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Schlingen Um-Schlingen
Schlingen, schlang, schlänge; geschlungen:
1) tr., intr. (haben), refl. (mit Angabe der Wirkung) statt schlinden (s. d.) = schlucken, nam. gierig:
a) eig. Bock An. 806; Hiob 7, 19 etc.; Kaum mehr sch. können. G. 21, 4; An einem Bissen sch., ohne ihn ver-sch. zu können (s. würgen); Roh-sch–den Hunden. V. Il. 23, 21; Weil voll Grätling’ er sich zu Abend schlang. Ar. 3, 212 etc.
b) übertr.: [Wie die Lava ein Gebäude] plötzlich in sich schlinget. Nicolai 2, 79; Er schlingt den Kuß, den sie entgegenbringt. Sch. 5a etc., s. ein-, ver-sch. etc.
2) tr., refl.: (sich) winden, in Windungen bewegen oder so an ein- ander fügen etc., z. B.:
a) Etwas um, in, durch, an einen Ggstd. sch., z. B. Kränze um den Degen (G. 13, 155), um die Stirn etc., ins Haar (B. 3b); Perlenschnüre durchs Haar; einen Band an den Stock etc.; die Arme, die Hand um Jemandes Leib (W. 11, 220), Schlangen um ihn (Cham. 4, 192) etc.; Er schlung | sein Heerhorn um den Nacken. B. 53b; Neptun . ., der um die Länder | seinen Wogengürtel schlingt. Sch. 53a etc.; Pflanzen sch. die grünen Arme (Fleming 153), umarmende Zweige etc. (Sch. 75b; G. 13, 131 etc.) um Etwas etc. und refl.: Wie .. Pygmalion den Stein umschloß ..: | so schlang ich mich mit Liebes- Sanders, deutsches Wörterb. II. armen | um die Natur. Sch. 48b; Sie .. schlang sich mit offenen Armen | ihrem Gemahl um den Hals. V. Od. 23, 207; Schlungen sie sich [einander] in ihre Arme. Stilling 1, 60 etc.; Junges Gebüsch schlang sich um die alten Mauern. Novalis 1, 160; Schmarda 1, 432 etc.; Der Gang, der um den Saal sich schneckenförmig schlang. W. 11, 211; Durch ihr .. Grün schlingt sich der . . Pfad. Sch. 75a; Daß viele Thäler sich durchs Gebirg sch. G. 19, 148; Wer des Knäuels zartes Ende hält, | der schlingt sich wohl durchs Labyrinth der Welt. 6, 24, gelangt durch die Windungen; Von Geschlechten zu Geschlechten | schlinge sich der heil’ge Bund. Grün Gd. 71; Männer von feinerm Geist .. schlungen [schlossen] sich an die Mystik. H. R. 9, 373 etc.
b) Etwas in, an, um, durch einander sch., z. B.: Arm in Arm (Platen 4, 242; W. 20, 143 etc., s. d) oder die Arme, Hände, Fäden (G. 22, 358), Wurzeln (Tieck Cymb. 4, 2) in einander sch.; Von den tausendfach in einander geschlungnen Vhen. W. 32, 156 etc.; refl.: Die Hände etc. sch. sich in die Tänzer durch einander; So schlingt ein Gräuel sich in Gräuel wieder. G. 6, 358 etc.
c) (vgl. binden 3f) In einander Geschlungnes, z. B. Fäden etc. aus einander sch.; Wenn er liebestrunken . . | die Arme aus einander schlingt [ausbreitet] nach dir. Sch. 15a etc., auch rcfl.
d) mit Beifügung des durchs Sch. Entstehnden (s. e): Ein Band etc. in eine Schleife, zum Knoten; einen Faden zur Masche sch.; Schlinget Arm in Arm (s. b) zum Kranz. B. 305a; Den Schwanz . ., den er [der Drache] .. in große Kreise schlunge. Weichmann 1, 11 etc.; Das Band schlingt sich in eine Schleife, zum Knoten etc.
e) (s. d) mit dem durchs Sch. Entstehnden als Obj.: Knoten (z. B. übertr. G. 5, 63), Schleifen, Maschen, Kränze etc. sch.; Raubte der geschlungnen Kette manche Glieder. G. 26, 301; Tänze (Platen 4, 274; 290), den Reigen (123), Reihn (Sch. 85b; 572b) sch. (um Etwas) etc.; Du musst jedweden Rank (s. d. II 1; 2), | daß du entfliehst, sch. und drehn. . O V. Ar. 1, 362 etc.; refl.: Sch. sich des Festes Tänze. G. 6, 36; Wirrer hatte sich der Knäul geschlungen. Cham. 3, 363 etc.
