Faksimile 0717 | Seite 1539
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weise
I. Wēīse, a.:
(vgl. Weisheit) 1) veraltend (s. I. weis) erfahren, verständig, geschickt etc., z. B.: Daß er w., verständig, geschickt sei zu allerlei Werk. 2. Mos. 35, 31; 1, 41, 39; W., verständige und erfahrene Leute. 5, 1, 13 (s. Weisthum. Möser) etc.; Den ehrbaren, w–n und fürnehmen Herren Bürgermeistern und Rath. Luther SW. 56, 112 (als Titulatur, vgl.: Ew. Weisheit; hoch-, wohlw.); Die w. Mutter (s. d. 1q) oder Frau (Burow Kepl. 1, 31) = Hebamme, davon versch. (s. 2; 3, Schluß und klug): Die w. Frau, eine, der übernatürliches Wissen zu Gebot steht, z. B. = Kartenlegerin. B. 16a; G. 21, 218 etc. 2) in hohem Grad und in löblicher Weise klug (s. d., auch für die leicht zu mehrenden Belege), z. B.: W. und klug. Jak. 1, 3; G. 7, 187; 10, 50; 230; 13, 303; L. Nath. 1, 3; 3, 5; Sch. 771b etc.; ferner allein, z. B. prägn. von Gott. Röm. 16, 27; 1. Tim. 1, 17 etc.; W. Männer, Frauen, Rathschläge, Lehren, Beschlüsse, Bemerkungen etc.; Sehr w. bemerkt; Sich w. dünken etc.; Der w. Thor (s. d. IIa) etc.; Daß ihr w. seid aufs Gute, aber einfältig aufs Böse. Röm. 16, 19 = Daß ihr ebensowohl w. zum Guten als arglos zum Bösen seid. etc. 3) (s. 2) substant.: Der W.; die W–n; Die sieben W–n Griechenlands; Ein W–r („Weißer“. W. 25, 65); Mz. (ohne Artikel): W.; Gotterfüllte W. H. Ph. 3, 209; doch bei Altern auch: Die Einfalt brennt für dich oft eifriger als Weisen. Lichtwer 229; Ein früher Tod, der wahre W–n lohnt. Cronegk 2, 137; 104; Große W–n. Jris 6, 299 etc.; Alle die W–sten aller der Zeiten. G. 1, 103; Daß der W–ste Der ist, der mit dem geringsten Aufwand von Mitteln .. die größten Zwecke erreichen kann. Hebel (Wackern. 4, 1284²¹) etc. In ältrer Zeit (s. 1, Schluß): Ein W–r, Bez. für Jemand, dem geheimes, höheres Wissen, Erkenntnis des Verborgnen etc. zu Gebot steht, z. B.: Da kamen die W–n [kamen W. Eß] vom Morgenlande etc. Matth. 2, 1 ff. [Sternseher]; Der Stein (s. d. 3b) der W–n [Alchymisten] etc.
Anm. Ahd. wîs (s. l. Weis), wisi (s. Graff 1, 1068), mhd. wis, wise (Benecke 3, 751b), s. goth. unveis, unwissend, sich berührend mit ahd. wi, wizo (Graff 1, 1098) zu wissen (s. d.). Zu unserm Wort gehört, außer Weisheit, ahd., mhd. wisheit; weislich, ahd. wislih, mhd. wislich etc., auch: Weise, f., ahd. wisa, wis, mhd. wise, wis; Weisel, ahd., mhd. wîsel und goth. veisan, ahd. wisjan, wissan, mhd. wîsen, weisen, dessen ursprünglich schwache Abwandlung jetzt in die starke übergegangen wie bei verweisen (s. d. und weisen 2), goth. fraveitan. ahd. (far)wizan (Graff 1, 1116; 1114), mhd. (ver)wigen (Benecke 3, 782b; 781b), s. weissagen, vgl. über die mehrfach in einander greifenden Stämme außer dem Genannten Schm. 4, 176 ff. und Wackern. Gl. 602; 603.
Zsstzg. vgl. die von kundig, klug etc.; Weisheit, z. B.: Āber-: (s. aberklug, after-w.) Euer ganzes a–s Jahrhundert von Literatoren. G. 7, 218; A. urtheilen. Prutz GschTh. 330.
Áfter-: (s. aber-w.) Die wahren Weisen . .; die A–n. G. 3, 293; Wo unsre A–n | ein falsches Licht verführt. W. 3, 36; 7, 75 etc. (vgl. auch Philosophaster).
Áll-: Dem a–sten Regierer | unsres Schiffes, unserm Gott. Brockes 9, 620; Vom A–n. Haller 163; Eine allgütige und a–e Vorsehung. Schlegel Mißd. 39 etc.; iron.: Der vernünftige, a–e Mensch. Zelter 1, 212 etc.
Dünkel-: sich weise dünkend, von Weisheitsdünkel (s. d.) erfüllt versch. (s. weise III, Zsstzg.) dünkelsweise —: Der d. Thor etc., vgl.: Eīgen-: Luther 1, 28b, s. selbw. 30a; 6, 142 etc.
Ewig-: E–r Chor [der Himmlischen etc.]. Weckherlin 422.
