Faksimile 0038 | Seite 860
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sättig sättigen Sättigkeit
Sä́ttig, a.:
1) von Speisen: leicht und sehr satt machend: Ein s–es Fleisch. Döbel 4, 88 etc. 2) (ver- altend) passivisch im Ggstz. un-s. = unersättlich (s. d.): Der Menschen Augen sind un-s. [, vnsettig“]. Spr. 27, 20; Sei nicht ein un-s–er Fraß. Sir. 31, 20; 24; Der un-s–e Geizwanst. Luther 8, 215a; 242a etc.; Fährt .. | gierig hinein in die Wasser wie ganz un-s. des Bades. V. Arat. 167 etc., auch: Aus großem unersättigem Haß. Luther SW. 61, 61; Gryphius Fr. 390 v. 636 etc.
~en, tr. etc.:
satt (s. d.) machen; Sattheit (s. d.) bewirken:
1) ohne Obj., z. B.: Diese Speise sättigt sehr; S–de Speisen; Das Pikante soll nicht s. und nicht tränken, es soll nur den Gaumen reizen. Auerbach SchV. 262 etc.
2) mit bloßem Obj.:
a) Ein lebendes Wesen, eine Person, ein Thier s.; Jemand sättigt Einen (mit Speise, s. 4a); die Speise sättigt ihn und pass.: Von der Speise gesättigt werden, sein etc.; Kannst du die jungen Löwen s.? Hiob 39, 1; Gott sättiget euch. Jak. 2, 16; Matth. 15, 33 etc.; Laß dich ihre Liebe allezeit s. Spr. 5, 19; Drei Dinge sind nicht zu s. und das vierte spricht nicht: es ist genug. 30, 15; 18, 20 (s. Frucht 4b); Daß wir von seinem Fleisch nicht gesättigt würden. Hiob 31, 31; [Es müßte] der Weizen Mark sie speisen, | sie s. aus Felsen Honig. Mendelssohn Ps. 81, 17 (vgl. 4a); Die Menschen .. sind müde der Überbleibsel des Alterthums und gesättigt von Religionsstreitigkeiten [ihrer satt, überdrüssig]. G. 30, 224 etc.
b) (s. a) Jemandes Herz, Seele, Hunger, Verlangen, Begierde etc. s., z. B.: Der Herr wird .. deine Seele s. [,,laben“ Zunz] in der Dürre. Jes. 58, 11; Jer. 31, 25; Spr. 6, 30; So will ich deine Neugierde s. [befriedigen]. G. 28, 139; Daß williger mein Herz, vom süßen | Spiele gesättiget, dann mir sterbe. Hölderlin (Wackern. 2, 1268⁴²).
c) (s. satt 4) Eine Flüssigkeit (mit einem Stoff, s. 4a) s., soviel davon, wie sie in sich aufnehmen kann, darin auflösen (saturieren), nam. im Partic.: Gesättigte Salzlösung etc., so nam. in Bezug auf die Neutralisation von Basen und Säuren (s. über-s. 2); ferner in Bezug auf Farben = satt, intensiv: Eine Tapete von einem ganz reinen gesättigten Blauroth. G. 37, 256; Ein sehr gesättigtes lauchfarbes Grün. 39, 34 etc.; Die völlig gesättigten Tiefschatten, die durch Reflexe gemilderten Halbschatten. Kohl A. 3, 224 etc. und übertr.: Ihre Herzen sind .. vom gesättigtsten Kummer erfüllt. Hartmann (Gartenl. 9, 83b) etc.
3) (s. 2) ref.: Sollen essen und sich s. 5. Mos. 14, 29; Jes. 44, 16; Sich recht voll s. Schütze HambTh. 5; Sein Herz, sein Auge, sein Hunger, seine Begier sättigt sich etc., s. 4.
