Faksimile 0482 | Seite 1304
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thauen thauig Thauicht)
Thāū~en, intr. und zuw. tr.:
1) (s. dauen und Thau, Anm.) durch den Eintritt wärmerer Temperatur des Frosts enthoben werden (mundartl. läunen etc., s. Lawine, Anm.): Es (s. d. 7) thaut, hat gethaut; Das Eis, der Schnee thaut [schmilzt]; Wenn der Schnee etwas gethaut hat, [bei Thauwetter] ballt er gut; Der Schnee ist von den Dächern gethaut etc.; tr., bes. in Zsstzg. auf-t. (s. d. 2); auch substant. Infin.: Der Strom, der seine Fesseln bricht | in diesem Märzes-T. Freiligrath SW. 6, 244 etc.
2) zu Thau (s. d.):
a) Es (s. d. 7) thaut, es fällt Thau [eig., vgl. b ein nur aus seiner Wirkung Erkennbares lässt Thau fallen, entstehn], z. B. 2. Sam. 1, 21; So weit’s thaut und blaut. Kürnberger N. 2, 184, überall (s. blau 6).
b) (s. a) mit best. Subj.: Thau erzeugen, z. B.: Wie die Nacht schon thaut! Platen 3, 30; T–de Nacht. Creuz 1, 86 etc.; Der t–de Morgen. G. 1, 30 etc.; Am t–den Bach. Sch. 216a etc., vgl. das Folg.
c) von Thau feucht, voll Thaues sein, z. B. eig.: Im sokratischen Becher, | von der t–den Ros’ umkränzt. Kl. Od. 1, 76; Vom Grün, das um ihn thauet, | ist ihm der Blick gestärkt. Uhland 360 (vergl.: Grüener kle, | er touwet an dem morgen. Veldeke) etc. und z. B. vom Thränenthau: Ihm thauten die Wimpern. Pyrker 87; Jhr vertrocknetes starres Auge thaut. Schwab 249; Edle Lust .. macht die Augen t. W. 12, 197 etc., auch (s. Weinthau, als Nachahmung von Cicero’s poeula minuta et rorantia): Es mangelte nicht .. an der Ros’ um die kleinen t–den Becher. 26, 299.
d) wie Thau herniederfließen, z. B.: Der Reinigung t–de Tropfen. V. Ov. 1, 230 etc.; Wo dieser [der Wein] aufs traute | Gemüth mir nicht thaute, | so lag dies gebaute | Gefilde mir brach. Rückert Mak. 1, 98; Ruhe thaut aus deinem duft’gen Kranze. ESchulze 3, 18 etc.
e) mit Obj., faktit. zu d, z. B.: Es wird auf mich das milde Licht | des mütterlichen Auges Ruhe t. Cham. 6, 280; Wie konnt’ es [das Auge] Thränen t.? Grün Gd. 209; Wie auf der Flur Smaragd er Blutrubinen thaute. Rückert Rost. 91a; Thaue von deinem purpurnen Flügel | Tropfen aufs durstige Blümlein! Schubart 2, 140; Den goldnen Saft, den Myrrh’ und Weihrauch t. ESchulze Ros. 121; Du .. thauest mir Wehmuth | in das Herz. Stolberg Gd. 267; Wir [Grazien] t. glühenden Nektar | in die Blume der Sittsamkeit. Sch. 1, 447; Die Er- innrung .. thauet Trost. Tiedge 2, 15 etc.; Segen-, thränen-t–d etc. —Zsstzg.z.B.: Áb-: 1) [1]thauend abschmelzen: Das A. des Eises. Burmeister Gsch. 53; Wenn die Eisberge . . langsam a. 55; Kant 9, 15. 2) [2] nieder-t., z. B. [2d]: Den Segen, der auf dich vom Himmel abgethaut [ist]. Günther 1090 etc. und [2e]: Regen .., den wohl ich könnt’ | a. aus meiner Augen Nacht. V. Sh. 1, 114; Lohenstein Ros. 10 etc.
Án-:
1) [1] Diese Schneemassen thauen .. auf ihrer Oberfläche an. G.
2) [2d] Überirdisch abgeklärt und angethaut. Rückert W. 3, 42, angeflossen (?). Āūf- [1]:
1) intr. (sein):
a) eig.: Ps. 147, 18; Hiob 37, 10; Jene Eisesthürme, | die nie aufthauten. Sch. 539b etc.
b) hinschmelzend zu Nichts (vgl.: zu Wasser) werden etc. Freiligrath Ven. 48; G. 9, 79; H. 9, 377 etc.
c) aus dem Zustand der Starrheit befreit werden: Wenn große Werke der Vergangenheit wieder einmal a. und an die Tagesordnung kommen. G. 22, 109; Diese Herzen werden a. Gotthelf 5, 39; IP. 22, 98; Sie behandelten ihn vertraulich, er thaute bei ihnen auf. Stilling 4, 31 etc.
2) tr.: a. machen: Das Eis a.; Auf-zu-t. | den Frierer. Freiligrath 1, 103; Mit den Feuertropfen [des Weins] will ich das starre Herz erst a. Houwald 3, 138; Meine Thränen thauten mir die Seele auf. Lewald Leb. 4, 104; Wir wollen dich hier schon a., du sollst schon lernen, nach hübschen Augen sehen. Novalis 1, 93. Āūs-:
1) [1] z. B.:
a) intr. (haben): aufhören zu thauen.
2) intr. (sein) und tr., von Eingefrornem: los-t. 2) [2] z.B. [2e]: wie Thau, ausströmen etc.: Die Strahlen . . im Gesang hier aus-zu-t. Rückert 2, 234. Be-:
1) [1] tr.: (selten) Sonne, deren schönes Licht | nunmehr Eis und Schnee bethauet. Opitz 2, 56.
