tief
I. Tīēf, a. (s. tauchen, Anm.):
von der Oberfläche — oder dem Oberflächlichen — durch große Entfernung getrennt, von oben aus weit hinab- oder: von außen her weit hinein-gehnd, -reichend, -dringend etc., daher übertr.: intensiv etc., vgl. als Ggstz. in eig. Bed. flach, seicht und zur Bez. der entgegengesetzten Richtung hoch (s. d. 1b; 2; 2a, Schluß):
1) als Maßbestimmung mit fragendem wie, dem ein Acc. (veralt. Genit.) antwortet, z. B.:
a) ,Wie t. ist das Wasser, der Brunnen, Schacht, Keller, das Gefäß?“ etc. Soviel Fuß t.; Schüsseln, die einen Zoll t. sind; Eine fast einen halben Zoll t–e Wunde; Wunde .., die eines Nagels t. . . ist. 326a etc., s. Zsstzg. —
b) Wie t. ist das Gebäude? etc. [wie groß ist seine Ausdehnung von der Front aus nach der gegenüberliegenden hintern Seite]. So viel Fuß t.; In einer acht Mann t–en Schlachtordnung (s. hoch 1b) etc. —
2) ohne Maßbestimmung in ausgesprochnem oder gedachtem Vergleich:
a) s. 1a, z. B. inein- andergreifend: α) T–e und flache Gefäße, Schüsseln, Teller etc.; Ich dacht auch wirklich, dein Pokal wär t–er. 2, 775ē etc. — 8) Hohe Berg’ und t–e Thäler; T–e Schluchten, Schlünde, Abgründe etc.; Das Geschöpf, das .. im Fluge seiner Gedanken so hoch und selig ist und dann wieder .. so t. am Boden liegt. 4, 450²⁰; T. sinken; Den Menschen adelt, | den t–st-gesunkenen das letzte Schicksal. 441b, vgl.: den t.-gesunkensten; Einen t., aufs t–ste beugen, demüthigen, erniedrigen, beschämen; T–e Demüthigung, Erniedrigung; T–er Fall, Sturz; In t–er Demuth, Scham; Sich t. bücken, beugen, neigen, verbeugen; Hab ich .. | vor Ops und Rhea tiefstens [gw.: aufs t–ste] mich gebückt. 12, 141 etc.; Die Lanze t. senken; Sie grüßen sich mit t–er [gw.: gesenkter, geneigter] Lanzenspitze. 6, 42 etc.; Von hoch oben bis t. unten; T. auf der Stufenleiter stehn; Das Barometer, Thermometer steht t., nach der Skala; T–e Töne (versch. γ), nach der Skala oder Tonleiter (s. d. und vgl. Ggstz.: Hohe Töne); Das Lied um eine Terz t–er spielen; T–e Baßstimme etc. — γ) T–es (Ggstz. seichtes) Wasser; T–e Flüsse, Meere, Seen etc.; Aus des Meeres t–em, t–em Grunde. 1, 282; Bis ihn | jäher Todessturz .. t. in die t–e See hinabtaucht. 4, 277; Den Hammer werf’ ich in den t–sten See. 520b = in den See da, wo er am t–sten ist etc.; T–er Brunnen, Graben, Schacht etc.; T. graben, eindringen etc.; T. eindringender Dolch, Dolchstich; T–e Dolchstiche, Wunden; T. eindringende oder t–e Blicke; T–e Einsicht, Forschung; T–er Verstand, Geist etc.; Die Wurzeln einer Pflanze gehn t.; Etwas schlägt t–e Wurzeln, wurzelt t.; Sollte .. in mir der Christ | noch t–er nisten als in ihm der Jude? Nath. 5, 3; T. wurzelnde oder t–e Überzeugung, Treue. A, 2, 260 etc.; Der Grund liegt t–er, nicht so auf der Oberfläche; Den Grund t–er suchen; Etwas tiefer be-, ergründen; Gervinus ist nicht oberflächlich, aber auch nicht t. T. 1, 364; Räsonnement, das t. oder flach .. vorgebracht wurde. 39, 274 etc.; Aus t–er Brust oder t. aufathmen, seufzen; T–e Seufzer; Ein t–es Schluchzen. 4, 1310³⁶; T. im Herzen oder im t–en, t–sten Herzen liegt, ruht, keimt, sprosst Etwas; Aus des Herzens t–em, t–em Grunde. 