Faksimile 0071 | Seite 893
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Schatten
I. Schátten, m., –s; uv.; -:
was entsteht, wenn ein undurchsichtiger Körper das Licht in seinem Fortgang hindernd auffängt etc.:
1) das so erzeugte Bild (s. d. 2e; 1b, vgl. Schemen):
a) Sprchw.: Sich vor seinem eignen Sch. fürchten; Ein krummer Stecken wirft keinen graden Sch.; Niemand kann über seinen Sch. springen (s. c). Auerbach SchV. 10; Peter Schlemihl verkaufte seinen Sch. etc.
b) als Zeitbest.: Die Sch. werden kürzer, es geht gegen Mittag; Es will Abend werden und die Sch. werden groß. Jer. 6, 4; Gigantische Sch. Sch. 62b etc.; übertr. (s. Abend 2): Längern schon sich ihres Lebens Sch. Uhland 514.
c) Sch., untrennbarer Begleiter. Kohl A. 2, 337; Nicolai 5, 100 etc.; Sch. hießen scherzweise die ungeladenen Personen, die ein vornehmer Gast als seine guten Freunde mitbrachte. W. HB. 1, 101.
d) zuw.: ein Abbild von Etwas, Bild, z.B. = Sch.-Riß(s. d.). G. Lav. 157; Schlegel Sh. 7, 243 etc., ferner: So ähnlich als das Paradies dem Himmel ist, ein nachahmender Sch. Geßner 1, 62 etc.; übertr.: Die Pers. des Siegelbewahrers ist gewissermaßen der Sch. (s. g) der Majestät; Beleidigungen gegen Jenen sind Verletzungen dieser. Sch. 195b etc., s. das Folg.
e) in Vergleichen zur Bez. des Flüchtigen und Nichtigen, s. g: Ps. 102, 12; 109, 23; 144, 4 etc.
f) (s. d; e) oft wie Bild (2e): ein bloßer Schein, Phantom: Nach dem Sch. greifen; Sch. nachjagen etc.; oft im ausgesprochnen Ggstz. zu dem Wirklichen, Wesenhaften, dem Wesen oder der Sache selbst. Boie (Matthisson A. 8, 144); Der wirkliche, lebendige Mensch .., keinesweges der bloße Sch. und Schemen eines Menschen. Fichte 7, 301; 346; Nicht Sch., die der Wahn erzeugte; | sie sind ewig, denn sie sind. G. 13, 135; 24, 5; FHJacobi 5, 52; Mendelssohn Morg. 212; Das Wesen jedes Leids hat zwanzig Sch., | die aussehn wie das Leid, doch es nicht sind. Schlegel Rich. II. 2, 3; W. 16, 105 etc.
g) (s. d) Etwas, das und insofern es als ein schwaches Abbild von Etwas angesehn werden kann, einigermaßen Ahnlichkeit damit, einen Schein, eine Spur davon zeigt etc., nam. mit verneinenden oder beschränkenden Partikeln (nur, noch, wenigstens etc.), die freilich oft hinzuzudenken sind: Hebr. 8, 5; 10, 1; Kol. 2, 17; G. 31, 62; Gotthelf Sch. 170; Heinse A. 2, 43; EKleist 2, 53; Leisewitz Jul. 33; L. 11, 158; Nath. 3, 10; Samps. 3, 2; Sch. 428a; 640b; 1040a; W. 1, 139; 9, 124 etc.; Mit welchem Sch. von Recht? 33, 168 etc.; zur Verstärkung der Geringheit: Nicht den Sch. von dem Sch. einer Verschwörung etc. Börne 2, 223; Hölderlin H. 1, 91 etc.; Einem nicht den Sch. reichen (s. d. 3c).
h) (s. f) sehr oft: der Geist, die Seele eines Abgeschiednen (s. V. Od. 11, 49; 83 etc.): G. 1, 198; H. 11, 464; Ein weiblicher Sch. Schmidt-Phis. 12 etc., übertr. W. 22, 157 etc.
i) Sch., Meer-Sch. = Sch.-Fisch (s. d. 1), frz. maigre (mager).
2) in Bezug auf den Mangel des Lichts und der (vollen) Beleuchtung:
a) zuw. Dunkel, Finsternis. Matth. 4, 16; Sch. 112a; W. Luc. 6, 97 etc. Dazu (schwzr.): An Sch. [in Haft] (frz. mettre à lombre).
b) gw.: eine nicht oder nicht voll beleuchtete Partie, in der Natur, wie in Gemälden etc., auch übertr.: Die Vertheilung von Licht und Sch. in Gemälden, Schildrungen etc.; Dunkle, tiefe, schwarze Ggstz. lichte Sch.; Ein Körper giebt, macht, wirft Sch.; Etwas wirft einen (schwarzen) Sch. auf Jemand, auf seinen Charakter etc.; Jemand, Etwas steht im Sch. (gegen Andres); Etwas im Sch. lassen (L. 6, 417), in Sch. stellen (G. 32, 104), setzen (Thümmel 5, 194) etc.
c) (s. b) Den starken Sch. auf der Oberlippe. Schücking Gschw. 1, 62 etc., Bärtchen.
d) (s. b) die Nüancen und Abstufungen, in denen eine Farbe nach den versch. Sch. und Lichtern erscheint, Schattierung (s. d.). V. Ov. 1, 315; übertr. Börne 2, 488. Bes.: (Um) einen Sch. tiefer sich röthen (Frese Bed. 118), blässer (Gartenl. 10, 5), bleicher (337a) etc.
