Faksimile 0057 | Seite 879
Faksimile 0057 | Seite 879
Faksimile 0057 | Seite 879
Schaf
Schāf, n., –(e)s; –e; Schäfchen, lein, (el); -, –s-:
1) eine Gattung von Wiederkäuern, Ovis, nah verwandt den Ziegen, mit versch. Arten, ohne Zusatz gw. das (nam. seiner Wolle wegen gehaltné) Hausthier (best. Haus-Sch., Ggstz. wildes Sch.), mit zahlreichen Racen. In engrem Sinn das erwachsne weibl. Thier (best. Mutter-, Trag-Sch., vgl. Zeit-Sch.) im Ggstz. einerseits zum männl. (s. Hammel, Schöps, Stär, Widder), andrerseits zum Jungen (s. Lamm): Die Sch–e blöken, blähen, bähen, mähen (daher in der Kinderspr. die Bez. Bä-, Ba-, Mäh-Sch., s. Bä); Sch–e halten, weiden, hüten, scheren, schlachten, opfern etc.; Eine Herde Sch–e; Sch–e im Pferch, in der Hürde; Die Wolle, Milch, der Mist der Sch–e; Fein-, grobwollige; hoch-, niederträchtige (s. d.) Sch–e; Das Alter der Sch–e erkennt man an den Zähnen (s. Schaufel 3) etc. Vielfach sprchw. (s. Körte 5204 ff.) z. B. in Vergleichen (s. 2): Geduldig; gutmüthig; fromm; schwach; dumm, einfältig wie ein Sch.; Aussehn, wie die Sch–e beim Gewitter (s. Tieck N. 3, 46) etc., ferner z. B.: Ein Sch. hat goldne (s. d. 3) Füße; Ein räudiges Sch. steckt die ganze Herde; Es gehn viel geduldige Sch–e in den Stall (und ungeduldige noch mehr); Wer sich zum Sch. macht, Den frisst der Wolf; Sein Schäfchen scheren, seinen Vortheil wahrnehmen etc. Hebel 3, 115; vHorn Schmj. 64; HKleist Kr. 11 etc., in ähnl. Sinn (doch s. Anm.): Sein Schäfchen ins Trockne bringen, gebracht haben; im Trocknen haben (auch: Ihre Sch. unter das Trucken getrieben. Weidner 157) etc.
2) Übertr. auf Pers.:
a) s. 1 die sprchw. Vergleiche, gw. tadelnd in Bezug auf Dummheit; Einfalt; allzu große Gutmüthigkeit und Schwäche, die sich mißbrauchen, sich Alles gefallen lässt etc.: Du bist ein Sch.; ein gutes, gutmüthiges Sch.; ein Sch. von einem Kerl (s. Sch–s-Kopf); „Ich ein Dummkopf?“ ... Das größte Sch. | von allen Schöpsen. Droysen A. 3, 362; Kein Vortheil für die Herde, wenn der Schäfer ein Sch. ist. G. 14, 245; Ein frommes gelehrtes Sch. Holtei Lammf. 1, 195; Das gute Schäfchen. Möricke N. 57; Stilling 2, 48; Ich muß, ich armes Sch., | für eure Sünden hangen. V. 4, 127; Wenn auch alle ungelehrten Sch–e gegen uns aufblökten. Br. 1, 188 etc., vgl.: In diesem Schafthum, in diesem wachen Schlummerzustande. Tieck N. 5, 352 etc.
