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riechen
Rīēchen, intr. (haben, s. 1) und tr., roch, röche; gerochen (s. Anm.):
1) (veralt., mundartl.) intr.: rauchen (s. d.), dampfen, z. B.: Die Küche raucht und reucht. Günther 1022; Dörfer .. lagen da | in der Aschen und rochen. HSachs (Wackern. 2, 109³⁰) etc., auch mit „sein“ (s. rauchen, ab-, auf-, aus- und nam. ver-r. oder -dampfen): Sobald.. die Kraft des Weins .. aus dem Magen über sich in den Kopf gerochen und gestiegen war. Schaidenreißer 38betc. und tr.: Dampfaushauchen, z. B.: Gespenster, die Schwefel aus der Nase r. SClara, s. Schm. 3, 17 ff. 2) (s. 1 und duften 1; 2a und b) intr.: durch Aushauchungen sich der Nase (den Geruchsnerven) bemerklich machen: Etwas riecht gut, wohl, schlecht, übel, (un)angenehm, streng etc.; sengerig, brandig etc.; Arsenikdämpfe r. wie oder nach Knoblauch; Das leere Flakon riecht noch nach dem Rosenöl etc. (s. d); Nach dem Topf (s. d.) r.; Röche Hoffahrt wohl, so wäre Dieser lauter Bisam. Sprchw. (Schottel 1121); Geistig [nach Spirituosen] riecht’s. G. 1, 182; Lässt man Einen streichen, | der nicht nach Bisam reucht. Rachel 7, 239; Das riecht noch immerfort | nach Blut! Sch. 577b; Wie reucht es so übel! Zinkgräf 1, 232 etc.
a) zuw. ohne Zusatz statt wohl r., z. B.: Jch liebe nur Blumen, die r. [duften] etc. und häufig euphemist. statt stinken (s. d.), z. B.: Nimm den Käse fort, er riecht so; Jemand riecht aus dem Hals, hat einen stinkenden Athem; Er [der Todte] riecht [„stinkt“ Luther] schon. (Luk. 11, 39); Riecht der Abtritt? Hebel 3, 343 etc.
b) im Partic. mit Adv. verschmelzend, z. B.: Ein übel-r–des Gas etc.; Wohl-r–de Pomade (Zachariä 1, 135), Seife, Blumen etc.; Faul-r–d (oder -riechig. Spate).
c) Bibl., bildl.: Wohl r.: einen Gott wohlgefälligen Wandel führen. Sir. 39, 18 (vgl. Geruch und 3a).
d) (s. o.) Nach Etwas r., verallgemeint: in seinem Wesen das Genannte spüren lassen oder verrathen; Spuren davon an sich tragen, z. B.: Wie niedrig denkt unser Prinz! wie riecht er nach der Herde! Geßner 4, 44; Das Stühlchen riecht so nach armen Sündern, wie überhaupt die ganze Stube. G. 9, 98; Der jetzt ein Lißt’sches Kunststück, gleich darauf eine .. Bach’sche Fuge spielt. Die Bach’sche Fuge .. wird doch ein wenig nach Lißt r. Hartmann BB. 211; Das riecht so recht nach der schwerpfündigen Polemik des Jahrhunderts. JvMüller 10, 12; Scherr Bl. 1, 261; Daß sie [deine Verse] nach Angstschweiß r. Weichmann 1, 247 etc. Ahnlich: Es riecht so bürgerlich, um den Donat zu fassen, | sich von Orbilius das Leder wetzen lassen. Günther 374 etc. 3) (s. 2) tr.: Etwas r., durch die Nase (den Geruchsinn) wahrnehmen, unwillkürlich oder absichtlich (vgl. wittern, spüren), eig. und übertr. (vgl. Nase 2c und k), z. B.: Da roch er den Geruch seiner Kleider. 1. Mos. 27, 27; Man konnte keinen’ Brand an ihnen r. Dan. 3, 27; [Das Kampfroß] reucht den Streit von ferne. Hiob 39, 25 (Ramler F. 2, 336) etc.; Hebel 3, 162; Vor mir mag sich kein Raub verkriechen, | ich kann ihn auf die Meile r. Lichtwer 124; So sollen sie ihren Dreck auch wiederum r. [ich will ihnen ihre Schande vorhalten]. Luther 5, 283a; 6, 322a; 358b; Reuchst du Das nicht gern? Murner Ul. 77; Er riechet [spürt, wittert] neue Beute. Nicolai 1, 60; Wolltest du gleich kriechen | in deiner Mutter Leib, das Pulver nicht zu r. Opitz 2, 268; Kein Sanders, deutsches Wörterb. II. Pulver r. können, feige, schlachtscheu sein etc.; Nicht eine Nase, die nicht Den röche, der stinkt. Shakespeare 8, 291 etc.; Den Braten (s. d. II), Lunte (s. d. 3), Mäuse (s. d. 1g, vgl. 7) r. etc.; Er reuchet Mäuse und schmecket [s. d.] den Braten wohl. Luther 6, 359b; Er muß freilich keinen Schnuppen haben, der solchen Braten r. kann. 8, 6b; 250a etc.; Wer es noch nicht riecht [merkt], wohin alle die Einschränkungen . . abzielen . ., Der hat den Schnupfen ein wenig zu stark. L. 10, 188 etc.; Ich bin ein Mann! Das könnt ihr schon | an meiner Leier r. [spüren, merken]. | Sie braust dahin im Siegeston. Sch. M. 1, 48; Wer hat Das r. [vorher wissen, ahnen] können? etc.