3) in Bezug aufs Abhalten der wärmenden oder erhitzenden Sonnenstrahlen und die damit verbundne Kühle: Im Sch., Ggstz.: in der Sonne; Die Bäume geben; gewähren; selten (s. 1; 2) werfen (Platen 2, 11) Sch. etc.
a) in gehobner Rede: schattende Bäume. Geßner 4, 173; V. Georg. 1, 157 (lat. umbrae).
b) übertr., verallgemeint: Schirm, Schutz (s. Hes. 31, 3ff.; Dan. 4, 7 ff.): Unter dem Sch. des Allmächtigen (Ps. 91, 1), Ägyptens (Jes. 30, 2); Im Sch. seiner Milde. Cham. 6, 251; Die Sch. meiner Häuslichkeit (4, 16), meines Dachs (1. Mos. 19, 8); Jehovah ist dein Schatte. H. R. 9, 130 etc.
c) (schles.) Fächer. Scheler, s. v. umbella.
Anm. Goth. skadus, ahd. scato, mhd. schate, vgl. ahd. scu, gr. oηo (oὸτος, Finsternis). Noch vereinzelt: Schatte; veralt. Schatt. Stumpf 319b etc.; Schätt. Brant N. 66¹⁶ etc.; Mz. Schätten. Eppendorf 8.
Zsstzg. meist keiner Erklärung bedürftig: Wächset wie der Abendschatte [1b]. H. 9, 170 etc., s. Riesen-Sch. Baum-Sch., nam. [3], so: Ahorn-, Eichen-, Kokos- (Tiedge 2, 163), Lorbeer- (Platen 7, 20) Sch. etc. Berg- Sch. Doppel-Sch., z. B. von zwei Lichtern; auch [lc]: Wir wolln uns wie ein Doppel-Sch. fügen | an Heinrich’s Leib. Schlegel Sh. 8, 311 etc. Im Dunkel-Sch. [3] des Laubwalds. Fallmerayer Or. 2, 9, auch [2b] = Tief- Sch. Erd-Sch., den die Erde wirft. Littrow 32, vgl. Jupiter-Sch. etc. Im Erden-Sch. IGJacobi 3, 63, auf Erden, wo volles Licht mangelt. Warst .. dem Entseelten | Freundesschatte [1c; 3b]. H. Merck 2, 17. Früh-Sch., s. [1b]. Freiligrath SW. 5, 289 etc. Der Kern-Sch. . . ist der Raum, welcher gar kein Licht empfängt; der Halb- Sch. hingegen ist die Gesammtheit aller der Orte, welche von einigen Punkten des leuchtenden Körpers Licht empfangen, von andern aber nicht. Pouillet 2, 97 etc. (s. Mittel-, Tief-Sch.), eig. und übertr. Der Haupt- Sch. [2b] eines Gemäldes, sich über alle dem einströmenden Licht gegenüberstehnden Theile ausbreitend.
Jupiter-: s. Erd-Sch.
Kern-: s. Halb-Sch. Lauf-Sch. der Wolken. JP. Wahrh. 1, 90, mit den Wolken sich bewegend. Der erste Maien-Sch. B. 1b. Meer-Sch. [1i]. Mittags-Sch. [1b]. Die Halb- [s. d.] und Mittel-Sch. mit ihren Abstufungen. Vischer Ästh. 2, 29. Monden-Sch., den das Mondlicht wirft. WhMüler 1, 123.
Morgen-: s. Früh- Sch. Nacht-Sch., nächtlicher, z. B. [1h]; dann, wie Nachtschade (s. d.) = Ziegenmelker. Oken 7, 111 und nam. Bez. von „Kräutern und Sträuchen mit verdächtigen Kräften“. 3, 987, so bes. Solanum etc. (s. Nemnich). Raben-Sch. B. 53a, rabenschwarzer. Riesen-Sch., riesengroß, z. B. [1b] Gutzkow R. 9, 283; [1f] Sch. 21a etc. Schlag-Sch.: der Schatten, den wohlerleuchtete Körper auf einen hellen Grund werfen etc. Sulzer 4, 299 etc. Die völlig gesättigten Tief-Sch. Kohl A. 3, 224 (Ggstz. Halb-Sch.), s. auch Dunkel-Sch. Traum-Sch. [1f]. Görres Ver. 165. Wolken-Sch. Meißner Sans. 2, 159, s. Lauf-Sch. Die Phantasie und ihre Zauber-Sch. [1f]. L. 13, 56 etc.