4) mit Komplement zu 2 u. 3:
a) mit Präpos., z. B.: Einen oder sich mit Etwas s., z. B. eig.: Ich werde .. sie mit Honig aus dem Felsen s. Ps. 81, 17; 147, 14; Er sättigte sie mit Himmelbrot. 105, 40; Mit lieblichen Früchten ihn s. G. 7, 308 etc. und übertr.: Wenn du deine Hand aufthust, so werden sie mit Gut gesättiget. Ps. 104, 28; Er sättiget die durstige Seele (2b) mit Gutem. 107, 9; Ich will ihn s. mit langem Leben. 91, 16; Er hat mich mit Bitterkeit gesättiget und mit Wermuth getränket. Klag. 3, 15; Man wird dich s. mit Schande für Ehre. Hab. 3, 16 etc.; Fülle der all-lebendigen Welt ernährt und sättiget mit Trunkenheit mein darbend Wesen. Hölderlin H. 1, 10; Seine Gemüthsbewegungen und Lüste ... mit Lastern s. (2b). Olearius Ros. 88a; Eh ich dem schlechtern Manne das Herz mit Freude gesättigt (2b). V. Od. 20, 82 etc. Auch (s. 2c): Bis sich die Flüssigkeit mit Chlor ziemlich gesättigt hat. Karmarsch 2, 481 etc. Ferner (s. 2b): Seine Seele etc., seinen Hunger, sein Verlangen etc., sich an oder von etc., s. 1a Etwas s., z. B.: Sich an Trank und Speise s.; Sich zu s. von den Brosamen. Luk. 16, 21; Sie werden doch ihre Seelen davon nicht s. Hes. 7, 19; [Ihr Vögel,] sättiget euch über meinem Tisch von Roß und Reitern! 39, 20; Ich will meinen Muth an dir kühlen und meinen Eifer an dir s. 16, 42; Andre, welche keine Rache an ihm zu s. hatten. Sch. 716a etc.
b) in gehobner Rede mit Genit., z. B.: Seine Seele sättigte sich des Gutes nicht. Pred. 6, 3; Er sättigt dich des besten Weizen. Mendelssohn Ps. 147, 14; Dann sättigest du der Troer Hund’ und Gevögel | deines Fettes. V. Il. 13, 831; 8, 379; Nachdem wir der Kost uns gesättiget und des Getränkes. Od. 9, 87; 3, 70; Zu dem Lager, | wohl des Brots und des Fleisches gesättiget, eilten die Andern. 14, 456; Schon ist Allen das Herz des gemeinsamen Mahles gesättigt. 8, 98; Nachdem sie weinend ihr Herz des Grames gesättigt. 20, 59; Nachdem sie das Herz der erfreuenden Liebe gesättigt. 23, 300; Nachdem er des Lichts sich gesättigt. Arat. 103; Th. 25, 132; Arist. 3, 311 etc.
5) im passiv. Partic. auch mit Bstw. (vgl. 4), z. B.: Zogen sie heim, siegtrunken und rachegesättigt. Pyrker 245; Aus der regengesättigten Erde. Auerbach D. 1, 194; Schaugesättigt an den Gemälden vorüberstreifen. Kohl Pet. 1, 257 etc. und verneint: [Das Auge] fordert Gold und aber Gold zur Mast | und wird es ungesättiget verschlingen. Cham. 4, 84; Seinen ungesättigten Groll und Haß. Luther 6, 182a; Die Begier, | satt und doch ungesättigt. Tieck Cymb. 1, 7 etc.
6) Sättigung= Satt- heit, z. B.:
a) Fresset Fett bis zur Sättigung und saufet Blut bis zur Trunkenheit. Zunz (Hes. 39, 19) etc.; Jeder ganz ausgekostete Schmerz hinterlasse eine so volle süße Sättigung des Gemüthes. Gutzkow R. 7, 395; Wenn Sättigung Überdruß gebar. Musäus M. 1, 73; Jenes volle, überfließende Gefühl der Glückseligkeit, der Sättigung mit irdischen Gütern, jenes Gefühl der überschwänglichen Genüge. Novalis 1, 39; Tieck N. 6, 77; Vom Vollgenuß zur Sättigung. W. 12, 35; 10, 66 etc.
b) (s. 2c): Eine Sättigung der Farben. G. 37, 174; Daß es .. dies Alles wie ein feiner gutgefärbter Zeug tief und bis zur gänzlichen Sättigung in sich gesogen. W. Luc. 3, 300; 6, 187 etc. Zsstzg. z. B.: Er-: (s. ersatten) wie das Grundw., doch gw. nicht ohne Obj., s. [1] und nicht wie [2cl, z. B.:
1) [2a] Kotzen die Wölfe .... den Jungen die Speise vor, dieselben zu e. Fleming J. 378a; Da männiglich ersättigt war. Schaidenreißer 10a; 13a; 14a; 58b: Stumpf526b; Den jungen gefräßigen Kuckuck . . zu e. Tschudi Th. 78; 79 etc.