a) Bibl.: Wohlgefallen an Etwas haben (s. 2c), zunächst von Gott an dem aufsteigenden Opferdampf (s. Gesenius s. v. r), z. B. 1. Mos. 8, 21; 3, 26, 31 etc.; Daß man deine gute Salbe rieche. Hohel. 1, 3 etc., auch: Sein R. wird sein in der Furcht des Herrn. Jes. 11, 3 mit Randgl.: Räuchen heißt beten, r. heißt erhören. 4) (s. 3) intr.:
a) ohne abhäng. Vh.: Weder sehen . ., noch r. 5. Mos. 4, 28; Sie haben Nasen und r. nicht. Ps. 115, 6.
b) An Etwas r., es an die Nase bringen, um den Geruch wahrzunehmen: Wenn in der Hand den Strauß du hältst zu r., reuch nicht | daran! Rückert Rost. 44b; Der darf zuletzt an keine [Drckf.: keiner] Rose r. Schmarda 1, 130 etc., seltner: Man roch zu Rosen und Reseden. Beck Arm. 179; Darum muß man mit einer andern Nasen dazu r., nicht wie eine Kuh zum Gras reucht. Luther 5, 500b etc., ferner übertr. (niederd.): Daran kannst du r.!, von einem derben (in die Nase kribbelnden) Bescheid, den man Einem giebt etc., s. Brem. W. 3, 545 etc.; Er solle zuvor in seinen [eignen] Busen r. Schweinichen 1, 351 (vgl.: sich selbst an die Nase fassen etc.); Du rochest kaum ins Haus [hattest kaum die Nase hereingestreckt, warst also noch nicht einmal ganz drin], so lief man mit den Schüsseln. Günther 1100, vgl.: Ein Kleiner kann sich einschmiegen und einkriechen, wo ein Großer nicht einmal hin-r. darf. Arnim 53; Muhme Dorchen hat kaum hergerochen und fängt schon solche Schelmerei an. Weiße Kom. Op. 3, 295; Unsereiner riecht nun den ganzen Sommer nicht aus dem Hause hinaus. IP. 1, 70 etc. und nach dem Hebr.: Ich mag nicht r. in eure Versammlungen [s. 2a]. Am. 5, 21; Wie eine flächsene Schnur zerreißet, wenn sie ans Feuer reucht. Richt. 16, 9, vgl.: wenn sie Feuer riecht [3]. Zunz. 5) Riecher, s. u.
Anm. S. rauchen, Anm. Die Formen des Präs.: du reuchst, er reucht; Imper.: reuch! (s. Bsp.) in der heutigen Prosa veralt. S. auch schmecken.
Zsstzg. vgl. die von merken, spüren, fühlen, sehen und zu [1] von rauchen, z. B.: Áb-:
1) [1] veralt. statt abrauchen. Paracelsus 1, 893b etc.
2) Etwas a., das Riechbare davon ab-, wegnehmen (es auf-r.), z. B. vHorn rhD. 2, 165.
