Reiz
Rēīz, m., –es; –e; -:
1) (s. reißen, Anm. und reizen 6) ein die Sinne erregender Einfluß und —: die dadurch bewirkte Erregung, auch verallgemeint auf Geistiges (vgl. 2): Der Reiz der Geschmacks-, Gesichts-, Geruchs-, Gefühls--Nerven etc., der Zunge, des Auges, der Nase, des Gefühls etc., des Pfeffers auf die Zunge, des Lichts auf das Auge; [Die Muskelfasern werden] durch jedwede Art von R–en, sowohl psychische, mechanische, chemische und elektrische, zu Zusammenziehungen (ihrer Länge nach) bestimmt. An. 217; Nachdem die übrigen Theile der Netzhaut durch einen soviel stärkern R. in Thätigkeit gesetzt worden. 37, 21; Es ist etwas Widersprechendes von R. und Ruhe im Anblick [des Blauen]. 255; Aus der Empfindlichkeit und Reizbarkeit der festen Theile, auf welche die Verdorbenheiton der Säfte als R–e wirken. Kl. 1, 307; Man kann sagen, daß alle R–e gleichförmig auf die Gewebe wirken, nämlich dieselben in ihrer Thätigkeit erhöhen, mithin Lebensfülle hervorbringen. Auf mechanische R–e, wie Stöße, Kitzeln, auf physische wie Licht, Wärme, Elektricität und auf chemische wie Säuren, Laugen, Salze erhöht sich die Thätigkeit und das Gewebe schwillt an; ebenso auf die Einwirkung des Blutes bei stärkerem Herzschlag. .. Verminderung der Thätigkeit oder Erschlaffung der Gewebe kommt nur von Mangel an R–en. So ist die Kälte kein R., sondern ein Mangel an Wärme. . . Ebenso verhält es sich mit den innern R–en. Der Schrecken, die Angst und die Furcht . . sind weder Blut- noch Nerven-R–e, sondern umgekehrt. .. Es ist daher sehr unphysiologisch, wenn die Medicin von deprimierenden R–en redet etc. 4, 205; Einen starken, stechenden, prickelnden R.; einen R. zum Husten, Niesen, Lachen etc. haben, fühlen; Etwas hat R. für Jemand, keinen R. mehr für ihn, hat seinen R. verloren; der R. hat sich abgestumpft, sich verloren etc.; Das Räthseln und Herausholen hat so seinen eignen R., eine Art Jagdfreude. Leb. 1, 11; Er würde den geringsten R. zu ihrer Häuslichkeit nicht fühlen (s. 2). 9, 479; So hatte doch die Gegenwart der ältern Freundin so viele R–e für dich. 15, 16; Geben Sie uns lieber irgend ein Quiproquo, das uns reizt. . . Wir verlangen einen R., der uns homogen ist. 17, 32; Indessen war doch der R. bald abgebraucht. M. 4, 248; Weil die Geschlechterneigung doch allen den übrigen R–en endlich zum Grunde liegt. SchE. 62; Der Gedanke hatte tausend R. für sie. Siegw. 438; Mein Gegenstand | reißt mich-dahin. Mein Herz ist voll, der R. | zu mächtig, vor dem Einzigen zu stehen, | dem ich es öffnen möchte. 278a; Der überhandnehmende R. der Weichlichkeit. 776b; Der R. der Überraschung. JP. 39; Sobald ihre Gunstbezeugungen den R. der Neuheit verloren. 6, 88; So hatte ich .. keinen Wein getrunken, weil ich keinen R. [Appetit] dazu spürte. 1, 396 etc. Ver- einzelt auch von etwas Konkretem, insofern es reizend, erregend wirkt: Rettige und den Salat von Endivien, R–e des Hungers. 2, 174. —
2) in engrem Sinne von angenehmen, anmuthenden u. anlockenden Erregungen (s. Bsp. in
