Faksimile 0129 | Seite 951
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Schleier schleierhaft schleiericht schleiern
Schlēīer, m., –s; uv.; –chen, lein; - (s. Schm. 3, 447; Haupt Zeitschr. 7, 190):
1) ein lockres durchsichtiges Gewebe oder Gespinnst (vgl. Flor II), z. B.: Die Maschine, welche sie [die Baumwollballen] .. in breite Schleier verwandelte, diese Sch. in koncentriertere schmälere Bänder etc. Kohl E. 2, 263.
2) (s. 1) ein Stück solchen Zeuges, insofern es, nam. als Tracht des weibl. Geschlechts, ums Haupt geschlagen, und mehr oder minder tief herabfallend, theils nur das Haar, theils auch Gesicht, Oberleib oder den ganzen Leib verhüllend bedeckt: Ein Sch. am Hut; Den Schleier fallen lassen, herab-, nieder-, auf-, zurück-schlagen, zurücklegen (W. 9, 236), heben, lüpfen etc.; Mehr als Sch. sind auch die gröbsten dieser Gewänder nicht. Forster Jt. 1, 108 etc., nam.
a) als Tracht der Jungfraun und bes. der Bräute. Jer. 2, 32 etc.; Mit dem Gürtel (s. d. 1), mit dem Sch. | reißt der schöne Wahn entzwei. Sch. 78a etc., s. b; g.
b) (s. a) als Tracht der Himmelsbräute, Nonnen: [Sie] trägt den Sch., | ist des Himmels Braut. 64b; Den Sch. nehmen. Schmidt-Phis. 3 etc.; Eigennützige Verwandte hatten sie zum Sch. beredet. Gotter 3, 33 etc., s. g.
c) als Tracht trauernder Frauen: Wittwen .. im hochbetrübten Sch. Ramler etc., s. g.
d) zur Verhüllung der Leichen im Sarg. Uhland 279 etc., auch männlicher: Mit traurigem Sch. umlegt mich! V. Sh. 2, 321 etc.
e) als Tracht mythischer und allegorischer Frauengestalten: Der Sch. der Isis (Ramler Myth. 254, s. Sch. 71a etc.), der Leukothea (V. Od. 5, 346), der Nacht (Mendelssohn Ph. 1, 67), Mitternacht (W. 10, 53) etc.; Nie warf die Wahrheit einen glänzenderen und durchsichtigeren Sch. über ihr Antlitz. Forster Jt. 1, 160; Empfange . . | aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit | der Dichtung Sch. aus der Hand der Wahrheit. G. 1, 4; Sch. M. 1, 75; W. 12, 324 etc. s. f1.
f) ungemein häufig übrtr. (s. Flor) zur Bez. von etwas Verhüllendem, Verdeckendem etc., z. B. von Regenwetter. G. 25, 101; Nebel 37, 327; Höser Vrg. 9 etc.; In der Abenddämmrung Sch. (s. e) | liegt die Flur. Matthisson 47 etc.; Über Etwas einen Sch. werfen (G. 20, 257 etc.), ziehn (22, 388; Klinger Teutsch. 100; W. 8, 126), ausbreiten (Mundt Rom. 152), decken etc.; es mit einem Sch. decken (G. 17, 277), verdecken (374), bedecken (Sch. 1074a), verhüllen (W. 27, 29) etc.; in den Sch. des Geheimnisses einhüllen (18, 55), hinter dem Sch. der Fabel- erzählung verbergen (H. Ph. 4, 328) etc.; Unter dem Sch. des Geheimnisses. W. 32, 331, der Gesetze. Sch. 860a etc.; Den Sch. wegheben, der über Etwas schwebt (G. 6, 343); Den Sch. lüpfen, der über Etwas liegt. Möricke N. 392; Daß der Ruhm den Sch., womit seine Bescheidenheit seine Verdienste zu verhüllen suche, weggezogen. W. 6, 23; Den Sch. hat er glücklich aufgehoben | von dem Gefühl, das dunkel mich beseelt. Sch. 502b; Ich zerrisse | den Sch., der die Menge traurig dämpft. G. 35, 269 [ihren Blick trübt]; Ramler F. 3, 211; Platen 4, 342 etc.; Sie verhüllen Das, was man entweder ohne Sch. ansehen oder wovon man ganz seine Augen wegwenden sollte. G. 19, 232; Wenn es doch wenigstens nur einen Sch. hätte, das garstige Laster etc.! Sch. 111b; 806b; W. 11, 249 etc.
