechen etc.]. W. 24, 198; Wie viele und schwere Sorgen mir den Kopf v. [s. wüst 2b]; Die vornehmen Engländer, die den Sommer auf dem Lande v. Zimmermann Eins. 47 (vgl.: die Zeit tödten, todtschlagen) etc.
a) ohne Obj.: Eine Krankheit verwüstete noch bei Reichen und Armen, die Pocken. Freytag NB. 414; Hdschr. 3, 214 etc. und Partic. Präs.: Die v–de Gegenwart gesetzloser Scharen empfinden. Sch. 918b etc.
b) adjekt. Partic. Präter. (vgl. 2), sehr gw.: Verwüstete Städte, Länder etc.; Verwaiset (s. d. 3) und verwüstet war der Ort. Cham. 4, 65; Verwüstet und verwildernd lag der Garten. Frenzel Watt. 2, 86; G. 27, 366; Rückert Mak. 1, 200 u. o., auch: Zeit verwüstete [durch die Zeit etc.] Ruinen. Bodenstedt 1, 294.
2) intr. (sein): wüst werden (vgl. das Pass. von 1): Gieb uns Samen .., daß das Feld nicht verwüste. 1. Mos. 47, 19 (selten), s. 1b; 4.
3) Die Verwüsterin der Schönheitsblüthe, | die Zeit. Bodenstedt Ausgw. 93; Das Alter, der große Verwüster der Schönheit. Kant SchE. 73; Dieser Verwüster der Reben [der Eber]. Jacobs Verm. 2, 57; König Saalf. 2, 10; Tieck N. 1, 144 etc.; Land- (Zinkgräf 1, 322), Städte- (V. Od. 9, 504 etc.), Volks- (Tiedge 2, 79), Welt- (H. 15, 231) Verwüster; Enyo, die Städteverwüsterin. B. 224b etc. Fortbild.: Den verwüsterischen Arm der Barbarei. Zschokke 1, 263 etc.
4) Verwüstung (zu1; 2). Jes. 13, 6; Dan. 8, 13; 9, 27 etc.; An innerer Verwüstung leiden. Freytag Hdschr. 3, 50; 48; Große Verwüstungen der Bergwasser [subjekt. Genit.]. G. 14, 210; 16, 146; Der Affekt, der im Geschlechte der Menschen so grausame Verwüstungen angerichtet. Sch. 701b; 874a etc.; personif.: 902a; 1040a etc.; vgl. 1033a etc.; Wälderverwüstung. Gartenl. 13, 170b etc.; selten (vgl. Wüstung): etwas Verwüstetes: Diese Städte .. sollen eine Verwüstung und ein Fluch sein. 2. Kön. 22, 19.
Wǖst~enēī, f.; –en:
öde, wüste Gegend (s. Wüste III 2; Wüst-nis, -ung): Cham. 4, 153; 155 (die wüste Insel); Eine lebenlose W. Gleim 4, 67; Heidegebüsch und Gesträuch. . . In dieser Wüste. .. In dieser W. G. 25, 200; Die W–en Arabiens. Kosegarten Rh. 3, 311 etc.; auch: Du machst dir selbst die Welt zur W. Burmann F. 87; Daumer 1, 50 etc.; In der Berg-W. B. 276a etc.; ugw.: Diese das Küssen verleidende Zahn-W. Gartenl. 13, 159, der Mund mit „Zahnsturzeln“.
~er etc.:
s. wüsten 1; verwüsten 3.
~heit, f.; –en:
das Wüstsein (ohne Mz.) und zuw.: etwas Wüstes (vgl. Wüste III 1), z. B.:
1) (s. wüst 3) Ode einer Gegend etc. Nat.–Z. 15, 258; Schücking Gschw. 2, 262; Die wilde W. der .. Schlucht. Stahr Rep. 1, 198 etc.
