Faksimile 0865 | Seite 1687
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wüst
Wüst, a., –est:
(s. Wust 1; 2 und Anm.) theilw. ineinandergreifend (vgl. Wüstheit): 1) (s. Wust 1) garstig, häßlich, widerwärtig, schlimm etc., nam. oberd. (s. Schm.; Stalder), aber auch bei nicht mund- artl. Schriftst., z. B.:
a) Daß unser Herrgott sie so schön erschaffen und nicht w–er. GotthelfU. 2, 122; G. 259; Rank SchM. 58; [Juno’s] Ochsenaugen sind so w–e Augen nicht. Sch. 15b; Ob sie schön oder w. waren, die spätern Jahre. Spindler St. 1, 26 etc.
b) (s. a) An einem Ort trägt man w. Gift auf, am andern geschmuckt Gift. Fischart Garg. 46a; Das w–e Schwein, | Kröten und Schlangen. G. 2, 185 etc.
c) Weil die Drachen Feuer spieen und manches andre W–e begingen. 19, 72; Derweil that der Braune w. [zeigte sich wild, ungebärdig], stieg bolzgrad in die Höhe. Gotthelf G. 166; Wer nicht w. thun konnte . .; wer aber so recht aus dem Ff aufbegehren konnte. Sch. 358; 108; U. 1, 185etc.; W. sich sagen [sich ausschelten] lassen. 2, 92; 135 etc.; So etwas W–es und Wildes sagen. L. 10, 91 etc. und adverb.: Daß er w. mit ihnen umgeht. Luther 5, 2a; W. gerollt (s. d. 6), gekämmt (s. d. 1d) etc.
d) Ein w–er [schlechter etc.] König. Sir. 10, 3; Es sollte bloß das w–e, böse Mädi sein, recht in keinem Schuh. Gotthelf U. 2, 156; 147; G. 64; 181; Ein w–er Geizkrag. Kurz Weihn. 3; Räum hinweg den Friedenstörer! | In der Wüsten w–este (s. 3a) | sei verbannt der W–e. Rückert Morg. 1, 43; Der w–e Stifter | gerechten eignen Banns. Schlegel Haml. 4, 5; Dem w–en Mörder. Tieck Schr. 2, 234 etc.
e) W–er Völlerei zu fröhnen. Cham. 3, 91; Eine unverschämte w–e Hur. Fischart B. 32a; Ein w–er, versoffner Nichtsnutz. Frese Bed. 1, 69; In einem wilden, w–en Wesen. G. 22, 282; 174; Immermann M. 4, 104; Auf seinem Gesicht lag eine w–e Abgespanntheit (s. 3b). Mundt Rob. 1, 144; Ein Räubervolk . ., das .. im w–en Meer (s. 3a) mit w–en Sitten haust. Sch. 336a; Voigts H. 29; In der Freier | w–em Schwarm. V. Od. 2, 22; Der volle Narr, der w–e Fratz. Weckherlin Gd. 270; Wo man fremd’ Unkeuschheit muß ihren w–en Willen | an seinen Töchtern und Weibern sehn erfüllen. Zinkgräf (Wackern. 2, 306¹⁰) etc.
f) Der nächtlich w–e Graus | zerronnen. Cham. 4, 38; Der altthessalischen Vettel w–en Geisterzwang. G. 12, 222; In die wilde w–e Welt (s. 2a) hin- aus. 25, 167; Gleich dem Unkraut w–e Häupter schüttelnd. 13, 40; Einen unverhofften Lichtblick in dieses w–e Wesen gewährt die Berufung Wieland’s. Guhrauer Less. 1, 255; Der w–e Greuel des Papstthums. Luther 6, 493b; 141a; In einen w–en Handel und Streit kommen. 1, 345b; Vom wilden w–en Ocean umwühlt. Schlegel Sh. 7, 64 etc.