1, 283; Die t–sten Töne unsres Herzens hinausklingen zu lassen. Ab. 129 (versch. 8); Ein t–es Gemüth, Gefühl, Mitgefühl; Etwas t. empfinden, fühlen; T–er Gram, t–es Weh, t–e Wehmuth, t–es Grauen; Leerten sie den Kelch | höchster Lust und t–sten Leidens. Rom. 69; Er fühlt es t. [,,hoch“. 34, 159] in seiner großen Seele. 13, 10; Was das Herz im T–sten mir bewegt. 124; Was sinnst du mir | .. schweigend in der t–en Seele? 79; Mir ist’s im t–sten Herzen beschlossen. 5, 34; Mehr noch | kränkt’s mich t., daß etc. 22 (vgl.: T–er noch kränkt’s mich); Zu-t–st in deine Seele schlägt | der Zweifel seine Tigerpranke. 1, 642 etc.; T. in der Scheide | ruhe das Schwert! 490b; Etwas t. verbergen, verheimlichen etc.; Er offenbaret, was t. und verborgen ist. 2, 22; O Neigung, sage, wie hast du so t. | im Herzen dich verstecket? 1, 173 etc.; Ein t–es Geheimnis, ein streng bewahrtes etc.; Doch will ich .. | mein t–es Schweigen brechen. 1, 153 etc. (s. ε). — d) Je schwerer das specifische Gewicht eines schwimmenden Körpers ist, desto t–er sinkt er ein; T. gehnde Schiffe (vgl. leichten 1a); T. in den Sumpf, Morast, Schmutz, Schnee einsinken; T–er Sumpf, Schmutz, Koth; In t–em [vgl.: in hohem] Schnee | nach dem Wege tappen. Lieb. 29; T–e [sumpfige] Wege, Straßen; Wegen der vielen Moore und t–en Gegenden. Osn. 1, 157; Überschuhe anziehn, weil es (s. d. 7) draußen sehr t. ist etc.; T. im Schlamm, Sumpf etc., in Noth, Elend etc. stecken; T. (vgl.: bis über die Ohren) in Schulden stecken; T. in der Patsche (s. d.) oder auch bloß: drin sein; Einen sehr t. hineinreiten (s. d.) etc.; In t–es Elend, in einen t–en Schlaf, in t–e Ohnmacht sinken etc.; Aus t–er Noth schrei ich zu dir; Aus t–em Schlaf erwachen; In t–em Schlaf liegen; Was nennst du den t–sten Schlummer? vermuthlich den, unter welchem sich kein t–erer denken lässt. 18, 237; In t–en Gedanken stehn, versunken sein etc.; ferner: mit versch. Nüance: In t–er Trauer sein, entw.: t. versunken darin, oder (s. γ): sie t. (im Herzen) fühlen, s. auch ́. — e) zuw. zur Bez. der Jntensität, des „hohen“ Grades einer Eigenschaft, worin Etwas gleichsam „versunken“ (s. d) ist, z. B.: Man wird nur t–er dumm [dümmer], je t–er daß man sinnt. 7, 94, je mehr man sich ins Sinnen versenkt, desto t–er sinkt man in die Dummheit; Der t.-Erkrankte. 13, 315; Seine Miene war eine t. finstere (s. ́). Leb. 253; Die so t. blind sind. 1, 84b; Die t–e Gleichgültigkeit, worin mich alle diese Reizungen ließen. 5, 30 etc. — ς) (s. c) bes. von einem hohen Grad des Dunkels, z. B.: Aus allert–ster Mitternacht (vgl. b), | wo wir umsonst nach eines Sternbilds Troste spähn, | die Sonne schwebt ja dennoch endlich himmelan. W. 149 etc.; Wagt euch kühn zum Abgrund t–ster Nacht! (s. γ) .. Nur muthig in die Teufe! 6, 25 etc.; Neben dem hellsten Licht auch das t–ste Dunkel zum Kontrast. Br. 1, 518 etc. und von intensiven, satten (s. d. 4) Farben (vgl. blau 1; dunkel 1): Überall t–e satte Farbentöne. M. 1, 43; Ein t–es Schwarz, Blau etc.; T.-blau, -braun etc. (s. vertiefen 1c); In t–er Trauer (vgl. d, Schluß), ganz schwarz (s. Ggstz. Halbtrauer). —
