Faksimile 0046 | Seite 868
Faksimile 0046 | Seite 868
Faksimile 0046 | Seite 868
saugen
Sāūgen, tr., intr. (haben), refl., sog (saugte), söge (saugte); gesogen (gesaugt); Sauge-:
eine Flüssigkeit langsam nach und nach in sich ziehn; verallgemeint und bildl.: Etwas mit fortdauernd an sich ziehender Begier in sich aufnehmen (vgl. schlürfen, trinken, nutschen, lutschen etc.):
1) ohne abhängige Vhe.: Beim S. und Schlürfen etc. Bock Diagn. 109; Emsig waren drauf die Bienen | hinterher und saugten fleißig. .. | Selbst die ungestalte Spinne | kroch herbei und sog gewaltig. G. 2, 165; S–de Blutegel etc.
a) bes. oft von den Jungen der Säugethiere (auch der Menschen): aus der Mutterbrust Milch in sich ziehend trinken: Das Kind, Junge, Lamm, Kalb, Fohlen etc. saugt; S–de Kinder, Junge etc.; Welcher noch ein s–des Kind war. Schaidenreißer 48b, ein Säugling; Luther SW. 63, 238 etc. Nam. hier findet sich oft, selbst bei guten Schriftst., Verwechslungen von s. und säugen, s. Radlof Tr. 44 und z. B.: Den kleinen am Reh säugenden [s. 3a] Knaben. .. Der Knabe, indem er säugt. G. 30, 457 (vgl.: Den Knaben der säugenden Hinde untergelegt. 458); Den „säugenden“ [„s–den“. Merck’s Br. 2, 41] Knaben. 2, 166; Ein säugend Lamm. Schlegel Sh. 8, 76 etc. (umgekehrt: Hab ich | dich, Tigerthier, .. mit meiner Milch gesogen? Lohenstein, Wackern. 2, 496¹⁰) etc., wie bei Altern auch sonst, z. B.: Der Floh „seugt“ .. also viel Bluts in sich [s. 3d]. Ryff Th. 319 etc., s. aussäugen.
b) selten: Die s–de [scharfe, zehrende] Märzluft. Zelter 1, 396 etc.
2) mit bloßem Obj., z. B. (s. 1a): Die Mutter-, Ammenmilch s.; Rosine .., | die ihre Milch gesogen. W. 11, 168, deren Amme sie gewesen etc.: Die Brüste, die du gesogen. Luk. 11, 27; Hohel. 8, 1; Ich war noch ein kleiner Kumpan und hatte die Brüste | kaum zu s. verlernt. G. 5, 172, minder gew.: Dem Hund . ., den er gesogen [der ihn gesäugt]. Fischart (Wackern. 3, 485²⁰) etc. Ferner: Er wird der Ottern Galle s. Hiob 20, 16 etc.; Blut s., eig. (ugw. mit persönl. Dat. st. aus-, ent-s., z. B.: Die Trichternasen, sie s. | schlafenden Menschen das Blut. H. 15, 334; Aus dem Grabe werd’ ich ausgetrieben |.. .. zu s. seines Herzens Blut. G. 1, 194, als Vampyr (s. Blutsauger 2a) und übrtr.: Jhr Herr Großvater sog unser Blut. Cham. 3, 109 etc.; Blut-s–der Menschenverderber (Platen 2, 286); Teufel (Sch. 200a) etc. (s. Blutsauger 2b), ähnl.: Wenn du des Bürgers Mark gesogen. Beck Arm. 24 etc. Ferner: Das Schmerzensbild noch seine Blicke sogen. Cham. 4, 41, sie nahmen es gierig in sich auf; Bloß vom Blicke-S. [Anschaun] zu leben. W. 15, 6 etc.; Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen [die Welt erblickt]. 20, 90 etc., s. 3d. (Veralt.) Imperat. Hw.: Saug-den-Zipfel, m., Knauser, Frank Last. J. 2a.
3) mit abhäng. Präpos.:
a) Das Kind saugt an der Brust; das Junge an dem Euter, an der Zitze; der Bär an den Tatzen; die Biene an der Blume; Am Hungertuche s. (gw. nagen). Adelung; Ich sog bes. mit grimmigem Durste an dem neuen Gifte, das etc. Cham. 4, 288; Du hast mich mächtig angezogen, | an meiner Sphäre lang gesogen. G. 11, 23; An diesem Röhrli zu s., so lange ’was fließt. Gotthelf Sch. 222; Sein Kind, das .. am Busen .. gierig saugte. Heine Tr. 77; König Jer. 3, 212; Die die Galle schon gesaugt an ihrer Mutter Brüsten. Lohenstein Soph. 5, 265; Söldner und Pfaffen zugleich saugten am Marke des Volks. Platen 2, 283; Es rissen sich die Säuglinge vom Busen | der Mütter ab und saugten an den Musen. 4, 157; Der Kaiser wäre nicht arm, wenn nicht soviel | Blut- igel saugten an dem Mark des Landes. Sch. 333a; Sein Auge hatte .. an den Blicken des holden Kindes gesaugt. Thümmel 5, 183; An den Grillen s. Zschokke 1, 131 etc.