g) Es heilte glücklich bis auf die w–e [fatale] Narbe. Sch. 131a; Machte [rodete] er .. die w–esten Stöcke aus. Gott- helf Sch. 118 etc.
h) „Das w–e Wesen: eine Krankheit des Viehs, die auch der Flug genannt wird“. Schwäb. W. 2) (s. 1 und Wust 2) chaotisch; wirr; wo Alles wild durch einander liegt, geworfen wird etc., z. B.:
a) Jener w–e Stoff, ich mag wohl sagen: jenes Unzeug zur Durchsicht hingeworfen. Arndt Ber. 34; Einen w–en Wirrwarr. G. 31, 115; In dem nicht verwüsteten (s. 3), aber w–en Saale. 26, 234; W–e Leerheit (s. 3) umfängt erst Alles. 3, 337; So gingen jetzt in seinem Busen Glück und Hoffnung . ., Wirkliches und Geträumtes auf einmal scheiternd durch einander: In solchen w–en Augenblicken (s. b) etc. 16, 85; Bei der w–en Erinnerung. Höfer V. 159; Wie reines Geld gegen einen w–en Schlackenklumpen. Kolbe Bel. 29; In solchem w–en Getümmel. Luther 6, 4a; Es liegt da über einem w–en Haufen. 5, 277b; W–e Vielwisserei. Prutz GschTh. 59; Uns treibt das verworrene Streben | blind und sinnlos durchs w–e Leben. Sch. 492b etc.; Nachvielen genial-w–en Irrwegen. Eichendorff GschDr. 162.
b) Der Kopf ist mir w–e vom vielen Schreiben. G. 24, 251; L. 12, 4; Einen w–en Kopf, worin sich Alles mit ihm im Wirbel herumdrehte. W. 23, 199; Von dem w–en Kopfschmerz. Arnim 89 etc.; Schwatzt doch nicht soviel! | davon wird mir nur w–er. Fouqué Dr. 1, 141. 3) (s. 2 und Wust, Anm.) öde, s. d., auch für die leicht zu mehrenden Belege, z. B.:
a) von Gegenden, Plätzen etc., denen es an Bewohnern oder an Anbau, oft an Beidem fehlt etc.: W. und öde; W. und leer (s. d. 2c, Schluß); W–e Inseln; Das w–e Arabien; Einen Ort w. legen (Simrock N. 828 etc.); Er liegt w.; W–e Hofstätten, Hufen, Plätze etc. (Rötger 2276 ff.); Die Erde war w. und leer (s. 2). 1. Mos. 1, 2; Wie liegt die Stadt so w–e, die voll Volks war! Klag. 1, 1 u. o.; O du zweimal w–es Land | von der Feinde bösen Hand. Fleming 290; Der diesen Pflanzen geeignete Boden wird so . . geschont, daß man nirgends einen Baum sieht, ja alle die kleinen Ortschaften und Wohnungen liegen auf Rücken der Hügel. .. Ritten wir durch diese w–e Fruchtbarkeit. G. 23, 355; 4, 36; 24, 188 etc.; Luther 5, 468a; 6, 35a etc.; Eine w–e Finsternis (s. 1; 2) breitet sich jetzt über dieser weiten Brandstätte aus. Sch. 1031a; Im w–en Meer. 336a; Ich rufe Geister aus der w–en Tiefe (s. 1). Schlegel Sh. 6, 96; In der w–en Kapelle. V. 2, 89 etc.; Der Obstgarten lag winter-w. Palleske Sch. 1, 250 etc.
b) Das Bett stände w–e [leer, unbenutzt], sie hätten es ehedem gebraucht. Zöllner Reis. 334 etc.
c) Wirst in ihrem Arm du kalt und w. [kraftlos etc.], | will ich zur Sünde dir die Kraft erneuen. Cham. 4, 172 etc.
d) Das w–e Gerinne (s. d.), wo das für die Mühle unbenutzte Wasser abfließt u. ä. m.