2) (s. wüst 1e) Wesen und Treiben eines Wüstlings (s. d. 1b; vgl. 3): Die W–en auf dem Blocksberg können sein [Faust’s] Sehnen nicht stillen. Frese G. 2, 427; Eine Jugend . ., verschwendet in wilder W. Lewald Ferd. 3, 164; Nat.–Z. 18, 1; Weil er der Lust, | der W., den Gelagen sich ergiebt. Schlegel Cäs. 2, 1; Wenn ich seinen Ruhm betrachte, | W. und Schande meinem jungen Heinrich | seh auf die Stirn gedrückt. Heinr. IV. 1, 1, 1; In W. . ., voll Speis’ in seiner Sünden Maienblüthe. Haml. 3, 3; Schwegler (47) 495; Grundsatzlos bis zur W. im Umgange mit dem weibl. Geschlechte. Stahr Rep. 3, 55; 2, 139 etc.
3) (s. wüst 1d) Bosheit etc.: Die W. und Grausamkeit. Arndt E. 266; Die Reben zerhauen aus W. und Schadenfreude. PHeyse Mer. 298 etc.
4) (s. wüst 1c) Den Dichter wegen seiner Maßlosigkeit und W. verurtheilen. Nat.-Ztg. 18, 279.
5) (s. wüst 2b) Klagen über W. und Eingenommenheit des Kopfs. Bock D. 345 etc.
Wūstig, a.:
voller Wust (s. d. 1), grauenvoll etc.: Den w–en Mord abspülen den Wunden. V. Od. 24, 189; Den w–en Ort [Unterwelt]. Ov. 1, 227; Das w–e Haupt der Medusa. 239 etc.
Unverwūsllich, a.:
unverwüstbar: Den u–en Kern des Volks. Auerbach SchV. 6; Diese Wachstuchtapeten waren un-v. G. 20, 186; Die u–e Heiterkeit. 22, 9; 75; 137; 276; 6, 281; Seine Schriften, die von wechselseitigem Vertrauen das u–ste Zeugnis ablegen. 25, 189; 26, 255; 27, 300; Eine u–e Gesundheit. 30, 13; Ein alter, in der Zeit un-v. fortwachsender Eichbaum. 31, 165; 32, 169; 292 etc.; Heine Verm. 1, 79; Uhland 411 etc.
Wǟst~ling, m., –(e)s; –e:
1) von Pers.:
a) ein wüster (s. d. 1d) und wilder Mensch: Wo ist denn unser Sohn Kain, | der W. und bös’ Galgenstrick. HSachs (Wackern. 2, 62¹⁶); Ich meint, ein Adler haben erzogen, | so bist ein W. abgeflogen (vgl. 2). G. 2, 151 etc.
b) bes. aber: ein wüster Genußsucht Huldigender (s. Wüstheit 2; Roué): Das widerliche Bild bejahrter W–e. Freytag Hdschr. 3, 54; W–e und Ausschweiflinge. Jahn V. 436; Tieck Ant. 2, 1; Thümmel 4, 182; Vogt Köhl. 101; Die Üppigkeit eurer reichen W–e. W. 21, 99; Dem Wildfang und W. Alcibiades. 146 etc.; dazu: Wüstlingschaft. Scherr Bl. 1, 166; 3, 420 etc.
2) W. = Grasmücke; Roth-W. = Rothkehlchen etc. (vom Aufenthalt in der Einsamkeit?).
~nis, f.; –se:
= Wüstenei, Wüste, z. B. Zeph. 2, 9; Eppendorf 9 etc.
~ung, f.; –en:
s. Verwüstung (verwüsten 4), z. B.: Eitel W. ist in der Stadt [ge]blieben. Jes. 24, 12 etc. und bes. = Wüstenei, z. B.: Sie werden die alten W–en bauen. 61, 4; 62, 4; Auerbach V. (61) 110; König Jer. 3, 314; Spindler J. 1, 308 etc.; In der Wustung. Luther SW. 46, 353.