2) [2b] Wann dieses tantalische Streben nach ewig fliehendem Genuß endlich ersättigt werden würde. G. 7, 328; Würden doch die Augen der Armen nicht ersättiget werden. Olearius Ros. 89a; Hiervon wurden des Feindes Hände noch nicht ersättigt. Reis. 265a; Eine gw. Belohnung konnte den Ehrgeiz eines Wallensteins nicht e. Sch. 915a; 500a; Nie zu e., schwelgt die Begier. Schlegel (Wackern. 2, 1297²¹); Ihrer Richter Geiz e. Wernike R. 193; 196 etc.
3) [3] So ein Pferd.. sich also ersättiget. Ryff Th. 41 etc.; Der blutige Rachedurst kann sich nicht e. Ense Tag. 6, 328; Gervinus Lit. 3, 552; Daß unsre Sehnsucht sich ersättige. Uhland 217 etc.
4) [4] mit Komplement:
a) mit Präpos.: Sein Herz mit dem Blut von Diesem | wohl zu e. B. 231a; Ryff Th. 15; Da wir mit Speis’ und Trank ersättigt waren. Schaidenreißer 36; Als der Graf sich mit Umarmung seines Sohns ersättigt. Schwab V. 1, 183; Tieck 16, 248; Zink- gräf 1, 165 etc.; Sie sind aber daran noch nicht ersättigt gewesen. Freytag Bild. 1, 236; Nachdem sie sich an dem Anblick ersättigt. G. 19, 394; Nachdem der Haß und Abscheu sich an ihm ersättigt. Immermann 12, 369; Der Jäger konnte an ihrem Anblick sein Auge nicht e. M. 1, 429; Ersättigt und enttäuscht am Gegenstande meiner Liebe. Möricke N. 342; Bis Dieser sich am Gelächter ersättigt hatte. Tieck NKr. 4, 121; W. 13, 184; Merck. 2, 116 etc.; Mit Thränen .. nährt’ ich mich .. | und selbst in meinen Thränen durft’ ich nicht | nach Herzenswunsche mich e. Sch. 621b; Tieck A. 2, 191; Er könne sich in diesen Schmerzen nicht e. NK. 1, 125; Alle seine Begierden sollen in ihrem bloßen Anschauen sich e. W. 23, 406 etc.; Wie man sich durch Wiederholung niemals e. kann. G. 39, 164 etc.
b) mit Genit.: Sich der neuen Macht.. bis zum Mißbrauche zu e. Ense Gal. 2, 172; Das genügsame Auge, das bald sich des Schimmers ersättigt. Kosegarten D. 2, 23; Die ersättiget waren, nicht überdrüssig des Lebens. 125; Die Krieger, der Rache ersättigt. JvMüller 24, 107; V. 1, 38; Il. 23, 157; Od. 23, 346 etc.
c) zuw. mit Infin. und zu: Das Pathchen .., das nicht ersättiget [satt] ward, zu herzen die Ein’ und die Andre. Kosegarten D. 1, 125 etc.
5) [5] So .. du, an Solchem unersättigt, darauf umgehst etc. Schaidenreißer 43b.
6) [6] Die Spitze der Begier erstumpft sich im Genuß, | Dies bringt Ersättigung unddann folgt Überdruß. W. 12, 32 etc. Über-:
1) übersatt machen, z. B.:
a) tr.: Die Tugend, womit man sie in ihrer Jugend so übersättigt hat, einmal abzuweisen. JKohl Par. 3, 138 etc.
b) refl.: Hatte ich mich bisher an .. Pöbelaūftritten bis zum Abscheu ü. müssen. G. 22, 216 etc.
c) im Partic.: Übersättigt. Forster Voln. 48; Schlegel Sh. 6, 111 etc., vgl. (ugw.): Daß der übergesättigte Geist aufstehe vom lästigen Schmaus. Sturz 1, 243.
d) In der Langenweile ihrer Übersättigung. Forster Voln. 220 etc.
2) (2c) Chem.: über den Sättigungs- (oder Neutralisations-) Punkt hinaus mit einem Stoff erfüllen: Karmarsch 3, 19; Übersättigung. 2, 866 etc. und übertr.: Wenn diese [Mischung] nicht nach der einen oder der andern Seite übersättigt werden sollte. Ense Denkw. 6, 318.
~keit, f.; 0:
1) das Sättig-Sein. 2) Sattheit (s. d.): Wo im Pallast S. gebeut. H. 15, 312; Mit was für S., mit was für Wollust beglückst du mich. L. 3, 63 etc., auch o. Uml.