b) (s. a) Das Kind saugt auf dem Daumen etc.
c) H. saugen aus dem Felsen etc. 5. Mos. 32, 13; Döbel 1, 33a; Vögel, welche den Nektarsaft aus den Blumen saugten. Forster R. 1,373; G. 1,63; Dünste, die aus Sumpf gesaugt der Sonne Gluth. Kaufmann Sh. 1, 80; Glühend Rachgefühl hab ich gesogen aus der erloschnen Sonne seines Blicks. Sch. 527a; Werner Osts. 1, 74 etc. Sprchw.: Aus jeder Blume Honig s., aus Allem Vortheil ziehn; Etwas nicht aus den Fingern (s. d. 2n) gesaugt (L. 11, 527), gesogen (4, 99; W. Luc. 5, 149) haben, vgl. unverneint. Gutzkow N. 6, 336; vHorn Schmj. 229 etc.
d) Schlürfend saugtest du Gift in die unschuldige Kehle. G. (Matthisson E. 1, 400, s. G. 1, 214); Ich habe Lebensbalsam und Kraft in mein Herz gesaugt. 14, 145 etc. U. nam. oft: Etwas in sich s. (ein-s.), auch mit sachl. Subj.: Der Boden .., der die Feuchtigkeit in sich saugte. 40, 330; W. Luc. 3, 300 etc.
e) Du sollst Milch von den Heiden s. etc. Jes. 60, 16; 66, 11; Noch manchen Laut will ich von ihren Lippen s. Sch. 39a etc.
4) mit Angabe der Wirkung:
a) tr.: Etwas leer s.; Sie hat .. ihren Mann .. durch geheime verzehrende Mittel zu Tode gesaugt. G. 34, 146 etc.
b) refl.: Sich voll, satt, dick s. etc.; Der Blutegel saugt sich fest (oder an); Der junge Lenz .. saugt an seiner [des Winters] kalten Brust sich groß. Grün Gd. 220; Lasst [s. d.] wieder satt an Blüthenduft mich s. Mosen Ah. 95; Wie meine [Augen] sich aus ihren trunken s. WhMüller 1, 69; Mit meinem Herzblut nährt’ ich ihn, er sog | sich schwellend voll an meiner Liebe Brüsten. Sch. 383b etc.
5) refl. ohne Angabe der Wirkung (vgl. 4b): [Das] saugt sich in der Jugend Ohr. Platen 1, 322, wird eingesogen, dringt ein. 6) Dazu: Sauger, s. u.; Saugung, gw. nur von Zsstzg., meist: Das S.
Anm. Ahd. sügan, mhd. sūgen, lat. sugere, vgl. lat. succus, Saft, ahd. sou (s. Graff 6, 135; 63 und Sabbe, Anm.), wohl verwandt mit saufen (s. d.). Nbnf. suckeln. Schm. 3, 198; sucklen. FMüller (Wackern. 4, 780³²), (aus)sutzeln. SClara EfA. 1, 365 (vgl. Sutzler m. 416 = Ludel, Saugflasche), vgl. Suck!, Lockruf für die Schweine; Suckel f., Sau (z. B.: Eine borstige Suckel. FGüll, s. Schröder Dekl. 163) ags. suga, niederd. söge (nach Brem. Wörterb. 4, 911 von sögen, säugen). Die weder von Adelung noch von Campe aufgeführte schwache Abwandlung ist, wie die Belege (s. auch Zsstzg.) zeigen, auch bei unsern besten Schriftst. üblich. Faktitiv säugen, ahd. saugjan, sougen, mhd. saugen (vergl. 1a).
Zsstzg. vergl. die von schlürfen, trinken etc., z. B.: Áb-:
1) durch Saugen entkräften.
2) durch Saugen fortnehmen (vgl. aus-s.): Das Blut vom Finger a.; Das den andern Thieren abgesogene [Blut]. IP. Hesp. 16 etc., übertr.: Einem Hab (und Gut) a. HSachs 3, 2, 103h; G. 2, 158 etc.
3) ohne Obj. = aus-s. 2. Án-:
1) intr.: anfangen zu saugen: Der Blutegel hat angesogen (vgl. 2).