f) zuw. auch sonst (s. e) ohne örtl. Best., z. B.: Was weiß ich’s, ob und wie der unnütze Zierrath [der Schleppe] sich .. sch., auf- und überschlagen ließe. Engel 7, 193 etc., nam. mit Wegfall des sich (s. d. †) im substant. Infin. und Partic. Präs.: Wobei die spirale Tendenz zum Vorschein kommt und sich im Winden und Krümmen und Sch. darstellt. G. 36, 196 etc.; Die Füße schlangenartig ausgedehnt, | verschlungen sch–d etc. 10, 243 etc.; ferner im pass. Partic.: in schlangenförmiger Windung etc.: Meines Lebens bunt geschlungne Gleise. WHumboldt 4, 389; Ihr Lichtpfad, schöner nur geschlungen. Sch. 23a etc.; selten in freierer Stellung: Diese bernsteingeschlungene Hals- schnur. Bodenstedt 1, 13, aus Bernsteinperlen etc. geschlungen.
3) Zu 1 und 2:
a) Schlinger, z. B. (zu 1): Der unersättliche Schlinger und Schlucker. Scherr Bl. 2, 442; Beschwerliche Bettler, die Unrathschlinger am Gastmahl. V. Od. 17, 376 (vgl. Kaldaunenschlucker) etc.; (Zool.): Die Schlinger oder Riesenschlangen. Oken 6, 528; Wasserschlinger. 529 etc. (wohl zu 2, die Beute durch Um-Sch. erdrückend).
b) außer von den Zsstzg. (s. d.) gw. nur zu 2 (vergl. Windung): Die Schlingung des Fadens zum Knoten; des Knotens; des Weges; Wendungen und Schlingungen des Herzens. H. R. 7, 86; In tausendfältigen Wechselschlingungen. Auerbach Ab. 93 etc.
Anm. S. Schm. 3, 452 und für Bed. 1 schlinden, Anm.; in Bed. 2 ahd., mhd. slingen, auch: schleichen, schleudern etc. (auch in Zsstzg. Schm.). Dazu Schlinge (veralt. auch = Schleuder); Schlange, schlank (s. auch lang, Anm.). Nur noch zuw. veralt. Jmpf.: schlung, Konj.: schlünge; und vereinzelt schwachformig in Zsstzg. zu 2 (eig. als Ableit. von dem Hw. Schlinge), z. B.: An den Haken .. fest angeschlinget. Fleming J. 228a [mit einer Schlinge angeknüpft]; Lohenstein A. 1, 196; 408 etc.
Zsstzg., vgl. zu 1 die von schlucken, zu 2 die von winden, knüpfen etc., z. B.: Áb- [2]: Den Matrosen, der die Leine von dem Pfahl abgeschlungen. Grube 3, 5 etc., auch (s. abdrücken 1d): Dieses war der Knoten, der mir letzthin das Herz abschlang. Möser Ph. 3, 6. Án- [2]: Drum schlang er Ketten neben an. G. 10, 295; Lessing, der .. sich . . jedem seiner Freunde anschlang. H. Ph. 13, 135; IP. 21, 131; W. 3, 114 etc., s. auch [Anm.].
Āūf-:
1) [1] Er thut seinen Rachen auf | und schlingt den argen Fresser auf. Ramler F. 1, 40.
2) [2]
a) in die Höhe, empor-sch. (s. d.): Ich schlinge Ihnen .. auf dem Verdeck eine Hängematte auf. Gerstäcker BlW. 269; refl.: Eine wundersam sich a–de Spitze. G. 25, 123.
b) das Geknüpfte auflösen, ent-sch. (s. d.): Bande a. Lohenstein A. 2, 1040; refl.: Müssen sich die Knoten, die sich .. geschürzt . ., wieder a.? Mendelssohn 5, 297. Āūs- [2]: aus der Schlinge lösen. I. Dúrch- [2]: hindurchsch.: Wie .. die mächtigen Äste durch die Lücken durchgeschlungen sind. G. 19, 388; Nachdem die Quellen .. sich durch das festeste Gestein durchgeschlungen. 40, 303; Dieser Gedanke schlang sich durch das Ganze durch. 21, 24 etc. II. Durch- [2]:
1) tr.: mit etwas Durchgeschlungnem (I) versehn: Durchschlungen von der Myrte sanfter Zier. G. 2, 130; H. 11, 5; Smaragden, die mit Amethysten | durchschlungen waren. Sch. 663a; Rosen .., die dein Haar d. Uz 2, 205 etc.