3) Einem Etwas a., es ihm riechend abmerken, abwittern (vgl. an-r. 2): Er riecht die Fährt’ ihr ab. HKleist Hint. 134; G. 11, 178. Än-:
1) [4b] Etwas a., daran riechen, es be-r. Günther 1085a; Rabner 1, 158, auch übertr.: Ich hab’s etwa auch ein wenig angerochen [meine Nase hineingesteckt, verstehe ein wenig davon]. Amsdorff (Luther 1, 149a).
2) Einem Etwas a., vgl. ab-r. 3, z. B.: Sie könnten’s jedem Edelmann a., wer im Graben liegt. Alexis H. 1, 1, 40; Sie riecht’s einem jeden Möbel an, | ob das Ding heilig ist. G. 11, 120; Jene Färbung, der man .. den Moder sozusagen schon anriecht. Prutz Mus. 1, 224 etc.
3) [2] Etwas riecht Einen an, wirkt auf seine Nase (eig. und übertr.), haucht, duftet ihn an: Es hat mich eine gewisse Honnêteté angerochen. Merck’s Br. 1, 211; So reucht dem [gw. den] unerfahrnen Mann | der Krieg so süß als Honig an. Rollen- hagen Fr. 355, s. zu-r. Āūf-:
1) [1] rauchend (oder riechend) aufsteigen: Daß es [das Opfer] aufriech dem Schöpfer. HSachs 3, 1, 12; Alle Dünst und a–de Dämpf. Ryff Sp. 7b; 107b etc., vergl. (schwzr.): Aufriechen = aufstoßen, von Speisen und übertr.: sich im Gemüth aufs Neue regen. Stalder 2, 287; Gotthelf G. 286; So, roch’s mir dann wieder auf, darfst du dann Ännchen nicht mehr unter die Augen treten. Bracker Togg. 65.
2) einen Geruch in die Nase aufsteigen machen, einziehen: Riechet einmal mit recht tiefem, inbrünstigem Athem dieses um uns her dampfende Blut in eure Lungen auf! Mundt Rob. 1, 97 etc.
3) s. ab-r. 2, aus-r. 4. Āūs-:
1) [1] Der Brodem, so er vom Menschen .. ausreucht und dy 4e ausdämpfet. Ryff Th. 319.
2) [2] Die Blumen riechen das Zimmer aus. Grimm, füllen es mit Duft.
3) riechend ausspüren, auswittern: Eines Spürhundes, der die Gabe hätte, dir die Reichen aus-zu-r. W. 22, 127; Luc. 6, 447 etc.
4) durch Riechen duft-leer machen: Ein Flakon, das schon viel erschöpfende Nasenzüge ausgehalten hatte und gleichsam ausgerochen war. König Jer. 3, 59. Be-: Etwas b., daran riechen, den Geruch davon einziehn, nam. prüfend beschnüffeln: Jeden Winkel b. (und beschnarchen). Arnim 25; CFBahrdt 3, 126; Das Wetter (Lichtwer 17), den Moder (V. 3, 58) b.; Sich (d. h. ein- ander) b., zunächst von Hunden, z. B. Ramler F. 3, 47, dann verallgemeint: sich zusammentreffend mit einander ein wenig vertraut machen, z. B.: Mit seinem Feind | sich im Scharmützel zu b. Ringwald Wahrh. 180. Dúrch-: s. hindurch-r. Hêr- etc., z. B. [2]: Das Parfüm riecht bis zu uns her, riecht aus allen andern heraus, durch alle hindurch (oder durch), vor allen (her)vor etc. und [3]: Man riecht es gleich heraus, durch alle andern Gerüche (hin)durch etc.; Damit man in Das, was man nicht [mit der Nase] heraus-r. kann, [mit den Augen] ein Einsehen habe. Tieck Lear 1, 5 etc.; So ein Musje, wie sie in der Leute Häusern herum-r. [4b , her- umschnüffeln]. Sch. 183b etc., vgl.: Lüstern umher-r–d, streckte der naschhafte Aal den Kopf aus dem Wasser. Bronner 1, 28. Ver- [1]: sich verflüchtigen, Geruch und Kraft verlieren: Er trank es aus. Sonst verriecht es, dachte er. Hebel 3, 321; Verrochne Recensentenblümchen. IG Müller Lind. 2, 224; 286; So ver-r. auch vom Bad die unnatürlichen Überflüssigkeiten der Glieder. Ryff Sp. 178a; Verriechung. 7b; 108aetc. Vōr-: hervor-r. Zū- [2]: Mir riecht es hier nach Moschus zu, s. an-r. 3.