Faksimile 0221 | Seite 1043
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Schweig Schweige schweigen Schweignis schweigsam
Schwēīg etc.:
s. Schwaig.
~e: s. schweigen 1d. ~en, intr. (haben), tr., schwieg; geschwiegen u. (s. 2) mit schwacher Abwandlung:
1) die Laut-Außerung zurückhalten, von Allem, was sich dem Ohr vernehmlich zu machen im Stande ist, bes. oft von Pers., insofern sie nicht sprechen wollen, z. B. auch in Bezug auf zu bewahrende Geheimnisse etc., ferner, nam. im gehobnen Stil, z.B.: Die Musik; die Leier (Gleim 4, 17); der Gesang; die Vögel im Walde (G. 1, 79); der Urwald (Cham. 4, 54), die Wüste (30), Wildnis (43) etc.; der Wind (Mark. 4, 39; Steffens Malk. 1, 25), der Donner (der Geschütze); das Geschütz; die Kanonen (G. 25, 228); Der Lärm etc.; die Stimme des Herzens, das Herz, Gewissen etc. schweigt (still etc.).
a) mit abhäng. Präpos.: Von oder über Etwas sch., nicht sprechen; Zu Etwas sch. oder still sein, keine Einwendungen dagegen laut werden, es sich ruhig gefallen lassen; Vor Einem oder vor Etwas (personif., z. B. Ense T. 2, 12; Forster Br. 1, 406; JP. 7, 31) sch., aus Ehrfurcht, sich davor beugend etc.; Gegen Jemand sch., die Mittheilung gegen ihn zurückhaltend; Einem gegenüber sch. etc., auch: Davor, dagegen, Dem gegen- über muß ich sch. oder verstummen, kann ich Nichts sagen; Auf eine Frage sch.; Vor Erstaunen, Verwundrung, Schreck sch. etc.
b) vralt. mit Genit. statt von (s. a). Ps. 39, 3; Luther 1, 448a etc. u. noch: Ich will | in meinen Blättern dein nicht sch. H. 11, 25, s. ge-sch.; auch; Schweig solcher Wort! Schaidenreißer 49a etc.
c) mit Dat., in gehobner Rede: Einem sch., gegen ihn sch., ihm nicht antworten etc. Ps. 28, 1 etc.; G. Zelt. 1, 99; Reinh. 190; 274; V. Br. 2, 226 etc.; Schweigt dir die Stimme des Prophetengeistes? Sch. 472b; 470b etc.; auch: Der Allbarmherzige | schwieg meiner Bitte, meinem Flehn. Gleim 6, 72 etc.; ferner: Republiken wollen sie stürzen, können einer Metze [gegenüber] nicht sch. [ein Geheimnis bewahren]. Sch. 163b etc.; Ein Lied .., | [vor] dem sch. und lauschen die Vöglein alle. Hungari 1, 23; H. 9, 247; Kosegarten Po. 1, 36; Dieser Pflicht muß jede andre sch. [ihr nachstehnd zurücktreten, verstummen]. W. 20, 177 etc.; Ein wachsames Gefühl .., das nie [zu] dem Übel schweigt. Haller 150; Weil du geduldig solcher Thorheit schweigst. Körner 138a; Luther 1, 361a etc.; ferner: Längst, daß liebe Pforten | mir auf ihren Angeln schwiegen. G. 4, 15, nicht für mich sich öffnend ertönten etc.; vgl. gw. mit ethischem Dat.: Davon schweig mir! etc.
d) parenthetisch, zur Angabe, daß man Etwas als neben dem schon Erwähnten keiner besondern Erwähnung mehr werth od. bedürfend übergeht, z. B.: Die Insel der Papimanen etc. (daß ich von den übrigen Ländern schweige). G. 19, 189 = (um von den übrigen Ländern zu sch., häufiger: zu ge-sch.); ferner: Zuletzt auch der Aufruhr Sichri ihn hart plagt, ich schweige der Pestilenz (s. b) etc. Luther 6, 166a; Wo wollt die Welt soviel Holz . . nehmen, daß sie damit eines Tages Frost und Eis zerschmelzet, ich schweige eines ganzen Winters Frost? 5, 470a = um von dem Frost eines ganzen Winters gar nicht zu reden etc. und (mit Fortfall des „ich“): Die noch nie haben recht reden können, schweige denn [viel weniger] dolmetschen. 140b; Das ist nicht menschlich, schweige denn christlich. 8, 252b etc.; Schweige denn daß. 51a; 1, 405b etc., heute gw.: geschweige, s. ge-sch.