2) refl.: sich durch ein- ander schlingen: Vhe, die sich ohne Scheu durchschlangen. G. 22, 312; 19, 117 etc. Eīn-:
1) [1] Süße Sachen, starke Getränke | Eins um das Andre schlingt er hastig ein. G. 13, 205; Schlang die Kostbarkeiten .. der Schlund des Meeres ein. Strecksuß Rol. 13, 19 etc., auch: sich Etwas gierig aneignen etc., z. B.: Geld (Woltmann Westf. 2, 154); das verlorne Wesen (Sch. 3b) etc.
2) [2] Wie er .. ein sittliches Wort mit einschlingt. G. 32, 295 etc.; refl.: Wobei die christl. Religion zw. die der alten Parsen sich einschlingt. 4, 178; 14, 230 etc. Empōr- [2]: auf-sch. 2a: Epheu, der sich um einen Baum emporschlingt. W. Luc. 3, 123 etc. Ent-: auf-sch. 2b: Den Knoten e. W. 21, 192; 23, 83 etc.; So wird der Knoten wohl sich ohne Schnitt e. 11, 231 etc. Fórt-:
1) [1] hinwegsch. 2) [2] So schlang’s von dir sich fort [pflanzte schlingend sich fort etc.]. G. 4, 23. Hêr- etc.:
1) [1] Wein . ., welcher .. | übel bekommt, wenn .. in Unmaß Einer ihn hinschlingt. Wiedasch Od. 21, 294. Sau, die ihre Jungen | in’ eignen Schlund hinab geschlungen. B. 304a; Man schlingt die Lüge, die uns schmeichelt, in vollen Zügen hinab. G. 29, 261; 35, 331 etc. Isegrim .. schlang begierig hinein [die Speise]. 5, 263; O schläng’ uns nur die Erd’ hinein! Wackern. 2, 1273²³; W. Luc. 5, 141 etc.; übertr.: Seinen Kummer schweigend in sich hin- ein-sch. W. 9, 208. Den schon der finstre Schlund hin- unterschlang. Cham. 6, 281; G. 5, 264; 21, 285; Den Augenblick eilends haschen, genießen, hinunter-sch. W. 9, 93 etc. (s. hinter-sch.). Den . . Raubgevögel hinweg- schlang. V. Od. 24, 292 etc.
2) [2] Schling ein einig Feuerband | um alle Völker her. Herwegh 33; Schlingt sie den Arm um Hüon her. W. 20, 186. Ein Leitfaden, an dem man sich hin-sch. kann. G. 23, 192. Schlinge dich ., | ein breiter Strom, um uns herum! Sch. 47a; Daß er sich um seinen Hals herumschlung. W. Luc. 3, 183. Hínter- [1]: hinunter-sch. Tieck 5, 491; Zelter 1, 275. Mít-:
1) [1].
2) [2] Daß ein geheimer ethischer Faden sich mitschlinge. G. 4, 233 etc. Nīēder-:
1) [1] Der Riesenschlange, wenn den Stier sie niederschlang. Kinkel 23.
2) [2] Sich n–de Ranken. I.
Um- [2]:
herum-sch.: Das umgeschlungne Schlangengenüssel. G. 3, 59; Band an Bändern | schlingt sich um. 6, 311; Haller 28; Sie schlang ihm liebend den Arm um. H. 14, 4 etc., s. II 2. II. Um- [2]:
1) schlingend umfassen, um- armen etc.: Das Netz, womit er sie umschlang. Cham. 3, 287; 4, 73; Als das Netz . . die Verschlungnen umschlang. G. 1, 239; Arme, die mich .. um-sch. 2, 81; 30, 318; 27, 5; 18, 228; U–d-umschlungen. Immermann M. 3, 114 u. o.
a) Zsstzg. des Partic. pass.: Der angstumschlungne Geist. G. 12, 171; Schleswig-Holstein meer- umschlungen; Weinlaubumschlungne Bäume. Fallmerayer Or. 2, 50 etc.
b) (s. a und
2) Wie Reben um den Stamm sich winden | in traulicher Umschlungenheit. Ausw. d. Lied. 24. c) Die Randumschlingungen. JKohl Par. 3, 152 etc. 2) zuw. statt I: Den Arm um den weißen Nacken u–d (⏑– ⏑). W. 26, 25; Finstrer | umschlingt sich der Gang. G. 1, 73 etc. Ver-:
1) [1] eig. und übertr., wobei bes. theils die hastige Gier des Subj. (a), theils das Verschwinden des Obj. (c; d), oft natürlich Beides zugleich (b) hervortritt, z. B.:
a) Die Jugend verschlingt nur . .; ich liebe zu tafeln. G. 1, 101 etc.; Mit den Augen (18, 4), Blicken (W. 12, 89) Et- 121 was v.; Mit welch v–dem Geize | ich an ihr hing! 11, 38 etc.; Er hat nicht männlich geliebt, er hat nur thierisch verschlungen. Thümmel 5, 190 etc.; Eine Schrift v. [gierig lesen]. G. 22, 55; L. 13, 197; IP. Lev. 372; Deinen neuen Band .. habe ich bereits verschlungen, wenn auch noch nicht verschluckt [verdaut etc.]. Zelter 3, 266; Diese Epigramme .. sind zum V. JvMüller 6, 88 etc.