g) Leicht zu mehrende Zsstzgn. (s. die von Flor) eig. und übrtr.: Die Seele .. im Äther-Sch. Matthisson 131, in ätherischer Hülle statt des irdischen Leibs; Braut- Sch. (a); Busen-Sch. B. 29b; Ein durchsichtiger .. Duft-Sch. (f) umschwebte die Höhen. Matthisson E. 1, 36 (s. Duft II 1; Nebel-Sch.); Flor-Sch., aus Flor; Ge- sichts-Sch. Schmarda 1, 36; Während die Sonne .. Berg und Burgen mit Gold-Sch–n umkleidete. Heine Reis. 3, 85, s. Silber-, Duft-Sch.; Hochzeits-Sch. (a); Hut- Sch., am Hut; Kanten- (oder Spitzen-)Sch.; Kopf-, Ggstz. Leib-Sch. Frisch 2, 198a; Krepp-Sch., s. Flor- Sch.; Lampen-Sch., das blendende Lampenlicht zu dämpfen; Leib-Sch., s. Kopf-Sch.; Hilfe! rief sie, so laut ihr Mund-Sch. es ihr erlaubte. Pfeffel Pr. 10, 68, das sie am Schreien hindernde Tuch vorm Mund; Nebel-Sch. (f) G. 2, 89; Matthisson 66; Nonnen-Sch. (b) Ramler F. 3, 33 etc.; Der Bach glänzte aus farbigen Schaum- und Tropfen-Sch–n hervor. Mügge Els. 324; Ihr ward ein Schweigens-Sch. übergeworfen. Cham. 4, 217; Flugs hüllte sie den Silber-Sch. [„silberblinkenden Sch.“ 208a] um. B. 152b etc.; Spitzen-, s. Kanten-Sch.; Die Nacht mit ihrem Sternen-Sch. (e); Die Augen jetzt vom Todes-Sch. (f) umdüstert. Schlegel Sh. 8, 332; Trauer-Sch. (c) und übrtr. Echtermeyer 597; Pfeffel Pr. 3, 90 etc.; Tropfen-, s. Schaum-Sch.; Vermählungs-Sch. (a) Tiedge Ur. 37 etc.; Von Wehmuths- Sch–n (f) überwoben. Gutzkow R. 9, 154, durch wehmüthige Gedanken gedämpft; Im Wittwen-Sch. (c) Sch. 501b; Der Wolken-Sch. um Gipfel. G. 6, 275; Aus .. Wolken-Sch–n .. bricht .. der Mond. Heine Lied. 313 etc.; Wer kennt den Zauber-Sch., | der meinen Sinn umzieht? Fouqué Gd. 1, 79; W. 20, 169 etc.
3) (s. 2):
a) Bot.: das durchsichtige die Kapsel der Farnkräuter bedeckende Häutchen. Oken 2, 86.
b) Glockeng.: s. Krone 21.
c) Zool.: s. Eule 1.
~haft, a.:
schleierartig: Eine weiße sch–e Robe. TUlrich (Nat.-Z. 11, 277).
~icht, a.:
schleierhaft, geschleiert: Der Schuhu mit dem sch–en Gesichte. Fleming J. 153; Lichtwer 58 etc.
~n, tr.:
1) in Schleier (s. d. 2) hüllen:
a) eig. Freytag B. 1, 42 („flören“ ebd.); Lavater 1, 110; Welchem Gemahl du dich schleiertest [als Braut etc.]. V. Ov. 1, 359; 305; 260; Die schöngeschleierten [„schön umschleierten“. Wiedasch] Frauen. Od. 4, 623 etc.; Ungeschleiert. Musäus M. 1, 59 etc.
b) übrtr. (vgl. hüllen etc.): Sie schleiert den Scheitel in Wolken. B. 246b; Sie sitzt . ., in ihre Haare geschleiert. Forster Jt. 1, 127; Der halb in Nebel geschleierte Morgen. A. 3, 111; Der braune Abend schleiert| den Forst. Kosegarten Po. 2, 55; Matthisson A. 9, 2; 226; 11, 27; Nicolai 6, 215; V. 4, 17 etc. und refl.: TUlrich (Nat.-Z. 13, 305; 519 etc.)
2) (s. 1) Den Kolben einer Wasserkunst sch., durch Umwicklung luftdicht schließen machen. Zsstzg. zu 1, z. B.: An-: schleiernd anputzen. Günther 445. Be-: Tieck 16, 300 etc.; übrtr. [1a]: Wälder waren mit Flocken beschleiert. EKleist 2, 143; Kl. Od. 2, 72; Beschleierten Geist. Vischer Ästh. 2, 231 etc. Eīn-: Nonnen e. etc.; übrtr. [1a]: Der Himmel schleiert sich ein [in Dunkel]. Heinse K. 1, 396; Der braune Abend schleiert | das Feld .. | in seinen Mantel ein. Kosegarten Po. 2, 272 u. v. Empōr-: Sprühdampf, der über den Rand .. sich wie ein feiner Nebel emporschleiert. TUlrich (Nat.-Z. 16, 91). Ent-: enthüllen: Das Gesicht e. Heine Lied. 119; Mit der entschleierten Liebe wie dort mit der verhüllten. IP. Fat. 2, 213; Wenn sich das Dort entschleiert. Tiedge 2, 15; Ep. 1, 64 etc.; Entschleierung. Matthison 72. Über-: schleiernd überdecken. MBeer Arr. 152; Dem zu trüben Blick | ist überschleiert Schönheit. Kl. Od. 1, 191; IP. 13, 112; Salis 103; Tiedge 2, 67 etc. Um-: mit einem Schleier umhüllen. V. Georg. 3, 488 etc., sehr häufig nam. übrtr.: Der Ton ihrer Stimme war umschleiert. Holtei ObB. 1, 84; Umschleiert mit goldnem Duft. Sch. 50a; Wann deinen Sänger Grabesnacht umschleiert. Uhland 159; Thränen- umschleierte Augen. Willkomm Bann. 2, 91 etc. Ver-: gw. st. des nur der gehobnen Spr. eignenden Grundw., eig. und übrtr.: Tief verschleiert gehn etc.; Sonne .., | die verschleiert schon entzückte, blendend nun im Glanze steht. G. 12, 179; Auswüchse, welche .. jene Grundregel ver-sch. und verbergen. 36, 191; 39, 98; Hexerei, die ihr in einen heiligen Nebel verschleiert. Sch. 106b; 399a etc.; Gram- (Gutzkow R. 2, 123), wolken- (Spielhagen Pr. 7, 254) verschleiert; Die ziemlich unverschleierten Vhe mit fremden Badegästen. Freytag B. 2, 330 etc.; Verschleierung. Guhl GR. 1, 187; W. 22, 137 etc.