b) (s. 1b) T–e Gebäude, Schlachtreihen; Fest an einander stehen sie, | die t–en Panzerreihn. 2, 834²⁴); Geweihte Lispel schwimmen | dann durch den t–en Wald. 2, 59; T. in Silbertannen-Schatten. 25; T. in den Wald, in die Höhle, Schlucht etc. hineingehn; T. in See sein. 690 (= auf offner, hoher See); T. ins feindliche Land; bis t. nach Indien vordringen; Das Gebirge zieht sich bis t. nach Deutsch- 166* land; Urtheilen Sie [nach dem Anfang des Buchs], wie es t–er hinein aussehn mag. 6, 5 etc.; Er ist t. in den Funfzigen, auch: Ein t–er Funfziger. Ausgw. 7, 189 etc.; T. in der Nacht hörte ich etc. Fr. 169 etc.; Abends, ja t. in die Nacht [hinein] konnte man von mir fordern etc. 22, 235; Bis t. in die Nacht. Fl. 31; Bis in die t–e Nacht hinein. 1, 328 etc.; Schlief in den folgenden Morgen t. hinein. Rev. 2, 217; Man findet Spuren davon noch bis t. ins 16te Jahrhundert etc. — Zsstzg. oder meist Zusammenschiebungen, nam. dem Wie des Vergleichs oder Maßes (s. 1) entsprechend, leicht zu mehren und zu verstehn nach folg. Bsp.: Ábgrund-: tief wie ein Abgrund: Die a–en Felsenketten [von oben gesehn]. (60) 1, 335; Menschenseele, die noch tiefer, | a–er als das Weltmeer. Rom. 241; Mit einem tiefen, a–en flehenden Blick. Reis. 2, 174; Hinab in die Tiefe einer a–en Verzweiflung. W. 3, 302; Par. 1, 231; 2, 332 etc. — so tief, wie ein Berg hoch ist (vgl. abgrund-t., das erste Bsp.): B–e Schlucht. Verst. 1, 110; 2, 171 etc.; Unter mir lag’s noch berge-t. 64a; 1, 2, 594 etc. — So b. steht .. Hackert unter der Landschaftsauffassung unserer Zeit. It. 2, 419. — tiefbedeutsam. 2, 75. — Ein Lächeln .. so e. VrgT. 218, voll tiefer Erinnerung. — G. sein Wort. SW. 4, 278; Das g–e .. Antlitz. gH. 3, 255. — Bei g–ern Nationalitäten. Pet. 1, 299. — tief- eindringenden Klangs wie eine Glocke. 477. — bis auf den Grund gehnd: Welche g–e Veränderungen! Lit. 5, 403. — tief wie die Hölle. B. 174b, gw.: höllen-t. — Kláfter- [1a]: St. 1, 17 etc. — K. in den Koth versinken etc. Leg. 2, 120; 116; Bl. 1, 54. — L–e Augen. Pr. 1, 163; 3, 134 etc. — ungemein tief (wie das Meer): Das war m. erlogen. Am. 500; Aus ihrem meeres-t–en Schmerz. 597 etc. — Púrpur- [2b́]: 1, 1, 63. — S–es Pferd, mit zu tiefem Widerrist, s. 2, 301, auch: „sattelweich“. — Sch. im Wasser watscheln. 34, 52. — von tiefen Schmerzen zeugend etc. Lut. 2, 6. — von Seelentiefe zeugend etc.: Die s–en Augen. Mensch. 1, 163; Welch ein s–er Blick! Mar. 1, 88; Ihre s–en Ansichten. 147; S–e Stimme. Char. 1, 117 etc. — seicht; von geringer Tiefe. 6, 119b. — von geringer Tiefe: Ein u–er Damm. gH. 3, 128, vgl. 1, 285; nam. von Gewässern: seicht. A. 3, 209; Ph. 2, 135 etc. — In der Natur u–e (–⏑) Kräfte dringet. 3, 425, die als Ursprung Allem zu Grund liegend, un- ergründlich tief sind. — z. B. [2b]: W–er geht mein Lauf. 300, tiefer in den Wald hinein. — von wunderbarer Tiefe. — tief bis zur Wurzel. Br. 58.
Bérg-: Brúnnen-: Dēūtungs-: Erínnerungs-: Gedánken-: Gemǖths-: Glócken-: Grúnd-: Höll-: Knīē-: Līēbe(s)-: Mêêr-: Sáttel-: Schénkel-: Schmérzen-: Sêêlen-: Sēīcht-: Un-: Nr-: Wáld-: Wúnder-: Wúrzel-: Work in progress
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