1) und so bes. von dem, was durch die Art, wie es in die Erscheinung tritt, solche Empfindungen erregt: R. ist die Schönheit in Bewegung. 6, 499 11, 331; Ästh. 1, 184); vgl. Ph. 1, 90 u. 158 u. bes.: R., Anmuth [s. d. 2] und Grazie werden zwar gewöhnlich als gleichbedeutend gebraucht, sie sind es aber nicht. . . Es giebt eine belebende und eine beruhigende Grazie... Die erste grenzt an Sinnen-R. und das Wohlgefallen an derselben kann, wenn es nicht durch Würde zurückgehalten wird, leicht in Verlangen ausarten. Diese 92* kann R. genannt werden. .. Die beruhigende Grazie grenzt näher an die Würde, da fie sich durch Mäßigung únruhiger Bewegungen äußert. Zu ihr wendet sich der angespannte Mensch und der wilde Sturm des Gemüths löst sich auf an ihrem friedeathmenden Busen. Diese kann Anmuth genannt werden etc. 1124b. Wir fügen in Bezug auf den Unterschied noch hinzu, daß Anmuth immer nur auf die Gesammtheit der Erscheinung geht, R. dagegen auch auf das Einzelne derselben, weshalb Jenes nur in der Ez., dies in Ez. und Mz. üblich ist. Nach dem Gesagten genügen wenige Bsp.: Wenn die Römerinnen die ständigen R–e besitzen, die aus einem schönen Weibe nur eine Schönheit machen, so fehlen ihnen dafür jene flüchtigen R–e, die 20 holde Geschöpfe aus einem einzigen machen. It. 1, 229; Der Schmerz erhöhte ihre Schönheit, der Schleier ihre R–e, die Harfe ihre Anmuth. 19, 335; Daß Rosalie, ohne schön zu sein, einen unendlich höhern R. befitzt, den R. einer fesselnden Anmuth. GsN. 2, 69; Von ihren stolzen Höhen | muß die Götterkönigin | um des R–es Gürtel flehen | bei der Herzenfeßlerin. 10b; Sanft wie des R–es Linien sich winden [vgl. Schönheitslinie]. 24b; 54a; 85a; 418b; Blühend in der Jugend R. 464b 502b; Seine Verlobte hatte jetzt weder R–e noch Willen zu reizen. 3, 120; Diesen zauberischen R., der .. noch etwas Schöneres als die Schönheit selbst ist. 1, 210; Schönheit für sich allein wirkt bloß Wohlgefallen und gewährt reinen, ruhigen Genuß; Begierde hingegen ist körperlicher R., der, auch ohne von der Schönheit erregt zu werden, für sich selbst wirken kann. .. Daher ist es zwar unschicklich, R. und Schönheit zu verwechseln; aber ebenso unleugbar, daß Schönheit reizt, als daß R. verschönert. 27, 407; Die ihre R–e . . öffentlich feil trug. 18, 116 etc.
Zsstzg. leicht zu mehren und zu verstehn nach dem Obigen und den folg. Bsp. vgl. für die mit Vors. die entsprechenden von reizen: Ein An-R. [1] zum Niesen, Husten, Erbrechen; zum Lachen; zur Sünde; Durch An-R. ewigen Nachruhms. Baggesen 2, 356; Er steht in Glanz und Herrlichkeit da, in größten An-R. Ense Tag. 1, 171; Der Ekel ist ein An-R., sich des Genossenen zu entledigen. Kant Anthr. 52; An-R. zum Haß. Shakspeare 6, 308; Grade dieser Beschluß fügte der Absicht der Pariser Gesellschaft, den Alten zu vergöttern, einen An-R. mehr hinzu. Scherr Bl. 1, 256; Thümmel 2, 92 etc. — Blut-R. [1]. Oken 4, 205. — Die tägliche, ja allstündliche Bemühung der stärksten Denk-R–e [1] macht den Menschen hier endlich stumpf und gedankenlos. Börne Par. 1, 63. — Den Feuer-R. [1, den feurigen, brennenden] des Ehrtriebs. JP. Nachd. 