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satt
Sátt, a., –est:
1) genug, z. B.:
a) oft verbunden: Daß sie denn genug und s. Menschen finden, die etc. Claudius 5, 72; Aber genug und s. davon! Heinse K. 1, 353; Kein Weheklagen soll nicht s. und genug sein. Luther SW. 56, 122; Geben der Worte s. und genug. Musäus Ph. 2, 90; Genug und s. zu lachen (W. 13, 197), zu lesen (35, 23) bekommen etc.
b) seltner ohne Nebenbegriff (s. 2) allein: S. [sattsam, zur Genüge] rügte Haman zwar in zierlichen Sentenzen | den Trotz. Gotter Sch. 38; Ich stahl ihnen Zwieback und Wassers s. Klinger Th. 2, 362; Der Anfang ist uns gut s.; es soll wohl besser werden. Luther 5, 281; War mir Das Beweis s., daß etc. Musäus Ph. 3, 151; Mein Brief sagt’s Ihnen deutlich s., wie etc. 1, 147; Den nie s. zu Rühmenden etc. Spate 1, lV. 2) gew. (vgl. 1): in einem Genuß dahin gekommen, daß das Verlangen vollkommen befriedigt ist, man also Nichts mehr davon verlangt oder sich dem überdrüssig nähernd davon mag, z. B.:
a) neben refler. Zeitw., z. B.: Nichts als kahle Nieten? | Nun, so niete dich [Fortuna] dann s. und matt! B. 56b und (alphab. nach dem Zeitw.): Sich s. baden in Thränen. Müllner 5, 18; in Blut. Sch. 391a; erlustigen an Etwas. W. 12, 41; essen. L. 12, 144; Kirschen essen. Stilling 1, 143 (gw.: in oder an Kirschen); fragen. Schlegel Haml. 4, 5; fressen. Sch. 113a; W. 12, 17; hauen an Etwas. Talvj 2, 287; hören. W. 15, 175; klagen. 20, 248; küssen. Nicolai 4, 266; laben an Etwas. Ramler F. 3, 137; lachen an Etwas. Zelter 2, 54; lärmen. G. 8, 306; lästern. Jacobs Phil. 50; des Lebens leben. H. 15, 217; plaudern. Nicolai 4, 163; reden. 266; riechen. W. 15, 175; schaun an Etwas. Hebel 4, 16; schelten auf Etwas. Tiedge Ep. 1, 67; schlagen. G. 8, 306; schmecken. W. 15, 175; schreiben an Etwas. Thümmel 4, 168; sehn. G. 11, 103 (an Etwas. 46; 17, 271 u. v., seltner mit Genit. Sir. 43, 1; Luther 8, 154a); spotten über Etwas. Zöllner Reis. 308; trinken. Sch. 1086a; weiden an Etwas. G. 11, 114; weinen über Etwas; mundern. Schlegel Sh. 3, 93 (über Etwas. Waldau N. 2, 29 etc., seltner mit Genit. Luther 8, 154a); zanken. L. 12, 144 u. ä. m. Zuw. auch von (mehr oder minder personif.) sachl. Gegenständen: Das Auge sieht sich nimmer s. und das Ohr hört sich nimmer s. Pred. 1, 8; Wenn das schwarze Gewölk sich s. gesogen. Humboldt K. 2, 59; Der Baum, der sich s. an Früchten getragen, stirbt. H. Ph. 3, 242 etc.
b) mit nicht-refler. Zeitw. (alphabet.) in versch. Nü- ancen, z. B.: Etwas zum Genusse s. bekommen (1), genug; so viel man davon bedarf oder genießen mag, nam. an Speis’ und Trank; Etwas im Genusse s. bekommen, so viel davon genießen, daß man nicht mehr davon mag, z. B.: Ob ich gleich.. durch Nachahmungen.. des Buchs ordentlich mich selber s. bekommen. IP. 7, XI; Daß er nie zwei Dinge s. bekam, das Leben und das Essen. Fat. 1, 101 etc.; Eine (zu sättigende) Person s. bekommen, ihre Sättigung bewirken etc. Bis mit den Sternen sie nicht s. | gebuhlt und liebgeäugelt hat. Blumauer 1, 109 etc., so daß ihre Begier gestillt ist. S. erquicket. Nicolai 8, 242. Ihm hat vielleicht der Römer s. erzählt. JBMichaelis 76, so daß er nicht mehr von ihm hören mag. S. essen. Rückert Morg. 1, 179 etc. Nichts reizt den Appetit so sehr als die Besorgnis, er finde nicht s. [1]. IP. 7, 112. Hat jetzt nicht genug, um seinen Kindern und Gesinde bis zum nächsten Sommer s. [1] geben zu können. Kretschmann 5, 205, soviel zur vollen Befriedigung der Eßlust gehört. So geizig, daß sie kaum s. Brot und Wasser genoß. Stilling 3, 10. S. haben [1], s. o.: bekommen, z. B.: Sie haben s. in Hungersnoth. Mendelssohn Ps. 37, 19; Möser Ph. 1, 172; „Lang Er zu, Herr Nachbar!“ | Ich habe s. W. HB. 1, 139 etc.; Du hast ja Futter s. Ramler F. 3, 229 etc.; aber auch: Etwas oder Einen s. haben, desselben überdrüssig sein, Nichts mehr davon mögen: Das Murren, Mustern, Meistern, Mäkeln, | wie hab ich es zum Tode s.! Dingelstedt (Monatbl. 1, 339a); G. 7, 302; Wenn man die Blumen nicht so entsetzlich s. hätte. 32, 151; Daß er uns .. längst s. habe. Gutzkow R. 1, 22; Hartmann Unst. 2, 371; ETAHoffmann Ausgew. 7, 430; Ruge Rev. 1, 162; Als die Zarin und Potemkin sich gegenseitig s. hatten. Scherr Bl. 1, 158; Tieck N. 6, 134; Volksz. 10, 210 etc. und mit Genit.: Auch habe ich aller Beschreibungen und Reflexionen für heute herzlich s. G. 14, 206; König Kl. 2, 16; Wenn sie es einmal gelesen .., haben sie sein so gar s. und genug. Luther 8, 43b; Müllner 5, 194; V. (Paulus Leb. 22); Der gerichtlichen Reden habe ich schon lange genug und s. W. Luc. 6, 193 etc., s. U.: sein, werden. Er bringt uns immer unsre Braut, | wenn er sie s. geküsst. Herwegh 1, 21, seine Begierde des Küssens befriedigt. Lasst, Götter, lasst die grauen Haare nun | zum Orkus fahren! S. hab’ ich gelebt. Sch. 14a, ich verlange kein längres Leben; S. gesehn hat mich die greise Mutter, .. | s. geliebt hab’ ich die treue Gattin, | s. gehaun mich [a] auch an Türkenköpfen, | jeder Wunsch des Herzens ist befriedigt | und nicht leid thut mir’s die Welt zu tauschen. Talvj 2, 287. S. liebäugeln, s. v.: buhlen. Da ich s. gelöffelt hatte. Schweinichen 2, 11, s. o.: küssen. Mangel ist ein hartes Los, | mein Adel machte mich nicht s. Sch. 239b, stillte nicht den Hunger etc. Ihr Lichter, die ich nicht auf Erden s. kann schaun. Gryphius (Wackern. 2, 392⏑) = s. sehn (s. o.: lieben). Beides, s. sein und hungern. Phil. 4, 12; S. sein wie ein Dachs. Zelter 3, 53 etc.; Voll und s. [betrunken] sein. Zinkgräf 1, 304; Wie s. [war Jeder].., sobald er seiner Wünsche Befriedigung gefunden. G. 16, 304 etc., ferner mit Komplement (vgl. überdrüssig, müde) im Genit.: Der Brandopfer (Jes. 1, 11); Goldes (Grimm M 88), des Lebens (Kinkel 12), des Fraßes (L. 13, 607), des Schauspiels (Tieck 10, 72), der Schulden (Uhland 410) s. sein; Ich bin des Schattenreichs der Linden und der Buchen,| des Wiesendufts, des Schlafs am rieselnden Krystall, | des Mondscheins und der Nachtigall | von Herzen s. W. 12, 37; 157; 6, 115 etc. (s. c) und mit Accus., vgl.: Ich bin es [s. d. 9] s., des eklen, leeren Schauspiels. Tieck 10, 72 etc.; Ich bin meine alten [Lieder] s. G. 8, 134; Fleisch bin ich s., aber ich habe noch kein Brot gekriegt. Grimm M. 191; Langbein 1, 83; Wenn er das schöne Gesicht