b) Ein Vermögen v. [durch den Schlund jagen etc.]. Kretschmann 5, 235; Fodert Gold . . zur Mast | und wird es ungesättiget v. Cham. 4, 84; Die geile hungrige Zeit | immer Kinder gebärend, immer Kinder v–d. Schubart 2, 65; Niebuhr Nachg. 88 etc.; Ein Schlund (W. 25, 17), Abgrund (Gotter 2, 348 etc.), der gefräßige Ocean (Musäus M. 2, 79), die Welle (Lenau A. 157), die Flamme (Sch. 500b), der finstre Schacht [des Grabs Raupach Is. 107] verschlingt Etwas oder Einen etc.; Die Woge verschlinget die Woge. Knebel 1, 11; All- (Scherr Bl. 2, 388), Volk- (V. Il. 1, 231 etc.) v–d etc.
c) Das Gewitter .., v–d den lieblichen Vollmond. G. 5, 78, durch Verhüllen verschwinden lassend; Blickten dem Heerzug nach, bis ihn die Ferne verschlang. Sch. 76a; 75a etc.; Die Stimme der Wenigen, die das Volk zu beruhigen suchten, wurde vom wilden Geschrei der Rache verschlungen. W. 9, 270 etc.; Hat Lustbegier die Eifersucht verschlungen. 20, 293; Wie hat .. einer Stimme Klang .. zaubermächtig alsobald verschlungen | all mein Erinnern! Cham. 3, 26; Da ich von seinem Werth einen so großen und mächtigen Begriff gefasst, der alles Widerwärtige verschlang. G. 21, 241; Möser Ph. 3, 66 etc.; auch: Jemand ist von oder (versch. II) in Etwas verschlungen, davon ganz hingenommen, darin ganz aufgegangen, z. B.: Ein Mädchen, vom Gedanken der Trennung ganz verschlungen. W. 9, 78 etc.; Es ist ein grundursprüngliches Verlangen,| in das die ganze Seele ist verschlungen. WHumboldt Son. 269; W. 29, 175; Luc. 5, 119 etc.
d) Thränen (Cham. 4, 137), Seufzer (Nicolai 5, 90) v., s. verbeißen, zurücksch.; verschlucken.
e) Verschlinger. Schlegel Sh. 6, 219; V. Georg. 259; Scherr Bl. 2, 59; Länderver- schlinger. 180.
f) Verschlingung. 2) [2] in oder durch einander schlingen, eig. und übertr.: Das Band (G. 3, 73); den Faden (39, 43); das Einzelne in die Einheit (40, 13) v.; Vielfach verschlungen und verknüpft. 13, 68; In dieses Ritterwesen verschlang sich noch ein seltsamer Orden. 21, 104; In diese Verworrenheiten verschlungen (versch. 1c). 33, 334; Um sie ver-sch. | sich leichte Wölkchen. 12, 306; Der Wohllaut ihrer Rede | verschlang die Schönheit ihrer Züg’ und meine | Lieb’ in Bewundrung. Rückert Morg. 1, 192; Steffens Malk. 1, 273; Weitverschlungne Wurzeln. Sch. 529a; Verschlungene Knoten (Schlegel Sh. 2, 199), Listen (V. Od. 9, 422) etc.; Die Verschlungenheit der Gänge. Novalis 1, 60 etc.; Ein Wirbel von Verschlingungen. G. 18, 293; Tieck N. 5, 50; Verschlinger des Knotens etc. Wég- [1]: Hab’ und Gut w. V. Od. 14, 92; Wenn die Finsternis | all’ Farben weggeschlungen (s. ver-sch. 1c). Tieck 2, 120. s. zurück-sch. 1.
Wī(ē)der-: Zurück-:
1) [1] Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich | zurückgeschlungen in ihrer Tiefe Wunderschoß. G. 12, 169 (s. versch. 1c); Sie schlingt | ein Ach zurück, das ihrer Brust entsteiget. W. 20, 256 (s. ver-sch. 1d) etc., vgl.: Alles in seinen Hals hinein wieder-sch. [revocieren]. Mathesius Lthr. 14a.
2) [2] Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt | und in sein Herz die Welt zurückeschlingt? G. 11, 9 etc. Zusámmen- [2]: Etwas in Eins z. G. 22, 229; Sich zum Kranz z. H. R. 9, 212; W. 9, 83 etc.