2) refl. [4b]: sich fest saugen: Die Wacholderkerne hatten sich schon angesogen. Arnim 34; Fest uns an-zu-s. | an geliebte Lippen. G. 1, 103; IP. 7, 133; Gestalten, denen sich mein Auge ansaugt. 3, 155; Europa ist ein .. Lianenwald, woran die andern Welttheile als Wucherpflanzen sich aufschlängeln und, ausgesogen, sich a. 36, 22 etc. Āūf-:
1) in die Höhe saugen; saugend in sich aufnehmen und dadurch verschwinden machen, eig. und übrtr.: Daß die Bienen den Honigthau aufsaugten. G. 36, 144; Die Winde der Nacht saugten begierig den Hauch auf. 16, 81; Da die Lebensorgane im frühern Staatskörper .. versiegten, sog sie die Centralmacht allmählich auf. Görres Ver. 26; Scherr Bl. 1, 282; Welche die stockenden Hilfsquellen des Staats größtentheils aufsaugten. W. 32, 171 etc.; Rom als Aufsaugerin so großer Geldsummen. Mundt Rom. 1, 158; Wie ein wollenes Gewebe .. in Folge der Aufsaugung sich mit dem Wásser durchtränkt. Volger EE. 204; Bock Diagn. 103 etc.
2) seltner: durch Saugen öffnen: Die Sonne zeigt, daß sie der Welt gedenkt, | sie hat die Blumen küssend aufgesogen. Tieck (Wackern. 2, 1332²), auch: Sich die Lippen a., wund saugen. Aūs-:
1) tr.: Den Saft aus der Frucht, metonym.: die Frucht; die Milch aus dem Euter, das Euter; Einem das Blut, die Kraft, ihn a. etc., eig. und übertr., nam. in Bezug auf das Erschöpfen etc.: Sie hatte sich .. gestochen und saugte das Blut aus. Auerbach Dicht. 2, 41; Das Heer von Mücken, das .. die Geduld aussaugt. Börne 2, 127; Und so saugt sie das Mark, sauget die Seele mir aus. G. 1, 262; Da solltest du, Verwesung, wie ein liebes Kind, diese überfüllte, drängende Brust a. 9, 345; 23, 247; Bis aufs Blut ausgesaugt. Heine Lut. 1, 210; Ein Advokat, | der ganze Dörfer ausgesogen. Lichtwer 89; Das a–de Schmarotzergeschlecht. IP. 36, 55; Die Fürsten .. werden selber ausgesogen und dann scheinen sie aus-zu-s. 22, 97; Aus-zu-s. | deinen Blättern ihren Duft. Platen 1, 74; Die Kindern das Blut aussog. V. Myth. 1, 248; Eine Hetäre, die .. junge Leute . . so gut ausgesogen .., als es eine leibhafte Empusa nur immer hätte thun können. W. 16, 77; Der ausgesogenste aller Gemeinplätze. 32, 9 etc.; Für die Rechte der Unterthanen, gegen Aussaugung und Despotismus. L. 12, 234; Moscherosch Gs. 1, 468 etc.
2) ohne Obj.: zu Ende saugen. Be-: Etwas b., daran saugen. Die Rosen zu b. Lohenstein; Sch. G. 5, 348. Eīn-:
1) [3d] Etwas mit der Muttermilch (s. d.) e.; Finanzminister, einer jener großen Schwämme, die den Schweiß des Volkes abtrocknen, um ihn ein-zu-s. Börne 1, 221; Weil die Ausdünstungen des Körpers nicht wieder durch die Haut eingesaugt werden können. Forster R. 1, 34; Ich hing an Ihrem Munde, saugte Ihre Lehre ein. G. 10, 55; Der eingesaugte atmosphärische Sauerstoff. Liebig Th. 10; Saugte | still ein das Naß. Rückert 1, 151; Sog mein Ohr oder vielmehr meine ganze Seele mit 1000 unsichtbaren Ohren alle seine Worte ein. W. 16, 195; 11, 161; 12, 165 etc.; Einsaugung. Bock Diagn. 103 etc.
2) [4b] refl.: sich in Etwas festsaugen: Wo die Bien’, saug ich mich ein. Schlegel Sh. 3, 118; Der Schleier .. erlaubt .. dem Blick, | sich Bienen gleich in Hals und Busen ein-zu-s. W. 20, 145 etc. Ent-:
1) Einem Etwas e., saugend entziehn etc.: Wem Wollust nie .. der Gesundheit Mark entsog. B. 51b; All ihr Gift entsaugt’ ich jenen Pfeilen. Platen 2, 100; 1, 189; Dem Munde einen Kuß e. W. 20, 237 etc.
2) selten ohne Dat.: durch Saugen entkräften: Die Wurzel des Baums ward nicht von kleinen Gesträuchen entsogen. H. Ph. 13, 62. Er-: heraus-s.: Die Bienen von ihnen [den Blumen] Schätz’ e. Spee (Wackern. 2, 286²³) etc. Hêr- etc.: Damit der [Schlangen-] Stein den .. Gift heraus- saugt. IP. 7, 43; V. 2, 54 etc.; Bis .. ich deine bezaubernde Süße hineinsaug. Bion. 1, 48 etc. Wég-: Der Zudringliche hatte ihr alle Luft weggesaugt. Waldau N. 3, 235 etc.