Faksimile 0639 | Seite 1461
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wahrhaft
Wāhrhaft, a.:
1) = wahr (s. d.) 1a—c; 2a, z. B.: Echt w–es (—⏑) Weibsgebild! | vom Augenblick abhängig etc. G. 12, 189; In einem Aufsatz . ., dessen bald gefühlte Unzulänglichkeit mich zu weitern Forschungen nöthigte und mich immermehr zu dem W–en hindrängte. 27, 321 etc., auch: Mir das W–e sagen. 21, 218 = wahrsagen (s. d. und weissagen). Zumeist wird hier (vgl. 2) das kürzre wahr vorgezogen und noch seltner findet sich in noch verlängerter Form: Desto tiefer redete sie sich in eine w–ige wohlgemeinte Wuth hinein. Hartmann E. 133 etc.
2) als attrib. und prädik. Ew. zunächst von Pers.: von Wahrheitsstreben erfüllt, die Wahrheit liebend und dann auch von Wort und That: solchem Streben gemäß etc. Hier berührt sich w. ganz nah mit wahr 1b; 3a, doch sind beide Wörter nicht ganz gleich, vgl.: Aus Irrthum kann ein Lügner zuw. etwas Wahres und ein w–er Mensch etwas Unwahres sagen, doch wird Jener dadurch so wenig w., wie Dieser un-w. etc.; Ein w–er Zeuge, Geschichtsschreiber; W–es Zeugnis; W–er Bericht etc.; Dieser Zeuge, sein Zeugnis ist w.; Daß sie [die Erzählungen Goethe’s] oft w–er sind als die Wahrheit selbst. Ense D. 2, 319 (Jacobi); Sie sind w. (––) mir stets gewesen, | uneigennützig etc. Freytag DW. 130 etc.
a) Nam. bibl. oft in verlängerter Form: Wer „wahrhafftig“ ist, Der saget frei, was recht ist; aber ein falscher Zeuge betreugt. Spr. 12, 17; W–iger Mund .., aber die falsche Zunge etc. 19; Des Herrn Wort ist w–ig. Ps. 33, 4; Der treue und w–e Zeuge. Off. 3, 14; Herr, du Heiliger und W–iger. 6, 10; Das W–ige. Luk. 16, 11 etc.; Wir müssen unsern Herr Gott nicht halb w–ig und halb lügenhaftig schelten, daß er die Zeit von David an bis auf Herodes in seinem Bunde w–ig (s. 3) und David’s Haus treulich erhalten habe; aber nach Herodes Zeit habe er angefangen zu lügen etc. Luther 8, 69a etc.
b) Dazu: So steht dieses Bild . . auf der Grenze einer gewissen konventionellen Idealität, welche die Kunst, selbst wider Willen, an eine oft beschwerliche W–igkeit bindet. G. 27, 315; W–igkeit (–⏑–) im Mund und Wahrheit in den Sitten. Hagedorn 1, 21; Wie sich die Wahrheit der Poesie von der W–igkeit der Nachahmung unterscheidet. Hartmann BB. 264; Die Wahrheit steht bei Gott. Was wir an Menschen hervorzuheben haben und mit Fug und Recht hervorheben, Das ist die W–igkeit, Das ist die Übereinstimmung zw. Gesinnung und Handlung etc. Mag. d. Ausl. 33, 237b; Radowitz 130 etc.; Die Grund- W–igkeit jener Beschreibung. G. 30, 414 etc.
c) als Ggstz.: Un-w.;Un-w–ig, Un-W–igkeit. 3) als Adv., wo wahr im Allgem. unüblich ist, vgl.: Ein wahrer oder w–er Freund; wahre vder w–e Liebe, Treue etc.; aber nur: Wer w. unser Freund ist, uns w. liebt, es w. treu mit uns meint etc.; Waren die Alten .. w. ganze Menschen. G. 30, 14; Durch entdeckte w. antike Bilder. 414; Alles | ist äußrer Schmerz, obwohl der König, mein’ ich, | w. (–) bekümmert ist. Tieck Cymb. 1, 1 etc., auch: Nicht in tauber Redeblume, sondern wesentlich, wirklich und w–ig giebt der Liebende seine Seele weg. Immermann M. 4, 181; Einige w–ig tugendhafte . . Männer. Iselin (Wackern. 4, 325³¹); Wer ich w–ig (––⏑) bin, was ich vermag, | woher ich stamme, hab ich dir verborgen. Sch. 505b etc. (s. 4); selten: Der ist w–iglich ein freier Mann, er ist von dem Freiheitler himmelweit . . versch. Claudius 6, 41. 4) (s. 3) als Schwur und Betheurungsformel (vgl. wahrlich, fürwahr, traun, in der That etc.) gw. nur in der Form: W–ig, und zwar mit dem Ton auf der 2ten Silbe (der auch sonst s. o. als Nebenton hervortritt) als Hauptton. Luk. 24, 34, u. v.; auch: Wahr (s. d. 4b) und w.!; Wirklich und w. ein Schweinekoben! HKleist 1, 22 = in der That etc.; „Ge- wiß und w.!“ Na, na, na, na! Wahrhaftige[schwöre, fluche] dich halt nicht in die Hitze hinein! Willkomm Bank. 2, 38.