e) adjekt. Partic. Präs., nicht bloß: Sch–de Personen; Sch–d Etwas thun; Sie hatten sch–d sich verständigt. Rückert Morg. 1, 208 etc. u. von Nicht-Pers.: Die sch–de Nacht. Börne 2, 488; Das Hüttenthal wird stiller | und sch–der der Wald. Tiedge 2, 99; Durch sch–de leicht angelehnte Thüren [nicht knarrend]. W. 11, 219 etc., sondern auch meton., z. B.: Auch trägt sie es in sch–der [= sch–d in] Geduld. 193; Jeden zum lauten oder sch–den Beistimmen nöthigen. 39, 264, Beistimmen in ausgesprochnen Worten oder ohne solche; Ihre zarte, sch–de halb-sch–de, halb-andeutende Manier. 18, 225 etc.; verstärkt: Still- sch–d. Cham. 3, 319 etc.; Still-sch–de Übereinkunft (G. 19, 64 etc.), Übereinkommnis (W. 5, 124), Einwilligung (4, 197); Eine Art von still-schweigender Zusammenverschwörung. 31, 112; Verstand den still-sch–den Sinn dieser Zumuthung. 5, 242; 27, 312 etc.; adverb. auch: Stillsch–d s. Kohl Pet. 1, VI etc., vergl.: Stund er still-sch–s auf. Olearius Reis. 227a (s. zusehends); seltner (vergl. hoffen 2k): [Das] gesteht er sch–tlich. Rückert W. 3, 114.
f) subst. Infin.: Sein tiefes Sch. (G. 1, 153), das Still-Sch. (17, 305) brechen; Dies tiefe Todten-Sch. unterbrechen. Sch. 563a; Seh ich nicht an dem todten Still- Sch. eurer Freunde, daß etc. G. 9, 254; Das beredte Still- Sch. L. Samps. 2, 3; Durch lautes | Sch. Kl. Od. 2, 139 etc.; Über (W. 2, 97) oder seltner: von (L. 5, 46) Etwas Still-Sch. beobachten etc.; Den Groll zum Sch. bringen. Cham. 4, 132; Das Sch. der Musik. W. 18, 269 etc.; personif.: Ein ew’ges Sch. schwebt, | die Flügel weit gespannt, um seine düstern Zinnen. ESchulze 3, 298 etc.; selten als Bez. einer schweigenden Pers.: Koriolan (zu seiner Gattin): Mein lieblich Sch., Heil! Shakespeare 6, 231. Ferner m. Obj. (vgl. 2), z. B.: g) Was ihr (Wald und Au] schweiget, was ihr tönt. KMayer 26, was euer Sch. etc. kundgiebt. h) Etwas sch., in heutiger Prosa gew.: ver-sch., in Sch. verbergen, hüllen etc., z. B. Luther 1, VIII; 338a; 5, 360b; 361a; 6, 9b etc. u. noch dichter.: Arndt 335; Schweigst du mir | das Kostbarste? etc. Sch. 14a; Noch einen Grund .. darf ich nicht sch. W. 10, 234; 232etc. i) mit Angabe der Wirkung: Man kann alle Dinge todt sch., aber nicht todt keifen. Sprchw. (Schottel 1135a), durch Sch., nicht durch Keifen todt und vergessen machen; Etwas (Spielhagen Pr. 6, 27; Volks–Z. 10, 50); Einen (Jahrh. 2, 267; Kolatschek StdZ. (1860) 136) todt sch.; Der sich Alle vom Halse geschwiegen. Wolfsohn 2, 6 etc. und refl.: Viel Jungfern sch. sich noch lieber gar zu Tode. Günther 392 etc.
2) faktit.: Einen oder Etwas sch., sch. machen, zum Sch. bringen, beschwichtigen:
a) Ps. 31, 18; 1. Petr. 3, 10; Sobald er sein Gewissen geschweigt. Alxinger D. 159; Hat geschweiget alle Fragen. Arndt 376; Fischart B. 158b; 214b; Mit neuen Vorsätzen schweigst du die Verzweiflung. Forster Sak. 73; Gleim 4, 274; Kl. Od. 2, 95; Daß er seine Zunge geschweiget. Musäus M. 5, 45; Stolberg Il. 18, 503; V. Od. 20, 274; W. 15, 10 etc.
b) vereinzelt schwachformig: Der Erste schwieg den Hund durch Diebskünst. Musäus Ph. 1, 179 etc. und vralt.: Geschwiegen [= sch–d; stumm etc.] sein, bleiben. Luther 5, 534b; SW. 64, 83; Uhland V. 645 etc., s. ver-sch. 2.
