Faksimile 0309 | Seite 1131
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speien
Spēīen, spie; gespieen oder mit schwacher Abwandlung intr. (haben) und tr.:
aus dem Munde auswerfen:
1) von lebenden Wesen:
a) Speichel auswerfen (s. spucken): Beim Rauchen viel s.; auf die Erde, in den Speinapf s.; auch: In die Hände (s. d. 6i) s., ein Werk frisch angreifend; ferner bes. (s. pfui) als Zeichen der Verachtung: Einem unter (die) Augen (s. d. 11m), ins Gesicht s.; Wenn ihr Vater ihr ins Angesicht ge- speiet [in das Gesicht gespien. Mendelsfohn] hätte. 4. Mos. 12, 14, vgl.: In seinen eignen Busen zu s., um durch dieses Zeichen der Verachtung seiner selbst die Göttin [Adrasten, Nemesis] .. zu versöhnen. W. Luc. 5, 176 etc., s. auch Zopf; Speit auf mein jüdischen Rocklor. Schlegel Kaufm. 1, 3 etc.; In (B. 35b etc.), auf (Glaßbrenner Verk. 6 etc.) Etwas s. es mit höchster Verachtung behandeln, vgl.: Einen s. Wackern. 3, 229³¹; Pictorius, heute gw.: ver-s., spotten, verhöhnen etc. (s. Gespei 3 und Weinhold 92a).
b) vomieren (s. d. und köcken; kotzen; appellieren etc.). Jes. 19, 14; 28, 8 etc.; Spr. 26, 11; 2. Petr. 2, 22 etc., s. nam. Wackern. 3, 18¹⁰; Blut-S [-Brechen]. Pfeffel Pr. 9, 16 etc.; auch übertr.: Verschlucktes wieder von sich geben. Zinkgräf 1, 124 etc.; s. auch Busen 6.
c) Ein Drache, Ungethüm etc. speit [vgl. sprüht etc.] Feuer und Blut. (Cham. 3, 30), Rauch und Blut und Feuer (Sch. 624b) etc.; Feuer-s–de Drachen (W. 2, 66), Chimära (Luc. 6, 118), Löwen (G. 31, 149) etc., s. 2a und von Zorn- u. Wuthausbrüchen von Pers.: Feuer (s. d. 5d) und Flammen s., ähnl.: Gift (s. d. 3) und Galle (s. d. 9) gegen Jemand s. etc., auch: Speie Feuer und Mord aus den Augen! [blicke wüthend]. Sch. 124b etc.; Über dir mag die Verleumdung geifern, | die Verführung ihre Gifte s. Sch. 6b etc.; ferner von den dem Mund entströmenden Worten etc. (vgl. Gespei 2): Spr. 15, 2; Du speiest viel unnützer Wort. Luther 1, 376b; 361a; Solche Lästerung wider unsern Herrn s. 8, 251a; Zoten s. Nicolai 3, 26 etc.; ohne Obj. (vgl. geifern): Da flucht . ., schreiet und speiet er also. Luther SW. 26, 2; Kein Weib .., | die nicht wider ihn zischt’ und spie. Freiligrath SW. 4, 121 etc.
2) (s. 1.) von unbelebten Wesen die freilich in der urspr. Auffassung mehr oder minder als belebt gedacht wurden —, z.B.: von Feuerbergen, Feuer und Kugeln etc. sprühendem Geschütz (vergl. c; Drache 3c; Schlange 3b), v. strudelndem Wasser (vgl. Drache3detc.) u. ä. m.:
a) Feuer-s–de Berge [Vulkane]; Gebirgesschlöte, feuer-s–de. Rückert 1, 161; Der Abgrund [des Vesuvs] speit einen abermaligen Brand. Forster Jt. 2, 171; -Nachdem er [der Gebirgsstock] viele Jahre lang gespieen. Humboldt KlSchr. 1, 137; WHumboldt 1, 343 etc.
b) Vielleicht 120 Feuerschlünde .. spien Tod und Verderben. Hackländer SKr. 157; Die Schiffe speiten Feuer. Opitz 2, 267; Sch. 20a; Kupido lässt .. aus seinen Augen Strahl auf Strahl | der Liebe ganzes Arsenal | wie Elliot’s Feuerkugeln s. W. 11, 227 etc., vgl. von den Schützen: Sie speiten Feuer (Kirchhof Disc. Mil. 28); Flamm’ und Tod (Gleim 4, 35) etc.
c) Acheron und Periphlegeton | s. ewige Flammen. G. 7, 305; Wie ihn der Teich verschlang und wieder von sich speite. Nicolai 8, 126; [Die Woge] speit von ferne den Salzschaum. V. Jl. 4, 426 etc.
d) Schnell, wie aus der Erde gespien, standen sie da. Sch. 1039a etc. s. aus-s. 3) Dazu:
a) Spei aus, du Speier, deinen Gift (s. 1c). Gleim (L. 13, 622); Speier und Schreier. Luther SW. 26, 68; 64, 82 etc., auch (s. 2a): Feuerspeier [Vulkane]. Merck’s Br. 323; Bei den Glut- und Wasserspeiern. Freiligrath 1, 13, den isländischen Vulkanen, Geiser und Hekla etc. Fortbild.: Speierei [des Vesuvs]. Platen 7, 354, Ausbruch, auch (s. 1b) = Kotzerei etc. (vergl. Gespei h).
b) Speiung, gew. nur von Zsstzg.
Anm. Goth. speivan, ahd. spi(w)an, spiuwan, mhd. spien, spiuwen. Die starke Abwandlung überwiegt, doch s. o., ferner z.B. spei(e)te. Glaßbrenner Vrk. 6; Gotthelf U. 2, 105; Luther 5, 307a etc.; gespeiet. SW. 26, 21; Spr. 26, 11; 2. Petr. 2, 22; Fischart B. 224b etc. Nbnf.: speiben. Schm.; Schaidenreißer 51b; ausgespyben. 38b etc.; Impf.: spieg. Rollenhagen Fr. 359; Weidner 363 etc.; Er „spewet“. Eppendorf 17; speuzet. Garzoni 880a; ausspeizet. Franck Chr. 498b (vergl.: Das „außspeichen“ desselbigen zu empfahen. .. Von der eingenommenen „außspeitzet“. Ryff Th. 290 = Speichel), vgl. spützen, spucken, lat. spuo, sputo, gr. πτó, zóττω. Ableit.: Speichel, goth. spaiskuldr („eig.: Speischelte, Beleidigung mit Anspeien?“ Wackern. Gl. 491), ahd. speihhaltra, spîchilla, mhd. speicholter, speichel, s. auch: Spei, Gespei; ferner nach Wackern. auch Spott, ahd., mhd. spot, spotten, ahd. spottôn, spottên.
Zsstzg. vgl. die von spucken etc., z. B.: Án-: nam. [1c] als Ausdruck höhnender Verachtung: Speieten [,spieen“ Eß] ihn an. Matth. 27, 30; 5. Mos. 25, 9; B. 57a; Cham. 4, 129; Sch. 142a; W. Luc. 5, 151 etc.
Āūs-:
1) intr., z. B.: Speie aus und rede besser! Weise Jak. 73 etc., nam. (s. pfui): Spie sie mit Verachtung vor mir aus. W. Luc. 4, 293; L. 1, 342; Matth. 26, 27 u. o.
2) tr.: [1b; c; 2] speiend oder wie speiend Etwas von sich geben, auswerfen etc. 3. Mos. 18, 25 ff., Hiob 20, 15; Spr. 23, 8; Off. 3, 16; Es habe hier das Meer mich ausgespieen. Cham. 4, 157; 15; 51; Die Übrigen speit die Gerechtigkeit auf die Galeren aus. Forster Jt. 2, 207; WHumboldt 1, 364; [Daß er] so bittre Ding wider uns ausspeiete. Luther SW. 61, 26; Da speiet das doppelt geöffnete Haus | zwei Leoparden auf einmal aus. Sch. 70b; 79b; Speie die Natur mich aus ihren Grenzen aus! 136b; 137a; 463b; 1079a; M. 1, 49; Schlegel Sh. 6, 219; Thümmel 5, 4; Der Frevler speit in Wellen rother Fluth | die schwarze Seele aus. W. 20, 25; 24, 59 etc.
3) (selten, vergl. 2): Ein Feuer a., durch Speien löschen.
4) intr.: mit dem Speien zu Ende sein, z.B. [2a]: Ein Feuerberg, der ausgespien hat etc. Be-: z. B.: Er bespeiete [1b] seine Kleider. Olearius B. 77a; Wackern. 4, 17²⁷ etc., auch [1a]: Du edles Angesichte! .. | wie bist du so bespeit [durch An-S. verhöhnt, s. ver-s.]. PGerhard (Wackern. 2, 473 ¹⁰); Bespieen. JvMüller 6, 117 etc. und [1c]: Kein Schimpf, womit sein Arger den Bischof nicht bespeit. Reithard 84 etc. Eīn-: z. B. [1a] in die Hände etc.; [1c]: [Geldanken .., | welche dir speit der Teufel ein. HSachs 4, 3, 14a. Entgêgen-: z. B. [2]: Hektor’s Stirn, die Blut entgegenspie. Shakspear 6, 205; Göckingk 1, 279 [2a] etc. Hêr- etc.: z. B.: Jene scheußliche Sophistik, die uns die Hölle heraufgespien. Görres V. 115 etc.; Der Strom .. speit ewig hinauf. Sch. 50a etc.; Daß der Ätna Feuer und Asche oben heraus speiet. Fischart B. 27b; Alle den Unflath hat der Teufel durch Mahmet auf einen Haufen her- ausgespeiet. Luther 8, 14a; 5, 277b etc. Nāch- [1a]: Einem n., hinter ihm drein speien (pfui nachrufen etc.). Nīēder-: z. B.: Dies Wölkchen .. wird Blitze n. [2]. Alxinger D. 19 etc. Uber-: z. B.: So überspeit Ⅰ0] er euch mit Drecke. Kästner 2, 187 etc. Ver-: z. B.:
1) [2c] Die Woge .. verspeiet den Salzschaum. Stahr (Hausbl. 56) 1, 215 = V. Jl. 4, 426 etc.
2) [́, s. Gespei 3: verhöhnen, zunächst durch An-S. (gw. mit schwacher Abwandl.). Mark. 10, 34; 15, 19; Luk. 18, 32; Fischart B. 10a; Gellert 2, 203; H. Ph. 13, 260; Verspottet und verspeiet. Kretschmann 5, 424; Lohenstein IbrS. 87; Des Kardinals Name ward .. verspeiet und verdammt. Luther 6, 326a; 8, 91a; Reithard 333; Was ihnen heilsam ist, „verspüwend“ sie. Zwingli 2, 4 etc. Wīēder- [1b; 2]: speiend wieder von sich geben. Agricola 542; Platen 4, 114 etc.