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sieden
Sīēden, sott, siedete; gesotten, gesiedet; Siede-, intr.; tr.:
kochen (s. d.), gw. nicht 1c; 2c—f, dagegen:
1) = kochen 1a: Das Wasser siedet. G. 10, 166; Da es siedete nun im schimmernden Kessel. Stolberg Il. 18, 348 [Nachdem das Wasser gekocht. V.]; In dem Kessel über dem Feuer siedete Milch. ALewald 1, 37 etc.; Da bratet’s und siedet’s. G. 2, 110; In den .. Töpfen etc. .. sotten oder brieten sechs Schinken etc. Immermann M. 3, 4 etc.; Ein heiß s–d Töpfen. Jer. 1, 13 (vgl. siedheiß); Feuer brenne, Kessel siede! Sch. 572b etc.; bildl. (vgl. 2): Unter der Schwelle | siedet die Hölle. G. 11, 200 etc. und mit Hervorhebung der Ortsverändrung (s. kochen, Anm.; aus-s. 2): Durch die Rauchgluth | siedet Balsam | aus dem Harzbaum. 10, 306, vergl. (s. 2): Ein Blutstrahl siedet aus der Kehle. Freiligrath 1, 223, dringt s–d (zischend) etc.
2) = kochen 1b: Es wallet und siedet und brauset und zischt. Sch. 63b; G. 26, 121 etc. (s.1, Schluß), selten starkformig: Hiob 41, 21 (s. Anm.); Des Euphrat’s wilde Wogen sotten. Kretschmann 2, 84 etc.; Meine Eingeweide s. Hiob 30, 27; Es kocht | das innre Mark, die schmerzliche Begier | der Rache siedet schäumend in der Brust. G. 13, 146; 1, 172; Den Drang einer s–den Leidenschaft. 21, 85; 161; Nun war aber Alles in der ersten Wirkung und Gegenwirkung gärend und s–d. 22, 220; Den s–den Haß. 27, 21; Steinerne Herzen mit s–den Köpfen paaren. Gentz Rev. 132; Heiße Thränen siedeten in Änneli’s Herzen. Gotthelf G. 75; Bis der Trinette das Gift im Herzen siedete bis in den Kopf hinauf. U. 2, 229; Kl. Od. 2, 136; Alle seine Pulse siedeten. Kürnberger N. 2, 96; Lewald Ferd. 1, 365; Prutz Mus. 2, 305; Von Wein und Begierde siedete mein Blut. Sch. 710b; W. 20, 67; 25, 91 etc.; selten (s. o.): Der Kampflust heißes Blut in seinen Adern sott. Rückert Rost. 82a.
3) (s. 1; 2) wo kochen nicht gw. —, von der Empfindung des Sodbrennens (s. Brennen II, vgl. Bock D. 518) etc.: Der heiße Magen „sodt“, der Mund blieb offen stehn. Opitz 1, 180; Wenn die Bähschnitte zu fett wären, so siede ihn der Sod. Schweinichen 2, 358, vergl.: Bei Solchen wird die Butter geschwind zur Galle erwecket den Sod. Krünitz 7, 475.
4) = kochen 2a (doch s. kochen, Anm.): S. ist: einen Ggstd. durch im Wallen erhaltenes Wasser eßbar machen oder doch wenigstens seine Eßbarkeit erhöhen. Rumohr K. 49:
a) so gw. von Ggstdn, die in der s–den Flüssigkeit im Ganzen ihre Form behalten (vgl. c), z. B.: Kartoffeln, Eier (Günther 385; Hebel 3, 75 etc.), Krebse (Müllner 7, 255), Hummern (Lichtenberg Hog. 1, 41), Fische (G. 2, 279; 39, 54) s.; So ist der Fisch nicht gar zu blau gesotten. Gellert 1, 55; Die weingesottne Forelle. V. 2, 117 etc.; Fleisch .., nicht roh, noch mit Wasser gesotten, sondern am Feuer gebraten. 2. Mos. 12, 9; Rückert Mak. 1, 107 etc., vgl.: Gesottnes und Gebratenes. G. 19, 106 etc. (s. braten 2), vgl. ugw.: Sie nahm einen Teig und knetete und „sod’s“ [rührte ihn ein. Zunz]. 2. Sam. 13, 8.