b) Aber auch, nam. bibl., als Bild frommer Unschuld (s. Matth. 25, 33 etc.), als Bez. einer geliebten Pers. (s. nam. 2. Sam. 12, 3 ff.), wofür, mit Rücksicht auf den gw. tadelnden Sinn, lieber Lamm (s. d.) gebraucht wird oder sonst die Verkl., z. B.: Schlaf wohl, mein Schäfchen! G. 7, 57; Sein verlorenes, verirrtes einziges Schäfchen wieder an sein Herz zu drücken. 9, 332; 17, 99 etc., vgl. (iron.): Es fand der Ehmann sein Vergnügen, | sein frommes Sch., [liebes Weib] | sanft in Leanders Armen liegen. Cronegk 2, 334 etc. Außerdem in Bezug auf das Vh. der Herde (s. d. 2b etc.) zum Hirten (s. d. 3; Pastor und die wortspielenden Umdeutungen von Bischof, auch Schäferei
3) oft in der Bibel und kirchlich, z. B.: Sie sollen wachen über ihre Schäfel. SClara EfA. 1, 471; Davon sprach ihm ein geistlich Sch. G. 2, 145; Die heil. Kirche wird euch verlorene Sch–e mit erneuerter Liebe in ihren Mutterschoß aufnehmen. Sch. 123a etc. 3) wegen einer Ahnlichk., nam. in der Verkl.:
a) die Kätzchen (s. d. 12a) und Palmen, wie auch die Zapfen mancher Bäume (vgl. Bä, Anm. und Lamm 3).
b) Kräuter, welche die Volkssprache Schäfchen und Vogelmieren nennt. Lewald Hel. 2, 23 (s. Miere 2).
c) = Kellerassel.
d) Das vom Winde stärker bewegte mit Schaum- oder Sturzwellen, sogen. Schäfchen gehende Meerwasser. Burmeister gB. 2, 12; 31; 37 (vgl.: Daß Schaumwellen nur bei stärkeren Winden vorkommen und unter den sämmtlichen Wellen stets nur die höchsten und größten zum Schäfeln gelangen. 33); Die „Schäfchen“ auf der Höhe, jene schaumspritzenden Wellenkämme, die ihren freundlichen Namen Lügen strafen. Nat.-Zeit. 12, 477 etc.
e) Diese leichten Wölkchen, die bei uns Schäfchen heißen, . .. Cirrus . . . Bekannt sind sie einem Jeden, wenn sie wie eine Herde hinter einander dahinziehender Schäfchen oder gelockter Baumwolle gleich, .. sich zeigen. G. 40, 315; 340; Die Wolken theilten sich in Schäfchen. 14, 190; 192; Weiße Wölklein . .., | Gottes Schäflein gehn zur Weide. Hebel 2, 138; Humboldt K. 1, 201; 441; Hungari 1, 260 etc., s. Lamm 4. Dazu: Der Himmel schäfelt sich. Frommann 3, 485.
Anm. Ahd. scâf, mhd. schâf, nach V. Myth. 1, 112 (vgl. Graff 6, 445) von schaffen, mit der Grundbed.: Eigenthum oder Gut, vgl. Aue II, Anm. und Noß. Als Bstw. meist Schaf- (doch s. Sch–s-Kopf); statt desselben oberd. als Ew.: Rissen aus wie das schäfen Leder. Ayrer 321b; Etliche schäffin, etliche schweinin. Fischart B. 26a; Schäffin Mark. Ryf Th. 78; Schaidenreißer 40a etc. Nicht zu verwechseln mit der Verkl. ist das ältre Schäflein = franz. javeline (s. Diez 173), Wurfspieß, z. B. Schaidenreißer 56b; 60b etc.; Mit „schäfelinen“ erschossen. Das „schäflin“. Eppendorf 44; 45; 36; 76 etc., auch Scheffelein. Berlichingen 41; 237; 167 etc.; verkl.: Gab Ulyssi ein große Axt .., dazu ein langes leichtes schäffleindel [Beil]. Schaidenreißer 21b [5, 237] etc., s. Frisch 2, 165b und Schm. 3, 335 (auch „Scheftlin“, s. Schaft 2), vergl.: Die Scheifelein oder Zeltlein. SClara EfA. 2, 786; Zuckerscheifelein. Frisch 2, 169a = Zucker-Scheibchen, -Plätzchen. Eine andre Verwechslung scheint der sprchw. Fügung zu Grunde zu liegen: Sein Schäfchen (plattd. schepken, auch = Schiffchen) aufs Trockne ziehn etc., vergl. ähnliche Umdeutungen des mißverstandnen Plattdeutschen z. B. in Maulaffe, Maulwurf etc., doch s. Brem. W. 4, 606. Häufige Schreibw. Schaaf.