3) Endlich ein Brief von dem dreijähriger Schweiger. G. 18, 85 etc.; Ein verstockter Stillschweiger. Ense Humb. 106; Kt. Gel. 131. Zsstzg. z. B.: Āūs-: refl. [1i]: Wir haben uns nicht aus-zu-sch. über die .. Fragen. ., sondern wir haben darüber zu reden. Vincke (Nat.–B. 16, 47); Kompert Böhm. 238, vgl. Lohenstein A. 2, 1094 = sich mit Schweigen über Etwas hinaus-, forthelfen. Be- [2]: (selten) Die Wachr (Mühlpforth Leich. 29); den innern Sturm (Woltmann Westf. 2, 42) b. Ge-:
1) [1] Da geschwieg sein Wunsch aller solcher Dinge. Simrock Gudr. 25 etc., gw. nur noch Jnfin. und 1. Pers. Präs.: Ich geschweige der Drohung. B. 244b; Will ich derselben diesmal g. Moscherosch Gsch. 4, 533 etc., nam. [1d]: Der kleinen Lappalien .. zu g. Immermann M. 2, 238; Um von der Berührung .. zu sch. Prutz Lit. Tasch. 2, 253 etc.; Vergessen, sich selbst zu strählen, wollte g., daß sie die Pferde putzeten. Garzoni 576a; Auf Alles, was im Lande Außer- ordentliches auch nur spukt, will g. geschieht, aufmerksam. Pestalozzi 4, 8 etc., gew.: Mit einem Blick, Götter zu entzücken, | geschweige [um wieviel mehr] Bestien. G. 2, 70; Vom Vatikan herab sieht man die Reiche | schon klein . ., geschweige denn die Fürsten. 13, 117; 22, 19; Kaum lindernd, geschweige denn [viel weniger] befriedigend wirken. 18, 269; Serlo hatte sie nicht einmal zu Gastrollen gelassen, geschweige denn, daß er ihnen Hoffnung zum Engagement gemacht hätte. 16, 330 u. v. 2) [2] So geschweigten sie das Kind. Cham. 6, 248 (Schwab V. 1, 100); Reithard 317 etc. Ver-:
1) [1h] Freunde offenbaren einander gerade Das am deutlichsten, was sie einander v. G. 19, 130; Dann hat er uns bescheidentlich verschwiegen, | wie etc. 2, 155; Ein lang verschwiegenes (s. 2) | Geheimnis. 13, 15; Verplaudern ist schädlich, v. ist gut. 1, 181; Der Hofmann schwieg und verschwieg. 15, 189; Würde mein V. nicht seine Unruhe vermehren? L. 2, 138 etc.; Verschweigungen und Lügen. Ense T. 5, 195.
2) Verschwiegen, a: (vgl.
1) in akt. Sinn = schweigend, zu schweigen beflissen [2b]: Der verschwiegenste Freund; Verschwiegne Saiten, stimmt euch wieder. Haller 164; Mein verschwiegnes Pult. L. 1, 1; Aus den verschwiegenen | Gemächern. Sch. 489a etc.; dazu: Man lernt Verschwiegenheit am meisten unter Menschen, die keine haben und Plauderhaftigkeit unter Verschwiegenen. IP. 7, 235; Unter dem Siegel der Verschwiegenheit. G. 16, 331; Sch. 819b etc.; Amts- (KErnst Beant. 303), Un- (Rabner Br. 71) Verschwiegenheit. 3) Man hat sich ehe verredt (s. d. 3) als verschwiegen.
~nis, f.; –se:
das Schweigen (selten). G. 12, 243.
~sam, a.:
schweigenden Wesens, verschwiegen: Die Gebirge sind stumme Meister und machen sch–e Schüler. G. 18, 317; 74 u. o.; vereinzelt statt schweigend (im einzelnen Fall). Cham. 3, 343; [Als] das Gewitter immer ferner und sch–er [dumpfer etc.] abdonnerte. Fouqué 8, 104 etc., auch: Seines Vorhabens sch. [darüber schweigend]. König DFam. 1, 323. Dazu: Der öden Gänge Sch–keit. G. 12, 169; 36, 135 etc.
Anm. Schweigen 1, ahd. suigên, mhd. swigen (Impf. sweic, so noch schweig. 1. Mos. 34, 5 u. o.), dazu fakt. ahd. sweig(j)an, mhd. sweigen, vergl. swiften, woraus (s. Gracht, Anm.) unser (be)schwicht(ig)en entstanden.