b) selten von Gerichten, die aus den Jngredienzien auch der Form nach gleichsam als ein wesentlich Andres hervorgehn, so z. B. gw. nur: Eine Suppe etc. kochen (nicht: s.), doch findet sich auch (vgl. 5b) nicht bloß bei Alteren z. B.: Eine liebliche Gallerei [Galerte] von Kalbs- und Schweinfüßen gesotten. Garzoni 749b; Mit gesottenen Tränken, Saften u. dgl. Ryff Sp. 235a etc., sondern auch noch: Einen so starken Kaffe zu s. Gutzkow R. 9, 355, vgl.: Der Kaffesieder. Talvj 2, 7 (nam. südd. statt Kaffe-Schenk, -Wirth), ähnl. Methsieder. Schm.
c) auch von einer veralt. grausamen Todesstrafe: Verbrecher (in Öl) s., ver-s. [gw. nicht: kochen]. Schm.; Brem. W. 4, 729 etc.; übertr.: Lasst mich zu Tode s. in Melancholie. V. Sh. 2, 325.
d) sprchw. (wohl hergenommen von Eiern, doch s. Schm.): Ein hart gesottener Sünder. Sch. 150a, ein verstockter etc.; Der hartgesottenste der preußischen Junker. Scherr Bl. 1, 130 etc., vgl.: Edgar ist ein halbgesottner Ungestüm und er weiß nicht, was er will. Börne 1, 57 etc., so gw. nicht: gekocht.
5) vielfach in techn. Anwend. außer der Küche (vgl. kochen 2b und Anm.):
a) (vgl. 4a) von Obj., deren Form dieselbe bleibt, während sich das Aussehn, die Farbe etc. ändert, z. B.: Sott Garn im Kessel. Grimm M. 69; Aberglaube, daß das Garn am weißesten gesotten werde, wenn man dabei recht lügt. IP. 7, 88 etc.; Ein in Wachs gesottener Meerschaumpfeifenkopf. Immermann M. 1, 212 etc.; Gold- und Silberwaaren werden mit der Beize gekocht, daher die Operation das S. (beim Silber auch Weiß-S.) genannt wird. Karmarsch 1, 1; 2, 719; G. 29, 152; Die Silberarbeiten werden in sehr verdünnter Schwefelsäure gesotten. Mitscherlich 2, 2, 310; Der Weißsieder [in Münzen] etc.
b) (vgl. 4b) von Erzeugnissen, die erst durch das S. in der für den Gebrauch dienenden Form entstehn: Beim Alaun-S. G. 21, 253; Harz, Leim, Pech, Salpeter, Salz (s. c), Seife, Soda, Theer, Thran, Vitriol, Zucker s. etc., vgl. : Die erste Hauptoperation [bei der Bereitung der grünen Seife] wird das Vor-S. genannt; es folgt dann das Klar-S. .., den Überschuß an Wasser durch Abdampfen zu entfernen. Karmarsch 3, 265 etc.; Während der Siedung [der Soole]. Rabe Meckl. (47) 131; 127 etc. Dazu: Alaun etc. -Sieder und -Siederei (das Gewerbe des Alaun etc. -Siedens und die ganze Anstalt, Fabrik), auch ohne Bstw., wo dies als bekannt vorausgesetzt wird, z. B.: Am sichersten gelingt die Siederei [der Seife] mit guter raffinierter Soda. .. In sehr vielen Siedereien etc. Karmarsch 3, 261; 257 etc. und so z. B. auch: Bei der Grünsiederei [Bereitung der grünen Seife]. 266 etc.; Sprchw.: Das denkt wie ein Seifensieder. Sch. 329b, von banausischer Gesinnung; Leimsieder(in Südd.): „Mensch, der mit Nichts fertig wird“. Schm.; langweiliger, sich für Nichts interessierender Kerl etc.
c) (s. b) Im Salzbergbau des Haselgebirgs: das Salz aus dem Salzthon durch zugeleitetes Quellwasser auflösen, nam. in Zsstzg.: Auf-, ver-s. Scheuchenstuel 16; 254 (vgl. Ofen 6).
Anm. Ahd. siodan, mhd. sieden. Das starke Partic. gilt nam. für 1; 4; 5; seltner das Impf. sott (für den Konjunkt. sötte wüßte ich keinen mustergültigen Beleg), s. ferner nam. 2. Die Formen mit eu statt ie in der 2; 3 Pers. der Ez. des Präs. und im Imper. sind ganz veralt.: Daß das tiefste Meer seudet (2). Hiob 41, 21; Er „seutt“ die Butter .. heraus [aus den Käsen]. Agricola 290; Das seud dann in einen starken Essig, bis daß das Halbtheil ein- geseut. Büchsenmeist. 9; 8; 11; 26; 27; Kantzow 2, 429; Ryff Sp. 280 etc. Vergl. auch: Eine sieden[d]heiße Quelle. Olearius Reis. 386b etc. (s. siedheiß und siedig). Dazu: Sod; Sud; mundartl. etc.: (ge)söd, a.: leicht zu sieden, Ggstz.: un(ge)söd, auch von Menschen: schwer zu behandeln, mürrisch etc. Stalder; Den unsöten Mann,,Vox et Fama“ erregen. Luther 6, 326b.