Zsstzg. zu 1, s. die von Lamm, z. B.:. Mit einem Bä-Sch.? .. Das ist ja ein Kinderwort. Droysen A. 1, 84 etc., auch [3a]: Der Art und Race nach untersch. man das gemeine Land-Sch., das Heide-Sch. .., das Bart-Sch., das ostindische oder Kaschemir-Sch. .., das dithmarsische und Geest-Sch., . . das Zackel-Sch. . ., die engl. Dishley- und Leicester-Sch–e. Falke Th. 2, 266; Zu den Sch–en mit grober Wolle gehören die Land-Sch–e oder Bauern-Sch–e. Oken 7, 340; Berg-Sch., Ovis montana. Giebel 282; Brack-Sch., s. Merz-Sch.; Dachs-Sch., mit kurzen Dachsbeinen (s. niederträchtig); Dreh-Sch., s. Dreher 2; Felsen-Sch., Berg-Sch.; Gebirgs-Sch.; Geest- Sch.; Die Sch–e zerfallen in Woll- und Haar-Sch–e, welche letztere in heißen Ländern vorkommen. Oken 7, 1340; Niebuhr Nachg. 275 etc.; Das Haus-Sch. ist kleiner als die wilden. Oken 7, 1338 etc.: Heide-Sch., s. Heideschnucke; Land-Sch., s. Bauern-Sch., ferner: Alle Sch.-Racen sind unter zwei Hauptgattungen zu bringen: das Land-Sch., mit kürzerer, feinerer, gekräuselter und das Niederungs-Sch. mit gröberer, längerer, glatter oder höchstens wellenartig gelockter Wolle . . Zu der Gattung des Niederungs-Sch–es gehören .. das Marsch-Sch. von der untern Elbe und Weser, die Heidschnucken .., das Zackel-Sch. in Ungarn. Bucher (Nat.–Zeit. 15, 350); Merino-Sch., O. hispanica. Falke 2, 112; Merz-Sch., als untauglich aus der Herde ausgemerzt (s. d.), Brack-Sch.; Thiere, welche von einem grobwolligen Mutter-Sch. und einem feinwolligen Widder gefallen. Karmarsch 3, 629 und scherzh. übertr.: Mißbrauchen, wehe, will man uns | als Mutter-Sch–e für das deutsche Trauerspiel | um eure Böcke zu veredeln. Prutz Woch. 84; Niederungs-Sch., s. Land-Sch.; Opfer-Sch., zum Opfer dienend, s. Sühn-Sch. und: Schlacht-Sch–e. Ps. 44, 23; Zach. 11, 4 etc.; Spiegel-Sch. heißt eine vorzüglich geschätzte Abart des gemeinen Land-Sch–es, welches seinen Namen von den breiten schwarzen Ringen erhalten hat, die seine Augen umgeben. Falke Th. 2, 328; Stein-, Steppen-Sch., O. ammon; Sühn-Sch., zum Sühn- opfer. V. Georg. 3, 488; Trag(e)-Sch., Mutter-Sch.; Wander-Sch–e, wandernde (nam. Merino-) Sch–e. Falke Th. 2, 426; Woll-Sch., s. Haar-Sch.; Das Zackel-Sch. mit aufrecht schraubenförmig gewundenen Hörnern. Oken 7, 1341; Zeit-Sch–e heißen die zwei- oder drittehalbjährigen Mutterschafe, die der Zeit nach die Begattung verlangen. Falke Th. 2, 453 etc.