79. — Ein unendlich reicher Markt von Frauen-R–en [2], in den kokettesten Toiletten zur Schau gestellt. Scherr Bl. 1, 94. — Gegen-R. [1]. Campe. — Sturzbäder bei Ge- hirn-R–en [1, -Affektionen]. — Jeder Götter-R. [2, s. Himmels-R.] wird einst des Alters Raub. Kretschmann 2, 113. — Die Haupt-R–e [1] für willkürliche Muskeln. Bock An. 217; Der Haupt-R. [2] ihres Gesichts liegt in den Augen. — Einen Haut-R. [1] verspüren. — Ihre Hebe-R. [2]. Scherr Bl. 1, 94 (s. Hebe II 1). — Den Himmels- R. [2, himmlischen] . ., | der jede Rabenlock’ umquillt. OLBWolff Lit. 180. — Daß Karl seinen Husten-R. [1] noch nicht verloren. Sch. Charl. 1, 296. — Durch Jugend-R. [2] ausgezeichnet. Spielhagen Probl. 1, 117. — Vor Körper-R. [2] pflegt Niemand auch zu flüchten. Göckingk 2, 169 etc., auch: Alle Empfindungen der Seele hängen ab von Körper-, von Nerven-R–en [1], in beiden Fällen Ggstz.: Seelen-R. etc. — Eine Krankheit, die vielleicht durch geistigen Lebens-R. [1] u. gesteigerte Gemüthskraft bis dahin zurückgehalten worden. Ense Biogr. 4, 178; Für holde Lebens R–e [2] kalt. KMayer 134, vgl.: Über das todte Gebild des Lebens-R–e zu streuen. G. 5, 98. — Lieb-R. [2], liebeweckender, lieblicher R., z. B.: Gießt aus dem heiligen Salbhorn | Lieb-R. herrlich umher! ⏑ ebd.; Hagedorn 3, 96; Alle Anmuth ist schön, denn der Gürtel des Lieb-R–es ist ein Eigenthum der Göttin von Gnidus. Sch. 1108b etc. — Zu dem .. übermüthigen Lust- R. [2, lustweckenden R.] des Nixen- und Elfenthums. Heine Lut. 1, 310. — Der Violen Flor | und Myrtenhain’ und jeglicher Nasen-R. [1] | verbreitet Wohlgeruch. V. Ländl. 4, 740. — Nerven-R. [1]. — Mit den Schlaraffen-R–en [2, weichlichen R–en] des Familienlebens. MBeer Br. 269. — Seelen-R., s. Körper-R. — Dieser Sinnen-R. [1] kann ihn nur locken, nicht befriedigen. Ense Biogr. 4, 91 etc. — Doppelt fühlt sich Sommer-R. [2], | wo die blaubeseete Schweiz | alpengrün und farbig lacht | um krystallne Winterpracht. KMayer 184. — Wo nur der vereinzelte Tages-R. [1, flüchtige, mit dem Tage wechselnde R.] gilt. Ense Denkw. 5, 315. — Schmeicheln Wahnbilder ihm | im Traum . . mit Trug-R. [2, trügerischem R.]. WHumboldt 3, 47. — Weil sie auf das Organ [das Gehirn] theils mit geistigen und gemüthlichen, theils mit sinnlichen Über-R–en [1, übermäßigen und daher schädlichen, abstumpfenden] einstürmen. Bock (Gartenl. 9, 744b); Die Oper in ihrer damaligen übertriebenen nur auf den gröbsten Sinnen-R. berechneten Gestalt ging an sich selbst und ihrem eigenen Über-R. zu Grunde. Prutz GschTh. 244 etc. — Die Weiber wollen gern Alles verzeihen, ausgenommen Eines: nicht etwa das Verneinen ihrer R–e, sondern das laute Bejahen eines körperlichen Wider- oder Un-R–es [1, Gegensatz des Reizes]. IP. Lev. 437. — Im Voll-R. [2] ihrer Schönheit. Scherr Bl. 1, 274. — Schreck macht geistig als Vor-R. [1, vorwiegender etc.] das Gedächtnis lahm. IP. — Ist nur der leiseste Wechsel-R. [1, eine Wechselwirkung übend] zwischen dem Sinn und dem Geist wieder erregt. Raumer Päd. 3, 1, 166; Des mannigfalten Jahres Wechsel-R–e [2, wechselnde]. Kretschmann 2, 113. — Wider-R., s. Un- R. — Lehrt sie den Zauber-R. [2, zauberische Lockung etc.] der wilden Lüste fliehn. Lichtwer 194; Ihr Zauber-R. | besiegte jedes Herz. W. Luc. 6, 451; 338 etc., vgl.: Dort waren des Zaubers R–e versammelt. V. Il. 14, 215 etc.
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