Zsstzg. vgl. die von kochen, z. B.: Áb- [4; 5]: Grüne Bohnen, die sie in Wasser a. G. 23, 39; Abgesottene Kartoffeln (9, 312); Forellen (Kurz Sonn. 54) etc.; Seide a. [entschälen]; Stecknadeln, Münzen a. [weiß-s.] etc. An- [4; 5]: Häcksel zum Viehfutter a. etc.; Die Wolle muß, um .. sich blau zu färben, vorher mit Alaun angesotten werden. Karmarsch 2, 307; 392; 1, 743; 3, 13 etc.; A.: Metallproben im Probierscherben mit den ge- eigneten Flußmitteln sieden, s. Scheuchenstuel 11.
Āūf-:
1) [1; 2] Kühle Fluth | siedet auf zu Feuerwellen. G. 4, 24; 12, 54; Mein Blut siedete auf. Hippel Leb. 1, 278; V. 2, 14; Ov. 1, 84; Än. 7, 465 etc.
2) [4; 5] eig., s. auch [5c]: Um die Seele .. damit [mit den Künsten] auf-zu-s. [aufzufrischen etc.]. Heinse 5, XXII; Solche Geschichten auf-zu-s. und genießbar zu machen. Zelter 2, 71 etc. Aūs-:
1) [1; 2] zu Ende sieden. 2) [1] siedend auslaufen: Es braust a–d der Kessel. V. 1, 22 etc. 3) [4; 5] z. B.: Das Fett a., heraus-s. etc.; ferner: siedend fertig machen: G. 29, 151; Garn, Silber a. etc., auch übertr.: Wer zu einem Poeta laureatus ausgesotten und ausgebrannt sein will. JP. 4, 141. Eīn- [1; 4; 5]: s. einkochen, z. B. intr. (sein): Die Suppe siedet ein. G. 1, 112; Wackern. 2, 1776²⁸ etc.; Ein bis auf die bloße Fiber eingesottenes Fleisch. Rumohr K. 49; Den eingesottnen Topf. 52 etc., auch refl.: Daß sich die Wässerigkeit davon verzehre und einsiede. Ryff Sp. 280a etc., oft tr.: In Wasser gelöst und wieder eingesotten. Karmarsch 2, 461 etc. Ent- [1 etc.]: Dunstendes Schwefelgesümpf, das geborstenem Boden entsiedet. V. Ov. 1, 287. Herāūs- etc. [1 etc.]. Klār- [5b]. über- [1; 2]: siedend überlaufen etc.: Daß das heiße Blut übersiedet. Görres Ver. 43 etc. Ver-:
1) [1] durch starkes Sieden verderben (s. zer-s.) oder (nam. von Flüssigkeiten) verdampfen, auch übertr. [2], vgl. verrauchen 1c; d und tr. (faktit.), z. B.: Damit der Braten nicht verdorre und das Fleisch nicht versiede. Garzoni 786a; Mit einem versottnen Grashecht. Immermann M. 2, 107 etc.; Daß die Berge vor dir zerflössen, wie ein heiß Wasser vom heftigen Feuer „verseudet“. Jes. 65, 2 etc.; Daß die Rachgier eine wüthende Leidenschaft ist, die nicht leicht innerhalb des Menschen verstürmt und versiedet. Engel 7, 256 etc.; Dürfen doch auch seine feinen Salze nicht versotten und ausgelaugt werden. Rumohr K. 133 etc.
2) tr.:
a) s. 1; auch [4c].
b) [5] siedend verbrauchen, verwenden, verarbeiten: Wann’s also versotten, destillieren sie es. Fischart B. 266b; Man versiedet drei Centner Palmöl mit zwei Centnern Talg. Karmarsch 3, 263; Talg . ., zu harter Seife versotten. 268; Die Soole wird dann auf gewöhnliche Art versotten. 2, 461; Von welchem Gehalt die Soole in hiesiger Saline meist ver- Sanders, deutsches Wörterb. Il., sotten wird. Rabe Meckl. (47) 126 etc.
c) [5c]. Vōr- [5b]. Wēīß- [5b]. s. ver-s. 1: Der Hahn wurde so lange gekocht, bis er fast zersotten war. W. 29, 187 etc.
Zer-: