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Ross
Róss, n., –es; –e; Rößchen, (e)lein, (el); -:
1) oberd. = Pferd überh., s. Schm. 3, 136 und a; so auch in den Zsstzg., s. die von Pferd und c, nam. das in den Bergen Oberdeutschlands übliche Saum-R. etc., nach allgm. hochd. Gebrauch aber als edlerer Ausdr., zumal von einem muthigen, feurigen Pferd, was kaum der Belege bedarf: R. und Reiter (s. d.); R. und Mann. Ps. 76, 7; R–e werden zum Streittage bereitet. Spr. 21, 31; Seine R–e sind schneller denn Adler. Jer. 4, 13; Spannet R–e an und lasset Reiter aufsitzen. 45, 4; Wohlan, sitzet auf die R–e. 9 etc.; Wie bald ich zu R–e die Welt mag umjagen. B. 66b; Daß er eine Mähre für ein gut R. bezahlet. Garzoni 540a; Mit 30 reisigen [s. d.] Rossen. Schweinichen 3, 23 etc.; Ein muntrer Gaul und auf dem Rößlein etc. Spindler Stadt 1, 9; Weder das muthige R. noch der Miethklepper. Tieck GsN. 1, 74; Ein Herr aus Schwabenland .. Deß Rößlein war so krank und schwach, | er zog es nur am Zaume nach. Uhland 379 etc.
a) in Sprchw., öfter (s. o.) in dem allgm. Sinn wie Pferd (s. d.), z. B.: Wer das R. geholt hat, Der hole auch den Zaum. Hebel 3, 240, nach dem Verlust des Hauptsächlichen kümmert man sich um den des Kleinern nicht sehr etc.; Das R. unter dem Schwanz zäumen. Luther 5, 140b etc.; Einen auf dem fahlen (s. d.) R–e finden. V. Myth. 1, 8 etc.
b) zuw. übertr., z. B.: Der Wein . ., der das adamisch Rößlein laufen macht; der Wein zündet das Fleisch an. SFranck LastH. 2b; Dir ist am besten, wenn der Sturm sich tummelt | auf schaum’gem R–e über blauer Tiefe. Mohnike Fr. 43; Meines Lebens Rößlein war vollmähnig | und seine Jugend vollzähnig. Rückert Mak. 1, 90; Sattelt euch nur, hölzen R., | ihr müsst über Wellen traben. Spee (Wackern. 4, 280⁴⁰) = Schiffe, s. c: Meer-, Schwimm-R. etc.
c) Zsstzg. oberd. (s. o.) wie von Pferd (s. d.) überh., dagegen nach hochd. Gebrauch gw. nur von edlen, muthigen Pferden (doch s. z. B. Pflug-R.), z. B.: Auf einem Berber-R. Sch. 484b; [Der] vor den Schneepflug und die Egge- und Säemaschine des Lebens gern Streit- und Donner-R–e vorspannte, anstatt eines Zuges tüchtiger Filial- und Ackerpferde. IP. 21, 32; Ich sehne mich nach keinem Edel-R–e, | nach Prachtgeschirren nicht etc. Lenau A. 148; Ein Feuerwagen und Feuer-R–e, die trenneten Beide und Elijahu fuhr auf in einer Wetterwolke gen Himmel. Zunz (2. Kön. 2, 11); Flügel-R., Hippogryph und nam. der Pegasus. Freiligrath Garb. 127; Heine Rom. 204; Schwegler (46) 40 etc.; Hand-R., s. Handpferd 2 und daher oberd. übertr.: ein Gut, das der Besitzer neben seinem Hauptgut wo er wohnt, .bebaut. Schm.; Das wilde Jagd-R. an den Zaum gewöhnen. Sch. 610b etc.; Dort wieherten sich laut die beiden Kampf- ross’ an. Rückert Rost. 85a u. o.; Ehe dem Mann wir Beide mit Krieges-R–en und Wagen | kühn entgegengerennt. V. Jl. 5, 220; Mit Truppen von 50, 70 bis 100 Pferden und Maulthieren, denen ein Leit-R. voranklingelte. Spindler Vog. 2, 93; Da ward der Wandrer Wasserreiter, | ein rasches Meer-R. [b = Schiff] stand im Port. Echtermeyer 596, s. Schwimm-R., vgl. See-R.; Die Stränge dem Neben-R. mit dem Schwerte | abzuhauen. V. Il. 8, 87; Das ermattete Pflug-R. V. 3, 24; Ein zierlich Reit-R. Gotthelf G. 193; Das unbändige Reit-R. Pyrker 326 etc.; Geht zu seinem Roth-R. . ..Zu seinem Schim- mel-R–e, | zu dem Schimmel, rothgefärbter Mähne. Talvj 2, 250 etc.; Saum-R. (s. o.), Packpferd namentl. auf Gebirgswegen (s. Saum-Sattel). G. 18, 128; 22, 361; 25, 124; Gutzkow 3, 42; Sch. 526a etc., zuw. allgm. = Saumthier, z. B. Esel. G. 18, 20 und spottend von Pers., die sich mit Beute beladen. 35, 76 etc.; Ein Schlacht-R. weiland sank zum Ackerpferde. Freiligrath Garb. 33; Streckfuß Rol. 12, 75 etc.; Rauchschnaubend schießt der Dampfrapp [Lokomotive] nebenher | und durch die Fluth auf raschen Räderflossen | ein buntes Schwimm- R., dampfbewegt wie er [Dampfschiff]. Reithard XIII (s. o. Meer-R.); Thetis, wann sie mit ihren See-R–en zu fahren pflegt. Opitz (Wackern. 3, 647³²); Schwegler (46) 283, s. 2i und Meerpferd 5, vgl. Meer-R. etc.; Die thaubeperlten Sonnen-R–e. Streckfuß Rol. 12, 68; Sch. 59b etc.; Das wilde Streit-R. stampft. Gleim 4, 98; Mendelssohn Morg. 183; Pz 2, 217; Ramler F. 3, 214 etc. und übertr.: Er schwang sich also auch bei dem Essex auf dieses sein Streit- R. und tummelte es gewaltig. L. 7, 102: Mit Tausendmeilen-R–en, | mit wind-eiligen. Rückert Nal 259, vgl. Siebenmeilenstiefel etc.; Die Turnier-R–e der Ritter etc.; Er hatte es mit seiner hässigen Mähre zu thun, der er in der Hast den unrechten Kommet angelegt und jetzt nicht Vor-R. sein wollte. Gotthelf G. 354 etc. und übertr.: Sprecher des schwedischen Bauernstandes als Christina abdankte: Bleibt doch im Karren, gute Frau! seid Vor-R. euer Lebenlang. JvMüller 14, 208 etc.; Scharlachdecken auf der Wolken- R–e Kroupen. Freiligrath SW. 5, 303 (von den Wolken in Gestalt eines R–es); Auf dem Wolken-R. reißt er [der Luftgeist] sie fort. Kinkel 54 u. ä. m.
2) An 1 schließen sich:
a) R. häufig auf Wirthshausschildern und danach als Bez. des Wirthshauses: Als er aber im rothen Rößlein den letzten Rausch gekauft. Hebel 3, 137; Vor dem Wirthshaus, dem schwarzen Rössel. Merck’s Br. 2, 2 etc.
b) bei manchen Handwerkern eine Bank, worauf sie bei ihrer Arbeit rittlings sitzen, z. B. die Krämpelbank der Wollweber, die Bank der Riemer mit einer Vorrichtung zum Einklemmen des zusammenzunähenden Leders etc.
c) Bauk.: Gespanntes R., zwei über ein- ander liegende und in einander gekämmte [s. d. 2] Balken oder Träger, s. Sprengwerk.
d) Bergb.: in Ungarn ein Kohlenmaß = ¼ Fuder (wohl andern Stamms), ferner in Zsstzg.: Fahrt-R., kurzer krückenförmiger Stab als Stütze der in einen Stollen Einfahrenden.
e) Schachsp.: Zwei Springer (s. d.), auch Pferde oder Rössel. Bilguet 6a etc., s. Rössel-Sprung (vgl. g) und vgl.: Dann geht er weiter in Sprüngen und Sätzen, wie der „Ryssel“ im Schachspiel. Alexis H. 1, 2, 57.
f) Strumpfweb.: ein Theil des Strumpfwirkerstuhls, der mittels der Kullierschemel auf einer Stange (R.-Stange) hin und her bewegt wird und so die Unden (s. d.) in die Höhe und dadurch die Platinen (s. d. 1) nieder bewegt, s. Karmarsch 3, 430 ff.
g) Turnk.: „Rössel, Pü-Rössel springen: ein Spiel, wobei sich die Theilnehmenden, in einer Entfernung von 5—6 Schritten einer vom andern, in eine Reihe stellen und der Letzte immer über die Köpfe der Vorstehenden wegspringt, um sich vorne wieder anzustellen. Schm. 3, 136, s. Bock 12.
h) Weinb.: in der Schweiz ein Haufe Rebpfähle, die in zwei“kreuzweis über einander in den Boden gesteckte Rebpfähle gelegt sind. Dazu: Rösseln: die Rebpfähle den Winter durch nach dieser Form aufschichten. Stalder.
i) Zool.: in Zsstzg. Wal-R. (vgl. 1c: See-R. etc.), ein großes Wasser-Säugethier, Trichechus rosmarus. Giebel 128; Oken 7, 1436 etc. k) Wider-R., verderbt statt Wider-Rist (s. d.).
Anm. Ahd. hros (bei Otfried auch vom Esel, vergl. Saum-R.), mhd. ros und ors (s. ags. hors, engl. horse), s. Anm. zu Harke, Rind, von Wackern. Gl. 292 mit horsco (schnell) zu lat. curro (laufe) gestellt, von Andern minder wahrscheinl. zu skr. hrêsch, wiehern, vgl. auch Diez 296. Oberd. Mz.: Die R. und Rösser. Schm. und beide Formen z. B. Eppendorf 75 etc. Fortbild., s. das Folg., ferner (schwzr.): Rösseln (vgl. 2h): nach Pferden riechen; reiten; hü-rösseln (s. 1): gern reiten; (Hü-) Rößler: Liebhaber vom Reiten; umrösseln: hin und her reiten; verrösseln, tr.: (Zeit, Geld etc.) mit Reiten verbringen etc., s. Stalder; Der Rößler, Rösser, Rosser, Rossinger: Jemand, dessen Geschäft es ist, mit Pferden umzugehn etc. Schm.; Der Einrösser, veralt. wie: Einspänniger (s. d.), z. B. auch Luther SW. 61, 378: „der nur das eine Roß hat, woraufer reitet“, jetzt nam.: Einrößler, ein Bauer, der nur ein Pferd besitzt; Lehen- (Lohn- Forster’s Br. 1, 869) Rößler: Pferdeverleiher, Miethskutscher; Rößler auch: Art Weißgärber, vgl. Friese. Zstg. s. [1e] und Fahrt- [2d], Pü- [2g], Wál- [2i], Wider- [2k] R.