2) [2] intr. (sein): von Thau naß werden und tr.: mit Thau netzen, eig. und übertr., z. B.: Etwas mit Thränen (G. 11, 158; W. 20, 249), Blut (Schlegel Rich. II. 3, 4), Lebensgeist (W. 12, 249) b.; Thränen b. Etwas (G. 1, 67; Tiedge 2, 153); Es möchte deinen Werth | ein Tröpfchen Gunst b., | das etc. B. 18a etc.; Nachdem das heil’ge Bad | mit dem gesegneten B. | von Sünden dich gewaschen. Mühlpforth Leich. 105 etc. Bes. oft Partic. Prät.: Bethaute Gräser, Kräuter, Wiesen etc., Augen (Schwab 424), Wangen (Sch. 24a) etc.; Blut- (Kinkel 422 etc.), thränen- (Schlegel Gd. 1, 281) bethaut c. Dahín- [1]: dahinschmelzen etc. Luther 5, 470a. I. Dúrch- [1]: durchdringend auf-t. II. Durch-: 1) [2] durchdringend be-t.: Mir ist durchthaut | mein Haupt. Rückert (Hohel. 5, 2). 2) = I: Lasst euch doch vom Lächeln| des Himmelkindleins auch d. 2, 434. Ent- [2]: thaund entfließen. WHumboldt 1, 352; 373 etc. Entgêgen- [2]: z. B.: Wo .. vom zärtlichen Auge | deinen Klagen entgegenthaut. Kurz 2, 540b (Denis), die Thräne begegnet. Er- [2]: (ugw.) Ich einmal, fern von Auen, | könnt nicht zum Licht e. 3, 366b (EAFröhlich). Fórt- [1]: (hin)weg-t. Hín- etc.:
1) [1] s. dahin-, weg-t. etc.: Bald ist er [der Reif] hinweggethaut. WhMüller 1, 138 etc.
2) [2] Wie auf des Todes kalte ꝛī0 Hand | sie Thränen .. hingethaut. Matthisson 128; Die Nacht .. thaute Segen hin. V. 3, 194; Ich dien’ der Elfenkönigin | und thau’ ihr Ring’ aufs Grüne hin. Schlegel Somm. 2, 1, bilde dort thauige Ringe; ugw.: Menschliche Gebärden | in harten Marmor hin-zu-t. Platen 1, 188, sie darin duftig, thauzart erscheinen machen etc. Seligkeit (G. 7, 334), Segen (Tieck Cymb. 5, 5) thaut herab etc. und tr.: [Gott] thauet Segen seinem Volk herab. Sanders, deutsches Wörterb. II. Stolberg Sch. 1, 111 etc. Des Kindleins Äuglein thaute die erste Thrän’ heraus. Grün Ritt. 23 etc. Da die Nacht herniederthaute. Schlegel Gd. 1, 153. Von dir thaue die Fruchtbarkeit Gottes auf Saron herunter. W. 26, 190; 13, 77 etc. Lōs- [1]: auf-t.: Die losgethaute See. Freiligrath SW. 1, 350. Bemêhl-: s. Mehlthau 1. Nīēder- [2]: hernieder-t. IGJacobi 3, 107; IP. 3, 146; ESchulze 3, 313; Tieck Cymb. 3, 5; Tiedge 2, 128 etc. Über- [2]:
1) intr.: thauend überfließen (s. d.): Von Gesang die Kehlen ü–d. Grün Sch. 23; Und die Augen ü. Heine Lied. 256 etc.
2) tr.: mit Thau oder thauend überdecken, überziehn (be-t.): Nun ü. Perlen [Thränen] | des hellen Blickes Glanz. Cham. 3, 48; Vom Hauch der Schönheit überthauet. WHumboldt 1, 349; Lohenstein IbrS. 83; Fluren, | die der Morgen überthaut. Matthisson A. 1, 209; Rückert W. 2, 134; ESchulze Ros. 114; Allverklärend überthaut | der Stern fie mit dem ew’gen Feuer. Schwab 459; V. Ov. 1, 46; 2, 21; Werner Osts. 1, 172 etc. Um- [2], tr.: rings be-t.; thauend umgeben: Von Blut umthauet. WHumboldt 1, 387; 3, 420; Wird .. | mein Antlitz schon des Grabes Nacht um-t. 4, 345; Son. 197; 237; Platen 2, 20 etc. Ver-[1]: thauend vergehn: Schnee, der so leicht verthaut. Baggesen 3, 161; V. 4, 42; Kälte verthaut dem Favonius. H. 1, 21; 267 etc. Wég- [1]: hinweg-t.: Sie thauet mir unter den Händen weg. Möser Ph. 3, 58. Zer- [1]: thauend zergehn (s. ver-t.): Bei deinem Lächeln, dem ich will z. Rückert 2, 333; Hartmann Pet. 35 etc. Zū- [2], z. B. [2e]: Des Himmels Wolken thauten | der Erde Frieden zu. Rückert 1, 89.
~ig(~icht), a.:
voll Thaues: Im t–en Rasen. Baggesen 1, 167; Duft des t–en Morgens. 131; T. Moos. G. 31, 169; V. 1, 50; Zachariä Tag. 6; Aurora mit t–tem Finger. 4 etc.; Einen t–en Blick. Kürnberger N. 2, 9 (s. Thau 2d) etc., auch zuw. entsprechend dem Genit.: des Thaus, z. B.: Wie thauichter Duft im Abendroth. Salis 3; Die t–en Thränen möcht’ ich weg vom Boden. Schlegel Rich. III. 5, 3 etc.; Zsstzg.: Trauerweide thränen-t. Hungari 2, 685 etc., vgl.: Ros’ und Lilie morgenthaulich. G. 4, 11 etc.