Gesátz-: (veralt.) Schriftgelehrte und G. Wackern. 3, 380¹⁶.
Gótt-: (veralt.) von göttlich (hoher) Weisheit erfüllt: Den g–en, gescheiten Mann Ulyssem. Schaidenreißer 55b.
Hálb-: Was du auch sein magst, ein H–r oder schon ganz weise. W. Luc. 5, 23; 6, 187; 319.
Hōch-: s. hoch 2d: Die H–n und Gelehrten. Schaidenreißer IV; W. 22, 115; 11, 77; Worauf Diese ihr rathsames Maul in so viele h–e Falten zusammenfitzte. Rockenphil. 2, 279 etc.; bes., vgl. [1], als Titel: Ein h–er Magistrat. L. 1, 118 etc. und iron.: Schulleute sind meist hochweis. Vischer Ästh. 2, 192 = dünkel-w., vgl. wohl-w.
Nāse-: s. naseweis. Natūr- [1; 3]: Natur-Kundiger, -Forscher etc. (veraltend): Unser N–r. H. Ph. 4, 309; Der alte N. 310; 320 etc.
Nēū-: weise nach der neuen Mode (iron.): Die überkluge, n–e Staatssucht. Jahn V. 132.
Nēūnmal-: s. neunklug. Schūl- [3]: Schulgelehrter. Gellert 4, 290 etc.
Sélb-: s. eigen-w. Stāāts- [1; 3]: staats-gelehrt, -kundig: Unser st–r Mann. Börne 3, 375; Die Klugen, die St–n. Ense T. 4, 253; 130; Heine 8, 202. Stérn- [1; 3]: (veralt.) sternkundig. Rollenhagen Fr. 374 etc.
Sūper-: (s. superklug) Rockenphil. 2, 225 etc.; Mein super-s–er Herr Neveu. Holtei Bühn. 4, 279, vgl.: Du könntest kalt und über-w. es ansehen, wenn etc. Tiech A. 2, 39; vgl.: Die Über-w–n. Uhland 120 etc.
Un-: der Weisheit ermangelnd, unverständig, thöricht etc. Tit. 3, 3; Eph. 5, 15; Agricola 576; Görres H. 1, 19; W. 21, 6 etc.
Wélt-: (eig.) in weltlichen Dingen und nach dem Urtheil der Welt weise [1], verständig, erfahren etc., z. B.: Ein subtil, weltweis, kunstreich Volk. Wackern. 3, 332* (Franck); Und Das mißverstand mein w–r [welterfahrner] Oheim so arg? König Saalf. 3, 86; Irrfahrt des w–n griechischen Fürstens Ulyssis [vgl. gott-w.]. Schaidenreißer I; Daß einem jeden Weltmenschen aus alten weltlichen Büchern, zu Reizung und Lieb der Tugend, zu vieler Dinge(n) Erfahrung, auch zu Leitung der Vernunft in allerhand w. Gescheitigkeit .. nicht leicht etwas Fruchtbarlicheres .. erdacht mag werden. IV; Da so viel gelehrter Leute und W–n sind. Luther SW. 64, 344 etc.; dann auch, insofern vom theologischen Standpunkt aus Gott (s. d. 2a) und Welt (s. d.) Ggstze bilden, in tadelndem Sinn, z. B.: Wo find die Klugen? wo sind die Schriftgelehrten? wo sind die W–n? Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Thorheit gemacht? etc. 1. Kor. 1, 20; Wie ist der Teufel so geschäftig durch seine Apostel und W–n. Luther SW. 64, 289; 61, 99; Wenn ich einen w–n Mann, der allein auf die Erden gescheit . ., such ich weniger Geist und Gottsweisheit bei ihm, denn Federn bei einer Sau. Wackern. 3, 380³¹; 381¹ etc., s. 1, 6712⁴ ff., vgl. Weltthor; dann = ein Gelehrter, dessen Studium aber nicht die Gottesgelehrtheit (s. d.) ist, in engrem Sinn = Philosoph (s. d.), z. B.: Die Zunft der W–n oder der Untersucher der ersten Ursachen. Kl. Gel. 17 etc.; selten als Ew.: Der „w–e“ Zeno. Breitinger (Wackern. 4, 20¹⁰, vgl. ¹⁴), gw.: Der W.; ein W–r; die W–n und ohne Artikel: W., z. B.: Manche W. Mendelssohn Morg. 197; Gelehrte (W. kann ich sie nicht nennen). Ph. 1, 35 etc., doch daneben noch zuw.: Einige verzagte W–n. 70; Praktische Philosophen, bewusstlose W–n. G. 21, 129 etc.; vgl. auch (s. Ein, Anm. 1b): Ein strenger Weltweiser. Mendelssohn 4, 1, 14 etc.; Ein englischer Weltweise. Ph. 1, XXI; L. 3, 80; 5, 6 etc.
Wōhl-: s. hoch-w., nam. auch iron.: Ein w–s Kollegium. Scherr Bl. 1, 173; Vischer Ästh. 2, 191 etc.; Unsre hochwohlweise Excellenz. DMus. 14, 2, 83, s. Wohlweisheit.