s. wäre. L. 1, 468; 12, 336; Ich bin mein Leben s. Lewald W. 2, 400; Die kleinen Städte kenne ich alle und bin sie s. Platen 7, 179; Und da er nun nach deiner Lust bereitet, | bist du so s. ihn, viehischer Verschlinger. Schlegel Sh. 6, 219; Ich bin diesen Mond s., ich wollte er wechselte. Somm. 5, 1 etc., auch mitvon (vgl. müde 1f) zur Angabe des s. Machenden: Ich bin vom Mittag so s., daß ich noch Nichts essen kann; Wenn du nicht s. vom Schlafen wirst wie Ratzen. Rückert Mak. 1, 39 etc.; dann ganz nah grenzend an den Genit.: So bin ich von euren Küssen, eurer Kühnheit s. Kretschmann 2, 224; Doch Gleim ist s. von Lob. 164; L. 13, 43; Wie bin ich s. von meinem Vaterlande! Platen 2, 140 etc. Sie aßen Alle und wurden s. Matth. 14, 20 etc.; Zu Wenig, um s. zu werden und doch zu Viel, um mit Ehren zu betteln. Prutz Woch. 44; Geschäfte, bei denen man wohl alt und grau, aber nicht s. und froh .. ward. Mus. 2, 59 etc., auch (vgl. Haferkitzel etc.): Da er aber fett [s. d. 1] und s. ward, ward er geil. 5. Mos. 32, 15; Neh. 9, 25; Ich möchte sonst, wo ich zu s. würde, verleugnen. Spr. 30, 9; 22 etc. Ferner (s. o.: sein) mit Komplement, mit Genit.: Brots (2. Mos. 16, 12), meines Fleisches (Hiob 19, 22), Reichthums (Spr. 4, 8), Gelds (5, 9), der Weiber (G. 9, 248), des Kummers (V. Od. 4, 103), s. werden etc. oder mit Accus., vgl.: Alles wird man ja s., des Schlummers selbst. V. Jl. 13, 636; Ich werde es [s. d. 9] s. Fouqué 8, 10; So eine Frau wird man nimmer s. G. 8, 134; Das Schiffen werd ich s. Platen 1, 173; Ein gewöhnlicher Mensch kann an einem Diner 20mal s. werden: 1) die Suppe s. etc. Schefer Rom. 5, 54; auch: Unsre Gelehrten.. haben [es] kaum s. werden können, sich herunterdeutschen zu lassen. Zelter 1, 110 etc.
c) (s. b) S. = s. seind, z. B.: Bis, Hütens und Gebetes s., | der ernste Cherub sich empört. Freiligrath SW. 1, 248; So lebt, so stirbt der Wilde, s., aber nicht überdrüssig der einfachen Vergnügungen. H. Id. 9, 1; Des Lobposaunens s. und müde. Musäus M. 2, 60; So abgeschieden, so voll Himmels, | so s. unheiliges Getümmels, | mög’ ich etc. V. 4, 165 etc.; minder gw. (vgl. 4): Die Sonnen .. schöpfen Leben |aus deinem [Gottes] Quell, und Licht | und tränken Töchter jed’ und Söhne, | euch, Erden, und ihr Monde weit! | Ihr taumelt, s. der [erfüllt von] Kraft und Schöne. 3, 134.
d) (s. c) attrib. (vgl. 4): S–e Gäste; Ein s–er Bauch; Der S–e weiß nicht, wie dem Hungrigen zu Muth ist. Sprchw.; Ein wählig s–es Eselein. Droysen A. 2, 137; Ein s–es Pferd ging von der Krippe. Ramler F. 3, 41 etc. u. übrtr. (s. b: S. sein. 5. Mos. 32, 15 etc.): Viele krauen ihren s–en und fürwitzigen Zuhörern die Ohren. Mathesius Lthr. 108a etc. Hierzu Zsstzg. oder vielmehr Zusammenschiebungen, z. B.:
e) zur Bez. eines hohen Grads: Sich pump-s. (G. 2, 201; Goltz 3, 308), dick-s. fressen; Ich hab’s nun mit deinem sonderbaren Gemunkel . . dick-s. gekriegt. O Müller Stadtschr. 1, 110 etc.; Wenn ihr einmal haut-s. zu lachen Lust habt. FMüller F. 29 (s. Haut 1e, vgl. hautreich) etc.; Auch Levkojen voller Blüthe | trägt mein Gärtchen tausend- s. [1, tausendgenug, in reicher Fülle]. Kretschmann 5, 27 etc., s. nam.: Über-s. = allzu s., z. B.: Des schalen Alabasters sind wir s. und übers. Börne 1, 150; Man knupperte müde und über-s. am Salat. Gutzkow Z. 3, 373; Klinger F. 396; Da will das Herz was Neues haben, des Vorigen ist’s müde und über-s. Luther SW. 36, 281; Das über-s–e Gelüste. Mendelssohn 5, 402; JvMüller 6, 250; Scherr Bl. 1, 136; Schlegel Sh. 2, 157 etc.
f) (vgl. e) mit Adv., z. B.: Grüne Wiesen mit froh-s–em Vieh. Hegel 17, 563; Die immer-s–e Genügsamkeit etc.; Guillotin’s nimmer-s–er [unersättliche] Tochter. Scherr Bl. 1, 384 etc. und substant.: Da, Nimmer-s.! Benedir 10, 5; Du bist der Nimmer-s. G. 9, 5; Wackern. 4, 778⁰ (FMüller); Die Nimmersatts. Gutzkow R. 2, 291 etc.
g) mit Komplement (s. c und b: satt sein, werden): Du verklärtes Weib, bist erden-s. Meißner Gd. 22 etc.; Wie gw. ein Prinz essen- und trinken-s. erzogen wird. IP. 36, 8; Lev. 160; So ward ich s., Essens und Trinkens s. Schefer Rom. 5, 40 etc.; Dies Herz | ist freuden-s. und ich kann fröhlich scheiden [sterben]. Sch. 468a etc.; Gehens s. kehrte ich nach Hause. Hegel 17, 570 etc.; Der nimmer hader-s–e Mars. B. 171b; Honig-s. mach ich euch heute. G. 5, 137 etc.; Starb in einem ruhigen Alter, da er alt und lebens-s. war. 1. Mos. 25, 8 u. v.; Die Lebens-S–en. Sch. 142b; Der lebens-s–e Jüngling. 1078b; Mögest du.. spät .. lebensfroh, nicht lebens-s. hinüberschlummern. HVoß JP. 73; In einem lebens-s–en Alter. W. 23, 316 etc. und scherzh. (vgl. ableben 3b): In einem alten und lebens-s–en Zeugrocke. Rabner Br. 297 etc.; Senkte der stehens-s–e Gewissensrath seinen Rumpf in den Sorgenstuhl. IP. 7, 82; Letzter Zufluchtsort aller Welt-S–en. Fallmerayer Or. 2, 13 etc. 3) (s. 2) zuw. auch faktitiv = Sattheit bewirkend: S. war sein Tisch. Kretschmann 5, 207; Ein s–er Tisch. Ders. (Kurz 2, 537b), ferner = Sattheit bekundend: Der Mund .. spielt in einem halb matten, halb s–en Lächeln festgefrornen eisigen Hohnes. Stahr Jt. 2, 445 etc. 4) von Etwas, insofern es von einem Stoffe mehr oder minder in sich aufnehmen kann: möglichst viel davon in sich aufgenommen habend, z. B.: Eine s–e Salzlösung, die so viel Salz enthält, daß die Flüssigkeit nicht mehr in sich aufnehmen kann, und nam. von Farben, z. B.: Wurde zur Erzielung einer s–eren und lebhafteren Farbe der Stoff zweimal gefärbt. Guhl GR. 2, 234; Die Farben stark und s. aufgetragen. G. 38, 18 etc. und daher = intensiv: S. blaues Papier. ebd.; S–es Blau des Himmels. Forster It. 2, 231; Tiefe, s–e Farbentöne. Immermann M. 1, 43; Ein s. grünes Wiesenthal. Keler gH. 2, 23; Der Vordergrund braucht einen starken, energischen, in der Farbe s–en Baum, um zurückzutreiben. Vischer Ästh. 2, 99 etc.; Die farben-s–en Genzianen. Scherr Gr. 1, 25; minder gw. (vgl. 2c am Schluß): Die unzählbaren Heere, | die, ungleich s. [erfüllt] vom Glanz des mitgetheilten Lichts | in langer Ordnung stehn v. Gott zum öden Nichts. Haller 144.
Anm. Goth. saths, ahd., mhd. sat (s. lat. sat, satis, satur) und so noch bei Luther etc. sat. Dazu sättigen, ahd. satjan, sat(t)ón, mhd. sat(t)en; Sattheit, ahd. setî etc. Vereinzelt Steigrung mit Uml.: Sich nicht sät- ter essen. Musäus M. 3, 58 etc. (s. u.). Veralt., mundartl. Bedd. (s. Schm. 3, 288): genügend, sattsam (als Ew.), fest und sicher, z. B.: [Davon] hab ich keinen s–en Grund erlanget. Stumpf 395b; 589a etc.; Wo einmal eine solche Furcht angenommen, da ist keine s–e Seligkeit. Eppendorf 21; 28; Damit er [der Schriftsteller von dem Übersetzer] in einen s–en und guten Verstand möge [ge]bracht werden. 2; Diese wunderbarliche Ding wird man desto eh und setter [sichrer] glauben, so etc. 17 etc., dann auch: festgegründet, feststehnd etc.: [Sie] wird s. bleiben, daß kein Übel sie heimsuchen wird. Spr. 19, 23; Daß . . die Inseln . . an das s. Erdreich [Festland] gewachsen. Stumpf 390a; Daraus nach Langem ein s. Erdreich wird, da vor etwan Wasser war. b; So der Hengst stehet, soll der Fuß auch s. aufstehn und das Erdreich allenthalben rühren. Ryff 29 und ähnlich noch: Bis er .. s. [dicht] an dem Kruzifix vorbeistreift. Hebel 8, 16. S. ferner auch sanft, Anm.
Zsstzg. s. 2f; g und 4.